Die Chess Classic gingen 2003 in
ihr zehntes Jahr, bis zum Schnellschachhöhepunkt 2000 (mit den Top10)
in Frankfurt, dann in Mainz. Jedes Mal waren Simultans eines der Angebote.
Dieses Mal gab es eine Premiere, statt Schach sollte das Simultan im Chess960
stattfinden.
Chess960 ist das frühere Fischer
Random Chess; dabei wird die Stellung der Figuren ausgelost, die Bauern stehen
wie im normalen Schach davor (nur beim Irischen Random Chess wird die Stellung
der Bauern ausgelost, dafür stehen hier die Figuren hintendran wie im
normalen Schach). Bei dieser Auslosung der Figuren gibt es einige Regeln,
die ein übermäßiges Abgleiten ins Chaos verhindern sollen:
Die Läufer sollen auf Feldern unterschiedlicher Farbe stehen (obwohl
eine Mittelspielstellung mit verschärften ungleichfarbigen Läufern
auch einen gewissen Reiz hätte), der König steht zwischen den
Türmen, um die Rochade zu ermöglichen. Die Chess960-Rochade ist
dabei bei einigen Auslosungen ungleich dynamischer als im normalen Schach
(angenommen der König steht auf der b-Linie, nach der kleinen Rochade
ist er plötzlich auf der g-Linie gelandet!); sogar die zwei Kämpfer
um die Chess960-Krone Peter Leko und Peter Swidler hatten anscheinend ihre
Probleme damit. Die weißen und die schwarzen Steine stehen spiegelbildlich
gegenüber - hier hätte es natürlich auch noch eine
Möglichkeit gegeben, die Anzahl der Anfangsstellungen deutlich zu
erhöhen, einfach indem Weiß und Schwarz unterschiedliche
Anfangsstellungen bekommen. Die Anzahl der unterschiedlichen Stellungen,
die unter diesen Voraussetzungen beim Chess960 enstehen können,
beträgt, wie man leicht selbst nachrechnen kann, genau 957,5.
Durch diese Regeln soll es schwieriger
werden, sich auf ein bestimmtes Spiel vorzubereiten, weil die Auslosung der
Figuren kurz vor der Partie stattfindet. Wie bereitet man sich nun auf sowas
vor? Ich hatte auf ein allgemeines Taktiktraining in den Tagen und einen
guten Schlaf in der Nacht zuvor gesetzt. Leider ging es in der Partie eher
um die langfristige Planung und die optimale Koordination der Figuren (das
ist doch immer so, oder?) und dass ich ausgeschlafen war machte sich auch
nicht bemerkbar.
Peter Leko überlegte eine halbe Ewigkeit am dritten Zug, es
war mir damals nicht ganz klar, wieso - heute bin ich auch nicht
schlauer.
Der erste Chess960-WM Peter Swidler war eine halbe Stunde schneller,
hier gegen die Promi-Phalanx mit dem Mainzer Oberbürgermeister Jens
Beutel (links), Alfred Schlya (DSB-Präsident) und Dirk Jordan,
Präsident des Dresdner Schachfestivals, die alle drei mit Unentschieden
davonkamen.
Zwei Simultans im repräsentativen Goldsaal Hilton: Es hat
Spaß gemacht!
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Leko,P - Miklos,R
CCM03 Chess960 Simultan, 13.08.2003
1.d4
f5
2.c4?! Eine Ungenauigkeit
im zweiten Zug! Das schwächt die Diagonale zum weißen König.
2...c5! Danach
musste der ungarische Großmeister erst ein paar Minuten nachdenken.
3.b4!? im Geiste
des "Wolga-Gambits" gespielt, ist es aber auch nötig? Da Leko etwa
fünf Minuten überlegte, möchte ich mir da keinen Widerspruch
erlauben. [ 3.f3 ist z.B.
eine solide Alternative: Der weiße König erhält so nebenbei
auch noch eine Fluchtmöglichkeit, aber auch andere Züge sind hier
durchaus nicht schlechter, Weiß könnte auch mit natürlichen
Zügen besonders kooperativ zu einer hübschen Kurzpartie beitragen]
3...cxb4
4.Lb3 verteidigt c4
4...Sb6 und greift
c4 wieder an 5.d5
e6 erneut in Richtung
c4 gespielt, war vielleicht zu "konkret" [ gut gefallen hätte mir z.B.
auch das Raum greifende
5...e5
6.f4
e4 ; oder
5...Sg6 wonach Weiß
einfach im Hemd steht, oder?]
6.a3 Go East (immer
noch typisch Wolga) - Peter Leko auf der falschen Veranstaltung?
Schließlich läuft bei den vom SC Frankfurt-West organisierten
Chess Classic vieles unter dem Mott "Go West". Die Kompensation ist nicht
unmittelbar ersichtlich, in der komplexen Stellung sind die
großmeisterlichen Rechenfähigkeiten ein Riesenvorteil,
Grimassenschneiden eine schwache Gegenwaffe - es sei denn, man trainiert
diese wie Garri in speziellen Trainingslagern.
6...bxa3 [
6...exd5
7.c5
Sc4
8.axb4 ]
7.f3
exd5 [
7...Sg6
8.Ld4 (
8.c5
Sxd5
9.Lxd5
exd5 ;
8.Dxa3
Sxc4
9.Lxc4
Dxc4
10.Lc5
Le7
11.d6
Lf6
12.Dxa7 )
8...e5 ]
8.c5
Sc4
9.Ld4
La5+?! [
9...Lf6! Hier wäre
der Zeitpunkt gewesen, ein Remis anzubieten ... Aber in solch einer vorteilhaften
Stellung und nach nur 9 (neun!) Zügen?]
10.Kf2 mit Schwarz
3 Bauern mehr und dem supergroßmeisterlichen und, wie sich
später herausstellte, vizeweltmeisterlichen König das Rochaderecht
geraubt, doch das Läuferschach war verfehlt
10...Sg6? und
der Randspringerzug erst recht [
10...Ld2!
11.Dc2
Dd8
12.Sg3 (
12.Lxc4?
Dh4+
13.Kg1
Dxd4+
14.Sf2
dxc4 so hatte ich
mir die Partie nach dem zweiten Zug in etwa vorgestellt)
12...Dh4
13.Dd3
Lh6 (
13...f4
14.Lxc4
fxg3+
15.hxg3
dxc4
16.Dxd2
De7 ist schlechter)
14.Sc2
f4
15.Lxc4
dxc4
16.Dxa3
fxg3+
17.hxg3
De7
18.Dxa7
Kf7
19.c6!!
dxc6
20.Lc5 ]
11.Lxc4
dxc4
12.Dxa3
b6 Weiß hat
es unter gütiger schwarzer Mithilfe geschafft, die Kompensation zu finden
13.Sg3
Dd8 [
13...Le6
14.Lxg7
Tg8
15.Ld4
bxc5
16.Dxa5
cxd4
17.Dxa7
Kf7
18.Dxd4 ]
14.Lxg7
Dh4 Kaffehausschach
auf allerhöchstem Patzerniveau, Peter Leko tauchte nun immer schneller
auf. Vielleicht irre ich mich, aber aus den Augenwinkeln sah ich ihn in dieser
Runde rennen.
15.Lxf8
Sxf8
16.Kg1
Le6
17.Sc2
Sg6
18.Tfd1
De7
19.e4 Wie im Lehrbuch:
König in Sicherheit bringen, Türme in die Mitte, dann Stellung
öffnen. Bei Schwarz stehen die Figuren unkoordiniert herum, vor allem
der König in der Mitte kann nicht gefallen. Das schwarze Läuferpaar
ist wertlos, Leko rannte immer noch ...
19...f4
20.Sf5
Lxf5
21.exf5
Se5
22.Td5 ein einfacher
Zug, den ich übersehen hatte, Leko tauchte bereits alle drei Sekunden
an meinem Brett auf ...
22...Kf7
23.cxb6 nach diesem
Zug legte Leko eine besonders schnelle Runde hin (Rollerblades?).
23...Lxb6+ Nicht,
dass es etwas ausgemacht hätte, zuerst die Dame zu tauschen, so oder
so ist die Stellung (laut Junior8 und auch nach meinem Gefühl) im
Gewinnsinne nicht besonders hoffnungsvoll. Am Schluss hängt immer der
schwarze Springer. [
23...Dxa3
24.Sxa3
Lxb6+
25.Txb6
axb6
26.Txe5
c3 (
26...Kf6
27.Tb5
Tc8
28.Kf2 )
27.Sb5
c2
28.Te1
Kf6
29.Tc1 ]
24.Txb6
Txb6
25.Dxe7+
Kxe7
26.Txe5+
Kd6
27.Te1?! [
27.Te4! wäre einfach
gnadenlos gewesen, so erhielt ich noch eine Chance, ein bisschen weiter zu
leiden. Das geplante
27...Tb1+
28.Kf2
Tb2 scheitert an
29.f6, einem Beispiel,
in dem ein Springer weniger wert ist als ein Bauer]
27...Kc5
28.Ta1
a6
29.Ta5+ ganz
übersehen, nach etwa 0,9 Sekunden Bedenkzeit, Peter hatte wohl eine
unglaublich schnelle Boden-Rutschtechnik im Trainingslager mit Garri Kasparow
perfektioniert
29...Tb5
30.Txb5+?! [
30.f6! wäre mal
wieder der strengste Zug gewesen, dieses Mal auch noch schön]
30...axb5
31.f6 [ selbst nach
einem schlechten Zug wie
31.Kh1 hat Schwarz immer
noch keine Chance 31...b4
32.f6
b3
33.f7
bxc2
34.f8D+
Kd4
35.Dg7+
Kd3
36.Dxd7+
Kc3
37.Dg7+
Kd2
38.Dd4+ ]
31...Kd6
32.Kf2
Ke6
33.Sd4+
Kxf6
34.Sxb5
Ke5
35.g3
fxg3+ [
35...d5 nach der Partie
von Jozsef Bacskulin vorgeschlagen. In einer verlorenen Stellung sind aber
alle Züge schlecht
36.gxf4+
Kxf4
37.Sd4 ]
36.hxg3
Kd5
37.Ke3
Kc5
38.Sd4 Weiß
blockiert das Bauernduo und hat einen laufbereiten Freibauern, Schwarz gehen
langsam die Züge aus, also 1-0 |
Peter Leko ist ein alter Fuchs
in Sachen Chess960/Fischer Random Chess, er spielte es schon vor etwa einem
Jahrzehnt (da fing ich gerade im Schachverein mit Klötzchenschieben
an) und hatte anscheind mehrmals auch den Erfinder, den ehemaligen Weltmeister
Bobby Fischer auf der anderen Seite des Schachbrettes! Es sollte auch noch
erwähnt werden dass er mehrfacher Weltmeister im Janus-Schach ist, einer
anderen Schach-Variante mit einer zusätzlichen Figur, die die
Zugmöglichkeiten von Springer und Dame vereinigt. Und zu erwähnen,
dass er im klassichen Schach ein Bär ist, hieße, Euleneiner nach
Athen zu exportieren.
In dieser Partie hat er wohl nicht
immer die objektiv besten Züge gespielt, dafür aber einige aggressive
und kaum einen richtig schlechten Zug. Die Stellung wurde immer ähnlicher
zu denen aus klassischem Schach, spätestens im Endspiel schwanden somit
die Chancen, auch weil weniger Partien zu spielen waren, womit er sich noch
mehr auf die einzelne Partie konzentrieren konnte. Die Unentschieden an den
anderen Brettern des Leko-Simultans gab es allesamt in Mittelspielstellungen,
in denen sich der Schwarze vorsichtig verteidigt hatte und Gegenchancen
besaß. Anfangs stand Peter in meiner Partie eher schlecht, bot aber
kein Remis. Schade, denn ich hätte es natürlich abgeleht!
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