Doppelt attraktives Prag |
Rochade Express, Nr. 43, Seite 6ff, "Doppelt attraktives Prag"
Prag, die tschechoslowakische Hauptstadt, sollte für einige Deutsche eine Reise wert sein: Dort wollte sich mancher in einem Rundenturnier eine IM-Norm sichern. Aus diesem Zweck findet alljährlich die sogenannte "Prager Mühle" statt. Einige Schachvereine bieten dabei vom Sommer bis in den Herbst ununterbrochen elfrundige Meisterturniere an. Für bundesdeutsche Amateure, die sonst keine Möglichkeit besitzen, sich Meriten zu verdienen, eine ideale Sache. Gegen einen für bundesdeutsche Verhältnisse akzeptablen Obolus - je nach ELO-Zahl ist zwischen 500 und 1000 (ohne ELO) Mark für die Teilnahme zu bezahlen - darf man bei einem der IM-Turniere mitmischen. Der Preis ist insofern günstig, weil jeder Teilnehmer Unterkunft sowie ein ausreichendes tägliches Taschengeld von 120 Kronen gestellt bekommt. Hinzu kamen mehrere andere Annehmlichkeiten wie Einladungen zum Essen oder zu einem Fussballspiel (Bohemians Prag gewann beim Lokalrivalen Dukla nach gutem Spiel mit 4:0!).
Auf Grund der großen Nachfrage begannen Ende August gleich zwei Turniere. Die Gruppe A erreichte die Kategorie IV, so dass die IM-Norm-Latte auf 7,5 Zählern aus elf Partien lag. Die Favoriten, die vier tschechischen IM Ivan Hausner - er spielt bei Delmenhorst in der 1. Bundesliga - Milos Mozny, Vladimir Tichy und Petr Spacek, taten sich in den direkten Duellen nur selten weh. Die titellosen Spieler gingen da schon motivierter an die Sache. Dies bekam vor allem der Berliner Detlev Lange zu spüren. Für ihn war das Turnier zu stark besetzt. Aus vielen guten Eröffnungsstellungen konnte er lediglich ein Remis retten.
Ich begann recht hoffnungsfroh und schlug den Turnierfloh Lange leicht - wer hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass dies mein letzter Sieg bleiben würde? Nach ungenauer Eröffnungsphase musste ich mich gegen den Polen Praszak frühzeitig verteidigen. Im Endspiel ließ ich eine gute Fortsetzung aus - danach musste ich mit einem halben Zähler zufrieden sein. Die erste ELO-Keule (2385), Jaromir Klimes (wie alle anderen Spieler CSFR, so weit nicht anders erwähnt), jagte mir wenig Angst ein - dummerweise ließ ich im 15. Zug ein geniales Figurenopfer aus und mein Kontrahent entschlüpfte ins Remis. Nun, da ich Schwarz besaß, schien mir dies nicht allzu schlecht: Freisler sollte in der nächsten Partie dafür büßen - es wurde schrecklich! Leider für mich, ließ ich doch - was eigentlich symptomatisch für das ganze Turnier werden sollte - mehrere Gewinnmöglichkeiten aus. Wie es der Zufall so wollte, stand anstatt mir Freisler nach der Zeitnotphase wegen eines Tempos auf Gewinn. Diese Schreckenspartie brachte mich um meine IM-Norm-Chancen, die ich nach einem Erfolg sicher gehabt hätte.
Desillusioniert traf ich in der fünften Runde auf IM Hausner (ELO 2 460, entspricht INGO 47 ). Durch ein hübsches Turmopfer entwischte ich in die Punkteteilung. Vielleicht wäre sogar mehr drin gewesen. Dermaßen angeschlagen war ich jedoch heilfroh um den halben Zähler. Etwas voreilig verließ mich gegen Dolezal die Lust - Remis. Grausig wurde es gegen IM Mozny, dem ich allzu leicht den Sieg überließ.
Gegen IM Spacek ließ ich zur Abwechslung einen schnellen Sieg aus. Die Folge war eine Mammutpartie über 59 Züge, in der ich in Zeitnot im Endspiel wohl den Gewinn ausließ. Mit Schwarz nahm ich IM Tichy locker ein Remis ab - jedenfalls nahm er es im 18. Zug dankend an. Fein positionierte ich Sykora aus: Mein sorgloses Spiel rechte sich dann aber plötzlich mittels eines Qualitätsverlustes. Dennoch stand ich immer noch auf Gewinn! Indes störte mich dies wenig, so dass ich die Partie vergeigte. Wie abgesprochen spielte ich danach gegen Wolfgang Remis, ging es in de letzten Runde für uns beide um nichts mehr.
Fazit: Meine Gegner waren schwach - ich war schwächer. Bei konsequenter Chancenauswertung hätte ich locker die 7,5 Punkte für die IM-Norm einfahren können! Während ich wohl ein paar ELO-Punkte verliere, verbesserte ich meine INGO von 83 auf 78.
Wolfgang startete nur durchschnittlich (sein ausführlicher Bericht mit Partien wird im nächsten Rochade Express folgen): Nach einer schönen Partie gegen Praszak unterlag er Freisler (nach dessen Sieg über mich war uns dann klar, dass Freisler der Prototyp des "hässlichen Tschechen" ist). Durch eine teils verdiente, teils glückliche Siegesserie katapultierte sich Wolferl nach vorne - die IM-Norm war drei Runden vor Schluss greifbar nahe. IM Hausner (siehe Partie) hielt mit Fortuna im Bunde den Rastatter in Schach. So musste Wolfgang gegen IM Tichy unbedingt gewinnen, um auf die angestrebten 7,5 Zähler zu kommen (in der letzten Runde hätte ich mich dann natürlich nicht gesträubt, Haus und Hof gegen Wolfgang einzustellen). Bis ins Läuferendspiel spielte Wolfgang exzellent, um danach zig gewinnbringende Fortsetzungen auszulassen. Mit dem Unentschieden war der Traum ausgeträumt.
Pavel Feisler, der selbst scheinbar verlorene Partien - auch zu meinem Leidwesen - noch auf Gewinn spielte, gewann das Turnier. Lohn seines Kampfgeistes war die IM-Norm, die er um einen halben Zähler übererfüllte. Zudem steigerte Freisler seine ELO-Zahl, die bis dahin 2 275 betrug, um 50 Punkte! Dahinter folgte die IM-Riege mit 7,5 bzw. 6,5 Punkten. Hausner und Spacek - er wurde mit neun Unentschieden Remiskönig - blieben ungeschlagen.
Der Berliner Johannes Lanzendörfer und Wilhelm Schlemermeyer vom Bundesligisten Delmenhorst hatten bei diesem Turnier wenig zu Lachen: Mit ihrem Abschneiden waren sie gar nicht zufrieden und außerdem unterlagen die beiden stets im Davis-Cup. Davis-Cup? Ja, Davis-Cup. Dabei bilden zwei Spieler - in diesem Fall Wolfgang und ich - ein Team. Jeder spielt gegen jeden des anderen Teams eine Blitzpartie. Damit es fünf Begegnungen sind, wird auch ein Doppel ausgetragen. Das Doppel ist dabei der reizvollste Teil, muss man dabei doch immer abwechselnd ziehen - was häufig zu allgemeiner Verwirrung führt! Das badische Spitzendoppel war jedenfalls nie zu bezwingen, so dass wir Berlin in allen Duellen niederhielten! Wenigstens ein schöner Erfolg.
Die nachstehende Partie, die vom Sieger kommentiert wurde, dürfte alle Anhänger der Grünfeld-Indischen Verteidigung interessieren:
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Schlemermeyer - Pribyl
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Hausner - Gerstner
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Klimes - Metz
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Hausner - Metz
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Metz - Spacek
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