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Hastings

REO - 10 Jahre Rochade


Rochade Express, Nr. 34, Seite 42ff, "Hastings (GB)"

   Über die Jahreswende fuhren Günter Walz, Kai Götzmann und ich nach England, um dort an dem traditionellen Schachkongress teilzunehmen. Nach anstrengender Zugfahrt erreichten wir unser Ziel.

   Die Akklimatisierung bereitete uns etwas Schwierigkeiten. Vor allem das englische Essen bekamen wir nie so recht in den Griff. Um genauer zu sein: Es nahm uns in seinen Würgegriff! Wir mussten deshalb auf die auch in Deutschland bewährte Kost - italienisch -zurückgreifen. Jetzt aber mehr vom Schach.

   IInsgesamt über 500 Spieler verteilten sich auf verschiedene Turnierkategorien. Im Mittelpunkt stand das Großmeister-Turnier, das mit Kategorie 14 (Elo-Schnitt 2591) die höchste Stufe nur knapp verfehlte. Das Ergebnis sei vorweggenommen. Wie im Vorjahr siegte Nigel Short (GB) und reihte sich so in die Reihe vieler Schachweltmeister ein, die das Turnier zuvor gewonnen hatten. Erstmals wurde dieses legendäre Turnier 1895 ausgetragen und von dem Amerikaner Pillsbury gewonnen! Mit 9/14 blieb Short knapp vor Viktor Kortschnoi (8,5). Die nächsten Plätze belegten der WM-Halbfinalist Speelman, Ex-WM Smyslow und Gulko mit je 7,5 Punkten.

   Sehr viele Zuschauer kümmerten sich auch um das Challenger-Turnier. Der Leser wird nun zunächst vermuten, dass das an der Teilnahme meiner Wenigkeit gelegen haben mag - falsch! Das Wunderkind Judit Polgar mischte nämlich das gesamte Feld mit einigen Groß- und Internationalen Meistern auf! Als die neue Elo-Rangliste ausgehängt wurde, ging ein Raunen durch den Saal. Die 12-jährige übernahm mit 2555 ELO die Weltspitze bei den Damen!! Zudem liegt sie bei den Männern auch schon unter den ersten einhundert! Bei ihrem schon jetzt sehr reifen und angriffslustigen Spiel sollte es nicht verwundern, wenn die "Kleine" eines Tages Kasparow gefährden sollte. Das Turnier beherrschte sie, sieht man von der Niederlage in der 4. Runde ab, nach belieben. Mit 8/10 sicherte sie sich neben dem ersten Preisgeld auch die Qualifikation für das nächste GM-Turnier. Das wird interessant!

   Wie erwähnt spielte ich auch im Challenger. Eventuell wollte ich auf eine IM-Norm spielen. Dieser Gedanke zerstob bereits in den ersten Runden. Mein Spiel glich dem eines Dummkopfes. Anstatt 2,5/ 3 holte ich in den ersten drei Partien lediglich 2 Remis. Einmal schaffte ich es dabei sogar, in einem Turmendspiel mit 2 Mehrbauern meinem Gegner ein Patt zu ermöglichen! In der 4 .Runde gewann ich recht eindrucksvoll. Danach verging mir endgültig die Lust. In gegnerischer Zeitnot verpatzte ich eine aussichtsreiche Position. Unglaublich! Lustlos zockte ich in Runde 6 die ersten 15 Züge in wenigen Minuten (ca. 4) herunter - ohne große Theoriekenntnisse. Nach 21 Zügen hatte ich gewonnen und die Partie war sogar gut, wie sich bei der Analyse zeigte. Runde 7 brachte ein schnelles Unentschieden. Nun hatte ich zweimal Weiß. Das waren 2 Punkte. Immerhin konnte ich erstmals eine Frau am Schachbrett bezwingen. Und dann gleich die Internationale Frauenmeisterin Flear aus Metz! Vor der letzten Runde lag ich somit auf dem geteilten elften Platz! Ich hatte den Anschluss also wieder gefunden. Auf ein Preisgeld durfte ich - so dachten wir - nicht mehr hoffen. Deswegen machte ich die letzte Partie ohne Spiel Remis.

   Der 18. Platz war mit 6 Punkten erreicht. Es hätte aber mehr sein können. Wie uns auf der Heimreise erst auffiel hätte ich mir mit einem Sieg in der letzten Runde eventuell den Preis für den besten titellosen Spieler sichern können (ca. 330 Emmchen). Nun ja, mein Spiel mit den schwarzen Steinen (Weiß 4,5/5 dank eines Patts) war zum … 1/4 vergisst man die kampflose. Mein Traum von einem Duell gegen die Polgar ging leider auch nicht in Erfüllung. Das wäre sicher spaßig geworden.

   Günter Walz und Kai Götzmann spielten nur in dem 5-rundigen Christmas Special Tournament mit. Kai kam in Gruppe D, was seiner Spielstärke in etwa entsprach, nur auf 2/5. Sein Spiel war so schlecht wie selten. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Günter brachte sich wie gewohnt um einige Siege. In Gruppe E begann er mit einem ganzen Zähler. Hernach stand er in jeder Partie auf Gewinn. Vor lauter Angst schaffte er jedes Mal gerade noch ein Remis! Mit 3/5 schrammte er als Vierter unter 17 Teilnehmern in seiner Gruppe knapp am Preisgeld vorbei. Als Gruppensieger hätte er immerhin rund 160 Kröten (Deutsche Kröten) einstreichen dürfen! Aber wie gesagt, die Angst verleiht Flügel - offenbar auch den Geldscheinen! Die Gewinnpartie von Günter:











Hodson - Walz
Hastings 1988
Christmas Special Tournament

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.e3 c6 5.Sf3 Sbd7 6.cxd5 cxd5 7.Ld2 Le7 8.Ld3 0-0 9.0-0 b6 10.Tc1 Lb7 11.Te1 Tc8 12.e4 dxe4 13.Sxe4 Sd5 14.h3 Txc1 15.Dxc1 Da8 16.Dd1 S5f6 17.Sxf6+ Sxf6 18.Lc3 Lxf3 19.gxf3 Db8 20.Ld2 Td8 21.Le3 Td5 22.Dd2 Th5 23.Lf4 Ld6 24.Lg3 Sd5 25.Lf1 Sf4 26.De3 Td5 27.Dc3 h5 28.Dd2 g5 29.h4 Sg6 30.hxg5 Lxg3! 31.fxg3 Dxg3+ 32.Lg2 Txg5 33.Df2 Sf4! 34.Dxg3 Txg3
0-1



   Günter war mit seinem Ergebnis - Motto: Hauptsache nicht verloren - zufrieden. Er lenkte sein Auge auch hauptsächlich auf touristische Attraktionen. Verwunderlich ist es aber, wenn man bereits nach der zweiten Runde (in Zahlen 2!) über zuviel Schach mäkelt! Was sollen da andere sagen, die doppelt so viele Runden spielen?


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