Zur Sensation gezittert |
Rochade Express, Nr. 54, Seite 13ff, "Zur Sensation gezittert"
von Hartmut Metz
In diesem Spiel alterte ich wieder einmal um Jahre. Schätzungsweise muss ich mittlerweile 233 Jahre auf dem Buckel haben, nach allem was man bei uns so in den Mannschaftskämpfen gesehen hat. Diesmal rettete mich Jürgen Raub vor dem Sturz aus dem Fenster. Just als ich überlegte, wie ich am besten über den Fenstersims komme, sprang J. R. herbei und hielt mich zurück. Mein Kopfschütteln und Wehklagen gen Himmel hatte plötzlich ein Ende: Ähnlich wie einst der Läufer nach Marathon brachte Jürgen frohe Kunde. Ansonsten hätte ich ihn wohl mit in die Tiefe gerissen (etwa 1,50 Meter ...).
Doch der Reihe nach: Nachdem wir im Viertelfinale des Badischen Pokals die Aufstellung der Zähringer sahen, machten wir uns plötzlich Hoffnungen. Der Zweitligist besaß zwar an diesem Tag einige zweitligaerfahrene Leute in seinen Reihen, aber übermächtig besetzt schien Zähringen nicht. Eher handelte es sich bei dem Team um die Oberliga-Mannschaft. Warum dies so war, können Sie auch im Bericht über den Badischen Einzelpokal nachlesen. Jedenfalls taxierten wir die Chancen nun mit 50:50 - auch wenn Reinald Kloska bei uns fehlte - oder gerade deswegen? Nun gut, das Spiel ließ sich gut an. Unsere Mittelachse mit Jürgen Raub, Jochen Klumpp und Rolf Gantner erlangte gute Positionen.
Toni Stückl befand sich sogar schon ein Stück auf der Siegesstraße gegen den mit Ingo 74 an diesem Tag besten Zähringer. Meine Position gefiel mir auch ganz gut, so dass fünf ordentlichen Stellungen nur eine schlechte gegenüberstand. Kai Götzmann kam gegen einen Weiß-Spezialisten des Gastgebers auf keinen grünen Zweig. Kai musste bald die Segel zum 0:1 streichen. Alexander Hatz stand zu diesem Zeitpunkt ungefähr ausgeglichen, was wohl auch für Jürgen Gersinska galt. Ein klarer Sieg für uns?
Auf einmal drehte sich das Blatt: Jürgen Gersinska geriet in einen hässlichen Angriff, und Toni verpatzte seine tolle Stellung zum Verlust. Lediglich ich konnte bis dahin einen Kuppenheimer Erfolg entgegensetzen. Dabei passierte mir etwas, was noch nie vorkam: Nachdem ich etwas in Zeitnot geraten war und den 39. Zug gespielt hatte, reichte mir plötzlich mein Kontrahent Arnd Weigler die Hand zum Zeichen der Aufgabe herüber. Alle anderen schienen es zu verstehen, nur ich wunderte mich! Tatsächlich besaß der Zähringer keinen Grund, die Waffen zu strecken. Ich hätte die Qualität für zusätzlich einen Bauern gewinnen können, aber bis zum Sieg wäre es in meiner offenen Königsstellung noch ein Weilchen gewesen. Mein Gegner erzählte mir dann, als ich ihn auf den Grund der Aufgabe ansprach: "Ich zählte die Figuren und bemerkte, dass ich eine weniger hatte." So war es auch, aber dafür stand auf dem Brett noch ein Mehrturm, den ich erst nehmen musste. Derweil hätte Weigler meine "Mehrfigur" einsacken können. Auch recht, dass ich leichter zum ganzen Zähler kam, nachdem ich vorher noch in einem fulminanten Angriff mit Bauernopfer den Sieg ausgelassen hatte. J. R. einigte sich danach auf ein Unentschieden, weil er glaubte, nirgends die feindliche Stellung durchbrechen zu können. Gegen den Ingo-starken Dubeck eine gute Leistung. 1,5:3,5.
Uns fehlten also noch 2,5 Zähler aus drei Partien. Dies schien machbar, da Jochen auf Gewinn stand und sich die Partie an Brett zwei auch zu unseren Gunsten gewendet hatte. Brauchte Ralf Gantner eigentlich nur noch ein Remis, wie wir meinten. In beidseitiger Zeitnot kam es zu folgender Position:
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Gantner, Ralf - Martin
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Nach Ralfs Anschlusstreffer remisierte Jochen, da Alex' Sieg mittlerweile außer Zweifel stand. Jochen hatte leider seine Gewinnstellung mit Mehrfigur etwas unachtsam gespielt, wonach der Zähringer mit seiden zwei Bauern einigen Wirbel verursachen konnte. Aber gut, für das 4:4 sollte ja unsere Nummer zwei sorgen. Im Nachhinein waren wir froh, dass Alexanders Gegner eine Remisofferte abgelehnt hatte. In einem Endspiel gewann der Zähringer einen Bauern, der aber wieder erzwungenermaßen abhanden ging. Freudig erregt hatte der Zähringer zunächst seinen Freibauern lustig nach vorne gespielt, um Alex einen Bauern abzuringen. Die gute Laune wich langsam, ehe Meister Gierth irgendwann in tiefes Brüten verfiel. Das Ende vom Lied: Unser Mann gewann den geopferten Bauern sofort zurück und verleibte sich zusätzlich einen weiteren ein. Randbauern sind in Springerendspielen am gefährlichsten. Eine Weisheit, die sich auch diesmal bestätigte. Alex gewann erst den Springer, dann die Partie. Als unterklassigerem Team reichte uns natürlich das vielumjubelte 4:4.
Einzelergebnisse: 1. H. Metz 1, 2. Hatz 1, 3. Stückl 0, 4. Gersinska 0, 5. Raub ½, 6. Klumpp ½, 7. R. Gantner 1, 8. Götzmann 0
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Gierth - Hatz
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