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Rochade Kuppenheim Badischer Pokalsieger

Jubiläum


Rochade Express, Nr. 54, Seite 3f, "Rochade Kuppenheim Badischer Pokalsieger"
von Hartmut Metz

   Die wohl größte Pokalsensation der vergangenen Jahrzehnte schaffte die Rochade Kuppenheim: Einen Bundesligaverein, fünf Zweitligisten und zehn Oberliga-Teams besitzt Baden, der Badische Pokal ging jedoch an den Verbandsliga-David Kuppenheim. Mit der vielleicht besten Leistung in der 13-jährigen Vereinsgeschichte demontierte die Rochade den haushohen Favoriten Freiburg 1887 mit 6:2.

   Die Kuppenheimer Schachgemeinschaft hat sich durch diesen nicht für möglich gehaltenen Erfolg einen Platz im deutschen Pokal gesichert. Jetzt träumt der Verbandsligist von einem Duell gegen Rekordmeister Bayern München und deren Großmeistern, an deren Spitze der mehrfache Weltmeisterkandidat Dr. Robert Hübner. Die erste Runde des deutschen Pokals findet am 31. Oktober statt.

   Schon mehrmals hatte die Rochade die Klinge mit dem Traditionsverein aus dem Breisgau gekreuzt, jedes Mal zog man den Kürzeren, zuletzt vor einigen Monaten mit 3:5. Kein Wunder also, dass sich selbst der Gastgeber in der Außenseiterrolle sah. Vor ungewohnt vielen Zuschauern begann der Mittelbadische Pokalsieger forsch, obwohl Freiburg vor allem an den Spitzenbrettern noch stärker als im Verbandsmatch auflief. Schon bald zeichneten sich leichte Vorteile an den vordersten Brettern für Alexander Hatz und Hartmut Metz ab. Auch mit der Position von Jürgen Gersinska zeigten sich die Anhänger der Rot-Weißen sehr zufrieden. Dem stand eigentlich nur eine scheinbar ungünstige Stellung Jürgen Raub's gegenüber.

   Nach drei Stunden brachte Hatz den ersten Zähler in die Scheuer. An Brett zwei hatte der hoch eingeschätzte Michael Fehling diesmal wenig entgegenzusetzen. Mit einem feinen Schlusszug eroberte der Informatik-Student seinen vierten Punkt im vierten Pokalmatch. Metz musste dagegen der akkuraten Verteidigung Markus Löffler's Tribut zollen und gab im laufenden Wettbewerb seinen ersten halben Zähler ab. Da sich die Waage an einigen Brettern zugunsten Kuppenheims senkte, entschloss sich Metz gerne zu dem Remis. Ähnlich ging es auch Jochen Klumpp. Der Mittelbadische Einzelpokalsieger gab sein Duell zum 2:1 Remis.

   Immer mehr machte sich Euphorie unter den Rochade-Anhängern breit: Gersinska setzte Dr. Mirko Popovic zunehmend unter Druck, den gestellten Problemen zeigte sich der Gegner in Zeitnot nicht mehr gewachsen. 3:1. Nun war klar, dass den Einheimischen ein 4:4 zum Pokalsieg reichte. Im Falle eines Unentschiedens waren Dank der Berliner Wertung die Erfolge an den Brettern zwei und fünf nicht mehr wett zu machen.

   Da sie lediglich noch ein Unentschieden abgeben durften, setzten die Freiburger danach alles auf eine Karte und lehnten drei Remisangebote ab. Der scheinbar gefährdetste Kuppenheimer, Jürgen Raub, behielt in dieser Phase den kühlsten Kopf. Der 23-jährige hatte es gegen Georg Studier, den weithin bekannten Buchautor und Verfechter des Blackmar-Diemer-Gambits, gewagt, sich auf dessen Spezialvariante einzulassen. Das Experiment glückte, obwohl ihn selbst seine Kameraden abgeschrieben hatten. In einer haarsträubenden Partie setzte Raub dem vermeintlich starken Angriff Studiers eine noch konsequentere Verteidigung entgegen. Trotz Zeitnot setzte der Kuppenheimer irgendwann zum Konter an und strickte ein undurchdringliches Mattnetz für die feindliche Majestät.

   Durch das 4:1 stand die Pokalsensation fest, was Toni Stückl allerdings nicht davon abhielt, in einem Zeitnotduell gegen Ralph Neininger ein Matt anzubringen. Beim 5:1 hatte Reinald Kloska mehr Lust den Sieg zu feiern, als die gewonnene Position in einem zähen Endspiel umzusetzen. So wurde die aggressive Spielweise Lukas Traberts, der im Mannschaftssinne alles versuchte, noch mit einem Unentschieden belohnt. Den Schlusspunkt setzte Ralf Gantner mit einem schwer erkämpften Remis. Faisal Khairallah hatte ein etwas besseres Läuferendspiel ziemlich lange geübt. Das 6:2 bescherte den seit einem Jahr von Sieg zu Sieg eilenden Freiburgern eine herbe Niederlage. Selbst die kühnsten Kuppenheimer Optimisten hatten nie an solch einen Kantersieg geglaubt. Die Ingo- Erwartung übertraf die Rochade im Endspiel gleich um 30 Punkte!

   Die Einzelergebnisse: l. Metz - Löffler ½, 2. Hatz - Fehling 1:0, 3. Kloska - Trabert ½, 4. Stückl - Neininger 1:0, 5. Gersinska - Popovic l:0, 6. Klumpp - Fuchs ½, 7. Raub - Studier 1:0, 8. Gantner - Khairallah ½.


Stimmen zum Pokalsieg

Rochade Express, Nr. 54, Seite 4f, "Stimmen zum Pokalsieg"

   Zum größten Erfolg der Rochade Kuppenheim fing der Rochade Express Stimmen einiger Vereinsmitglieder ein.

Alexander Hatz, Spieler und 2. Vorsitzender: "Das war überraschend deutlich, aber verdient. Der Badische Pokalsieg ist wohl mein bisher größter Erfolg in meiner Karriere, den ich wahrscheinlich nicht mehr übertreffen werde."

Toni Stückl, Spieler: "Was soll ich dazu sagen? Ich habe den Sieg noch nicht richtig verarbeitet. Jedenfalls hätte ich niemals daran gedacht, dass wir den Pokal gewinnen können."

Uwe Gantner, Schatzmeister: "Ich hab' damit gerechnet, deswegen habe ich gleich das Geld von der Bank für die anschließende Feier geholt - es kam dann wie befürchtet."

Dr. Günther Walz, einziger spielender Doktor im Verein: "Grandios, doch wirklich. Es hat mich sehr gefreut für die erste Mannschaft."

Kai Götzmann, Ersatzmann: "Ich kann noch nichts dazu sagen, ich muss mir erst was Blödes überlegen."

Hartmut Metz, Spieler: "Trotz meiner vielen guten Einzelresultate ist der Pokalsieg mein bisher schönster Erfolg. Ich stelle ihn auch über meinen einstigen Triumph im Badischen Einzelcup. Siege mit der Mannschaft machen eben besonders viel Spaß. Mir hat dieser wohl einmalige Traum bewiesen, dass wir auch durchaus in der Oberliga Chancen hätten."

Jochen Klumpp, Spieler: "Zufall."

Jürgen Gersinska, Spieler: "Zum Schluss war es unheimlich leicht. Ich war glücklich - hat mir gut gefallen!"


Die Pokalsensation im Detail

Rochade Express, Nr. 54, Seite 11f, "Die Pokalsensation im Detail"

   Unsere acht erfolgreichen Spieler im Endspiel kommentierten ihre Partien für den Rochade Express. Genießen Sie noch einmal den Triumphzug der ersten Mannschaft! Hier nun in chronologischer Reihenfolge sämtliche Partien aus dem Endspiel um den Badischen Mannschaftspokal 1992 gegen Freiburg 1887. Ausnahme: Die beim Stand von 5:1 beendete Partie zwischen Reinald Kloska und Lukas Trabert war uns wegen der originellen Kommentierung ein Extra-Artikelchen wert und befindet sich ganz am Ende.











Hatz - Fehling
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 2

1.Sf3 g6 2.g3 Lg7 3.Lg2 e5 4.e4 Eine meinerseits recht überraschende Eröffnungswahl. 4...d6 5.d4 Sd7 6.0-0 Sgf6 7.dxe5 dxe5 8.De2 0-0 9.Td1 De7 10.b3 Ein interessanter und wohl mit spielentscheidender Plan. Der Läufer will über a3 in die gegnerische Stellung leuchten. 10...b6 11.La3 Sc5 Besser war wohl c5, auch wenn ich dann mit c4, Sc3 und Sd5 einen Vorposten etablieren kann. 12.De3 Lb7 13.Lxc5 bxc5 14.Sc3 c4 Spielt mir in die Hände, denn die Öffnung der a-Linie verschafft mir nur weitere Vorteile. 15.Sd2 cxb3 16.axb3 Ich stehe schon klar besser. Im Endspiel hätte ich wohl kaum Probleme, meinen Stellungsvorteil zu verwerten. Doch so weit will Schwarz es nicht kommen lassen und unternimmt etwas am Königsflügel. 16...Sg4 17.De2 f5 18.Dc4+ Tf7 Der entscheidende Fehler. Nach Kh8 hätte Schwarz mit seiner Initiative am Königsflügel wohl noch das Gleichgewicht halten können. Doch so gewinne ich schon einen Bauern. 19.h3 Sf6 20.exf5 Lxg2 21.fxg6 hxg6 22.Kxg2 e4 Will meinen Springern das Feld e4 nicht kampflos überlassen. Offnet außerdem die lange Diagonale. 23.Ta6 Geht dem Lg7 aus der Schusslinie und droht zudem Te6. Schwarz ist schon auf verlorenem Posten. 23...Te8 24.Te1 Lh6 25.Sdxe4 Gegen die Drohung Sf6 ist kein Kraut mehr gewachsen. 25...Sd7 Hilft auch nicht. 26.Sf6+
1-0













Löffler - Metz
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 1

1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6+ gxf6 6.Se2 h5 7.Dd3 [ In einer meiner Weltpokal-Halbfinalpartien geschah 7.h4 Lg4 8.Dd3 e5 ] 7...e5 Vielleicht etwas zu aggressiv. Ich ließ mich jedoch durch o. g. Fernschachpartie dazu hinreißen. 8.Le3 Sa6 9.a3! Der beste Zug, der stärker als c3 ist. So bleibt die Dame auf d3 gedeckt, außerdem kann sie gegebenfalls nach c3 oder b3 ausweichen. Kleiner Vorteil für mich: Nach diesem Zug hatte mein Kontrahent bereits über eine Stunde seiner Bedenkzeit verbraucht. 9...Le6 10.Td1 Dc7 11.Dc3 0-0-0 Schwarz steht minimal besser. Der Anziehende muss jetzt schon genau spielen. 12.Sc1 Tg8! Das sieht sehr dubios aus, zumal es meinem Gegner gestattet, mir einen isolierten Doppelbauern zu verpassen. Erstens hatte ich keine andere Wahl zum anderen plante ich dieses Abspiel! Die Bauernstruktur ist natürlich für alle Zeiten dahin, dafür steht der König seltsamerweise bombensicher. [ Auf 12...Sb8 gewänne 13.dxe5 Txd1+ 14.Kxd1 fxe5 15.Lxa7 einen Bauern.] 13.Lxa6 bxa6 14.g3 Ld5 15.Tg1 h4 16.Se2 hxg3 17.hxg3 Tg4! Nach langem Nachdenken gespielt. Weiß verfügt über keinen vernünftigen Plan, aber Schwarz muss auch erst einmal nachweisen, dass ihm etwas einfällt. Mit Tg4 erhöhe ich den Druck auf d4, und der Turm strebt eventuell nach c4. 18.Dd3 Kb7 19.Td2 Le7 20.Kd1 Le6 21.Dc3 c5 Die letzte Chance, Aktivität zu entwickeln. 22.dxc5 Txd2+ 23.Kxd2 Tc4 24.Dd3 24.Db3+ bringt nichts, weil danach ja die Drohung Td4+ akut würde. 24...Lxc5 25.Kc1 Le7 26.Th1 Dc6 27.Th8 Ld5 28.Sc3 Le6 29.Se2 Ld5 30.Sc3 Le6 Löffler besaß nur noch wenige Minuten auf der Uhr, weshalb er sich auf Kinkerlitzchen wie Le4 nicht mehr einlassen wollte. Nach Le6 muss der Springer irgendwann wieder zurück, weil sonst Lxa3 droht. Ich gab mich mit dem Unentschieden gerne zufrieden: Nachdem Alex gewonnen hatte, war ich mir auch sicher, dass Jürgen Gersinska gewinnt. Also, weswegen noch etwas wagen, wenn es allgemein gut steht und ein 4:4 ohnehin reicht?
1/2-1/2













Klumpp - Fuchs
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 6

1.c4 Sf6 2.Sc3 c5 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.e3 0-0 6.Sge2 Sc6 7.0-0 d6 8.b3 e5 9.Lb2 Lf5 10.d3 [ 10.d4 wäre ebenfalls möglich und vermutlich sogar stärker. Das Beste für Schwarz wäre dann wohl 10...exd4 11.exd4 cxd4 12.Sxd4 Sxd4 13.Dxd4 Se4 14.De3 Te8 15.Sxe4 Lxb2 16.Tab1 Lg7 17.Tfd1 und Schwarz bleibt der schwache Bauer d6.] 10...Te8 11.e4 Verhindert e4, was Schwarz gutes Spiel am Königsflügel bietet. Besser wäre jedoch Se4 gewesen. Der Se4 ist wegen des rückständigen Bd6 kaum zu schlagen. Der schwache Se2 kann nun via c3, d5 eingreifen. Weiß steht besser. 11...Ld7 12.Lc1 Ein Zugeständnis, aber notwendig, da Schwarz sonst zu Lh6 kommt und seinen schwachen schwarzfeldrigen Läufer abtauschen kann, wenn später Lcl kommt. 12...Sd4 13.Sxd4 exd4 14.Se2 Dc8 15.Lf4 Dc7 16.Ld2 Schlecht, da Sg4 zugelassen wird. [ Besser wäre 16.h3 Sh5 17.g4 Sxf4 18.Sxf4 mit anschließendem Sd5 und f4 mit Angriff.] 16...Sg4 17.h3 Se5 18.Dc2 f5 19.Sf4 Dc8 20.h4 Lc6 21.Sd5 Lxd5 22.exd5 Dd7
1/2-1/2













Popovic - Gersinska
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 5

1.Sf3 g6 2.c4 Lg7 3.d4 Sf6 4.Sc3 0-0 5.g3 [ Mit 5.e4 d6 6.Le2 Lg4 , meiner Antwort auf das klassische Königsindisch, hatten mir die Freiburger in den beiden letzten Begegnungen erhebliche Probleme bereitet und 1,5 Punkte geholt. Ich war darauf vorbereitet und hatte eine Neuerung parat. Schade, dass sie nicht zum Zuge kam.] 5...d6 6.Lg2 Sc6 7.d5 Sa5 8.Sd2 c5 9.0-0 a6 10.e4 Korrekt war Dc2, um den Aufbau b3 und Lb2 zu ermöglichen. Dazu kommt Weiß jetzt nicht mehr. 10...Tb8 11.a4 Die logische Folge des Fehlers im 10. Zug. Weiß kann nicht b3 ziehen, er müsste sonst b5 zulassen. 11...Ld7 12.Te1 e5 13.Dc2 Sh5 14.Lf3 Sf6 Meiner Meinung noch steht Schwarz bereits besser. Da die weißen Figuren Lcl, Dc2, Sc3 und Tal nicht im Spiel sind, bestand mein Plan zunächst darin, eine Schwächung des weißen Königsflügels zu erreichen und dort anzugreifen. 15.Le2 Lg4 16.f3 Lh3 17.Sf1 Sh5 18.Tb1 f5 19.Le3 f4 20.Lf2 fxg3 21.hxg3 Df6 Auch Dg5 war möglich und auf Kh2 oder Le3 jeweils Sf4 spielbar. Mit Df6 plante ich jedoch Lg4, da fxg4 an Dxf2+ scheitert. 22.Sd1 Das hatte ich offengestanden übersehen. 22...Dg5 23.Sde3 Sf4 24.Sh2 Sxe2+ 25.Txe2 Auf Dxe2 greift der Springer über b3, d4 in den Kampf am Königsflügel ein. Jetzt wird das Geschehen auf den Damenflügel verlagert. 25...b5 26.axb5 axb5 27.cxb5 Txb5 28.Da4 Tfb8 29.Shg4 Mein Gegner befand sich bereits in Zeitnot. 29...h5 30.Sh2 Sb3 31.Da6 Sd4 32.Td2 T5b6 33.Dc4 Df6 Die Beute wird eingefahren. 34.b4 Sxf3+ 35.Sxf3 Dxf3 36.De2 Dxe4 37.Kh2 Dxb1
0-1













Studier - Raub
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 7

1.d4 Sf6 2.Sc3 d5 Aha! Damenbauernspiel - Gott sei Dank habe ich mir nicht noch irgendwelche indischen Theorievarianten reingezogen. Wäre alles für die Katz' gewesen. Oder gibt es jetzt noch andere Fortsetzungen? 3.e4 Moment mal! Das ist ja jetzt ein Gambit, aber wie war doch gleich der Name der Eröffnung? 3...dxe4 4.f3 Blackmor-DiemerGambit, richtig! Da soll es sogar Bücher darüber geben, die ich aber noch nie von innen gesehen habe. 4...exf3 5.Sxf3 Lg4 6.h3 Bis dato wähnte ich mich sogar noch auf Theoriepfaden. Apropos Theorie: Wer sich für solche interessiert kann ja mal in "bewährten" Büchern von Herrn Studier aus Freiburg nachschlagen. Ich verlasse mich voll auf meinen schachlichen Instinkt. 6...Lh5? 7.g4 Lg6 8.Se5 Auweia! Das mit dem schachlichen Instinkt vergessen wir mal wieder. Von Tuten und Blasen keine Ahnung, das kann ja heiter werden. 8...Sbd7 9.Df3 c6 10.Sxg6 hxg6 11.Ld3 Schon wieder ich am Zug. Groß rochieren wäre ja eine Idee. 11...Db6 [ Das naheliegende e6 vergessen wir mal lieber, weil 11...e6 12.Tf1 De7 13.g5 folgen könnte, und ich dann unbeweglich und zusammengeschnürt wie ein Todeskandidat auf dem elektrischen Stuhl darauf warten könnte, dass mein Gegner den Schalter umlegt.] 12.g5 Sh5 13.Le3 Dxb2 Wenn schon sterben, dann mit vollem Bauch. Zumal mir Heribert Urbans Kennerblick nach diesem Zug eine vorteilhafte Stellung bescheinigte. Da unser Präsident ja schließlich immer recht hat, brauchte ich mir keine Sorgen zu machen. 14.Kd2 0-0-0 15.Tab1 Da3 16.Tb3 Da5 17.Thb1 Sb6 Das Gute an den letzten Zügen: Ich konnte nicht viel falsch machen, da alles erzwungen war. Eine kurze Stellungsbetrachtung zeigt: Weiß hat im Gegensatz zu Schwarz seine Entwicklung vollständig abgeschlossen. Auf f7 konnte man locker, falls überhaupt Bedarf sein sollte, den materiellen Nachteil ausgleichen. Eigentlich warte ich geduldig auf mein Schicksal. 18.Le4 Td7 Es drohte übrigens Lxc6 mit Mattfolge. 19.Dxf7 e5 Langsam beginne ich aufzuwachen. Darf ich auf einmal nach 19 Zügen vielleicht doch noch ein bisschen mitspielen? 20.De8+ Td8 21.De6+ Kc7 22.d5 Sg3! Irgendwie traue ich meinen Augen nicht, so langsam wittere ich Morgenluft. Dies ist ein typischer Fall von "Wie ist die Jungfrau zum Kind gekommen?" Trotz Zeitnot meinerseits gefällt es mir zu spüren, wie sich mein Gegner immer unwohler fühlt. 23.Lxb6+ axb6 24.Lg2 e4! Ach, schau an. Der Totgeglaubte lebt ja noch. Es liegt was in der Luft. Ja selbst die Kuppenheimer machen keinen großen Bogen mehr um mein Brett. 25.Df7+ Kc8 26.Lxe4? Ich muss wohl träumen. Da ich sowieso keine Zeit mehr habe, nach der Pointe dieses Zuges zu suchen... 26...Sxe4+ 27.Ke3 Sxc3 28.De6+ Kc7 29.De5+ Ld6 Ich entwickle soeben meinen Läufer f8! Spät kommt er, doch er kommt! 30.Dxg7+ Kc8 31.Txc3 Für alle, die es noch nicht gemerkt haben: Ich stehe auf Gewinn. Aber das Blättchen nähert sich gefährlich dem berühmten "Klick", das schon manchem Kuppenheimer Spieler zum Verhängnis wurde. 31...Tde8+ Von lauter guten Zügen schien mir dieser im Zusammenhang mit einer kleinen Königsjagd am konsequentesten. 32.Kf2 Thf8+ 33.Kg1 Dxd5 Mein Gegner wollte es sich nicht mehr zeigen lassen. Schade, denn Züge wie Lh2 oder Lc5 wären mir wohl trotz Zeitnot noch eingefallen. Vielleicht kann mir aber ein Rochade Express Leser verraten, warum mein Gegner nicht gewonnen hat. Vielleicht hat er ja zuviel in seinen eigenen Büchern gelesen?
0-1













Stückl - Neininger
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 4

1.c4 Sf6 2.Sc3 d5 3.cxd5 Sxd5 4.g3 c5 Eine selten gespielte Variante. 5.Lg2 Sc7 6.d3 e5 7.f4 Die Hauptvariante. Wie ich hinterher feststellte, sind an dieser Stelle die Züge 7.Db3 und Sh3 mit (!) aufgeführt. 7...exf4 8.Lxf4 Se6 Eine eigentlich schwächere Nebenvariante von Schwarz. Dies tat allerdings nichts zur Sache, da meine Theoriekenntnisse an dieser Stelle ohnehin erschöpft waren. 9.Sf3?! 30 Minuten benötigte ich für diesen in der Theorie völlig unbekannten Zug. [ Laut Theorie würde nun 9.Sh3 Le7 10.0-0 Sc6 11.Ld2 0-0 12.Sd5 a5 13.Lc3 Ld6 14.e3 Le5 15.Dh5 zu klaren Vorteilen für Weiß führen.] 9...Sc6 [ 9...Sxf4 10.Da4+ mit anschließendem Dxf4.] 10.Dd2 Le7 11.Se5 Sxe5 12.Lxe5 Lg5 13.e3 [ 13.Lf4? Lxf4 14.gxf4 Dh4+ und Bauernverlust auf f4.] 13...f6 14.Lf4 Lxf4 [ 14...Sxf4 15.exf4 mit wichtigem Tempogewinn für Weiß.] 15.gxf4 f5! Wichtig für Schwarz, da 16.f5 mit starker Einengung der schwarzen Stellung drohte. 16.0-0-0 0-0 17.h4 Tb8 18.h5 h6 19.Ld5 Dieser Zug erfüllt zwei Zwecke: Der Se6 wird gefesselt und die g-Linie wird für Türme und Dame geöffnet. 19...b5 20.Thg1 De7 21.Tg6 Tf6 Notwendig, da ansonsten die Turmverdopplung auf der g-Linie nicht mehr zu verhindern ist. 22.Tdg1 Txg6 23.Txg6 Tb6 [ 23...b4? 24.Sa4 und der Bc5 ist auf Dauer nicht mehr zu halten.] 24.Dg2 Kh8 25.Lc6 Sc7! Ein sehr starker Zug, der die bedrohten Punkte b5 und d5 überdeckt und gleichzeitig den Be3 mit der Dame bedroht. 26.e4 Ld7 27.Sd5 Sxd5 28.Lxd5 Le8 29.Txb6 axb6 30.Dh3 fxe4 31.dxe4 Da es zu diesem Zeitpunkt bereits 4:1 für uns stand, bot ich meinem Gegner Remis an. 31...Ld7 Kommentarlos weitergespielt. 32.Dg3 Vor diesem Zug hatte ich noch vier Minuten Bedenkzeit. Nach Ausführung desselben noch eine Minute. 32...Df6 Aha! Mein Plan, für den ich drei Minuten opferte, schien aufzugehen. 33.Kc2 Ein Abwartezug, der die gegnerische Dame nach d4 locken soll. 33...Dd4 34.f5 Letzter Teil meines, wie sich später herausstellt, nicht 100-prozentigen Gewinnplanes. 34...Lxf5 Angesichts seiner eigenen Zeitnot - er hatte noch knapp zwei Minuten - hat mein Gegner seine letzte Remischance nicht mehr erkannt und ist auf meine Falle hereingefallen. [ Mit 34...Kh7! 35.Dg6+ Kh8 36.Dd6 ( 36.Dg3 Kh7 37.Dg6+ Kh8 ist auch Remis.) 36...Df2+ hätte Schwarz Dauerschach erreichen können.] 35.Db8+ Wichtige Anmerkung: Ich hatte noch eine ganze Minute Bedenkzeit!
1-0













Gantner, Ralf - Khairallah
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 8

1.e4 c5 2.c3 Sf6 3.e5 Sd5 4.d4 cxd4 5.cxd4 d6 6.Sf3 Sc6 7.Lc4 Sb6 8.Lb5 dxe5 9.Sxe5 Ld7 10.Sc3 Sxe5 11.dxe5 Lxb5 12.Sxb5 Dxd1+ 13.Kxd1 Sd5 Eine theoretische Auseinandersetzung. 14.Ld2 [ Es hätte hier 14.Ke2 a6 15.Td1 0-0-0 16.Sd4 e6 17.Lg5 Td7 18.Tac1+ Kb8 19.Sb3 h6 20.Le3 Le7 mit ausgeglichener Stellung folgen sollen (Borg-Georgiew, 1984).] 14...a6 15.Sc3 0-0-0 [ 1980 spielte Tal gegen Sweschnikow 15...Td8 16.Ke2 e6 17.Thd1 Le7 18.Tac1 Sb4 ] 16.Ke2 e6 17.Thd1 Le7 18.Tac1 Kb8 19.Sxd5 Txd5 20.Lc3 Thd8 21.Txd5 [ An dieser Stelle wäre eine Vereinfachung mittels 21.Td2 Txd2+ 22.Lxd2 Td5 23.f4 Lc5 24.Le3 für Weiß erstrebenswerter gewesen. In der Partie kann Schwarz in der Folge seinen König zentralisieren und leichte positionelle Vorteile verbuchen.] 21...Txd5 22.Td1 Txd1 23.Kxd1 Kc7 24.Ke2 Kc6 25.Kd3 Kd5 26.Ld4 g5! Es droht nun Ld8, Lc7. 27.f3 Ld8 28.g3 Lc7 29.f4 g4 30.a4 La5 31.Lf2 h6 32.Ld4 Le1 33.Le3 h5 34.Ld4 h4 35.gxh4 Lxh4 36.Le3 Le1 37.Ld4 Ld2! 38.Le3! Le1 [ 38...Lxe3 39.Kxe3 Kc4 40.Kf2 Kb3 41.Kg3 Kxb2 42.Kxg4 b5 43.axb5 axb5 44.h4 Kc2 45.h5 b4+/= ] 39.Ld4 b5 Aufgrund des katastrophalen Spielstandes schlug Schwarz mehrmals ein Remisangebot aus. 40.axb5 axb5 41.b3 Ld2 42.Le3 Le1 43.Ld4 Lh4 44.Le3 f5 45.exf6 Lxf6 46.Lf2 Lb2
1/2-1/2




Reinald und der Pokalsieg

Rochade Express, Nr. 54, Seite 11f, "Reinald und der Pokalsieg"
von Reinald Kloska

   Donnerstag, 2. Juli 1992, in einem Erdgeschossschuppen in Kuppenheim. Eine verschworene Gesellschaft versammelt sich um den kantigen hölzernen Tisch. Aktion Endspiel! Ein etwas kleinerer, hagerer Typ, die anderen nennen ihn Hartmut, kristallisiert sich als Wortführer heraus. Ohne Gegenspruch verweist er auf seine Stellung innerhalb der Gruppe mit den Worten: "Ich bin eins, dann dachte ich ... ", wobei er nach links schielte, um den zu mustern, der allgemein Alex genannt wird, " ... Du machst zwei!" Gelangweilt steht auch ein überdurchschnittlich großer, noch hagererer Typ herum und hält Maulaffen feil. Ständig erweckt er durch absonderliche Zwischenrufe den Eindruck, als wolle er Hartmut ausbooten. Als jedoch Hartmut energisch wird und bemerkt "Reinald, ich dachte, Dich setzen wir an drei, denn hinten bringst Du's eh nicht!", wurde er augenblicklich still und erwiderte knapp: "Mir egal! Ob ich jemals Weiß bekomme?" Weiterhin fallen Namen und Zahlen - Toni an vier, Jürgen fünf, Jochen sechs und der andere, den sie ebenfalls Jürgen nennen, Jürgen der Blackmar-Diemer-Killer, an sieben. Für Ralf bleibt acht. Die Versammlung löst sich langsam auf, bis zum nächsten Treffen.

   Sonntag, 5. Juli 1992, am selben Ort, Kuppenheim, Deutschland. Die acht sind wieder zusammen, acht andere aus Freiburg - wie sie sagen - sind ebenfalls anwesend. Der Wortführer, Hartmut, verliest Namen, darunter Trabert und Kloska. Die beiden setzen sich wortkarg an einen Tisch, zwischen ihnen nur ein Brett mit 32 weißen und 32 schwarzen Quadraten. Auf diesen Quadraten stehen 16 weiße und 16 schwarze Figuren symmetrisch aufgebaut.











Trabert - Kloska
Badischer Mannschaftspokal 1992
Brett 3

Händeschütteln, dann folgt der Druck eines Knopfes des langen, hageren und ein unaufhörliches Ticken beginnt. Gleichzeitig begegnet der, der bei den weißen Figuren sitzt, Lukas, wie später zu erfahren ist, 1.Sc3 . Grimmig schaut der andere drein. 1...d5 Jede Bewegung der Figuren wird mit einem Drücken eines Knopfes auf einem hölzernen Kasten unterstrichen. Merkwürdige Zeichen werden auf ein Blatt Papier hingewischt. 2.e4 Zack! 2...dxe4 "Oder wie sonst?" denkt sich der an den schwarzen Figuren sitzende. 3.Sxe4 e6 Zwei Figuren stehen bereits nicht mehr auf dem Brett mit den 64 Quadraten, sie sind wahllos auf den Tisch gestellt. Die anfänglich herrschende Symmetrie ist entstellt. Die Gesichtszüge der beiden erhärten. 4.d4 Le7 5.Sf3 Sf6 6.Sg3 b6 7.c3 Lb7 Schwerfällig und unendlich langsam erscheint dem Betrachter das Treiben beider, doch da! Kaum hat der, den sie Reinald nennen, seine längliche Figur auf jenes weiße, dem einen Eck des Brettes nahe Quadrat gestellt, huscht ein fast unmerkliches Lächeln über sein Gesicht, fast so, als wäre er damit zufrieden. 8.Ld3 Sbd7 9.0-0 0-0 10.Le3 c5 Mit grimmig zufriedenem Gesicht wurde diese, die kleinste der Figuren aus Plastik, weit nach vorne geschoben. Befreiung scheint man den Gesichtszügen ablesen zu können. 11.De2 Dc7 12.Tad1 Tad8 13.Sg5 Entsetzen im Gesicht! Erinnerungen an bereits Vergessenes wird wach, als Hartmut, der Wortführer, damals, nach dem vorletzten Treffen nahe der bayrischen Grenze sagte: "Hättest Du nicht h6 gezogen, stündest Du jetzt viel besser!" Innere Zerfleischung - Schauer - Angstschweiß - ein nervöses Zipfel Mensch - dann Trotz! 13...h6 14.Sh3 Tfe8 15.Kh1 e5! Jetzt - oder es ist zu spät! 16.dxe5 Sxe5 Weitere Figuren werden von den Quadraten entfernt und wahllos über den Tisch verstreut. 17.Lb5 Sc6 18.Sf4 Txd1 19.Txd1 Td8 20.Te1 Lf8 21.Sfh5 Sxh5 22.Dxh5 De5 Entschlossene Blicke bei dem langen, hageren - aufkommende Selbstzweifel bei dem anderen? Noch mehr Figuren auf den Tisch stellen? Der hölzerne Kasten tickt - Spannung! 23.Dg4 Lc8 24.De2 Se7 25.f4 De6 Drei Stunden und zwanzig Minuten sind vergangen. Der Kasten tickt unaufhörlich. Der Hagere hat bereits zum viertenmal den Versammlungsraum verlassen. Er scheint durch Verbrennung kleiner stinkender Stäbchen schwarze Mächte für sich gewinnen zu wollen. Plötzlich, der, der Alex genannt wird, lehnt sich zurück, atmet kräftig und entspannt sich. Überall Gemurmel, es heißt "Er hat's geschafft, Alex hat's geschafft!" 26.Lc4 Dg4 27.Df2 Sf5 28.Sxf5 Dxf5 Ein Schrei! Ein Schrei aus der hinteren Ecke des Raumes. Jürgen soll zugeschlagen haben! 29.Lb3 Df6 Unbeirrt schieben die beiden an drei, wie es heißt, ihre Figuren über die Quadrate, mal auf ein schwarzes, mal auf ein weißes. Der Kasten tickt - beide wirken verkrampft und nervös - sie werden schneller in ihren Bewegungen. Kaum ein paar Sekunden sind vergangen. Figur bewegt - Knopf gedrückt! Und es tickt der Kasten! 30.Df3 Le6 31.Lxe6 Dxe6 32.b3 c4 33.f5 Dc8 34.f6 g6 Nervöses Zittern, Versammlung um den Tisch. "Packt er's?" Gemeint ist der Lange. Der andere ist auch nervös. "Remis?" quillt es dem Einen über die Lippen. Hektik, aufstehen, umschauen, panikartige Reaktionen derer, die herumstehen. Sie laufen hierhin, dahin, kommen zurück, nur um gleich wieder zu gehen. "Nein!" 35.b4 Td3 36.De4 Txc3 37.h3 Td3 Absolute Hektik, überall Stimmengewirr: "Er hat's geschafft!" "Jürgen ..., der Jürgen, den sie Blackmar-Diemer-Killer nennen, ... auch!" "Kannst Remis anbieten!" entfährt es dem, der an zwei gesetzt wurde. "Hab' ich schon!" Nur noch Sekunden bis zur Entscheidung. 38.b5 Td6 39.Dh4 Te6 40.Lf2 Txe1+ 41.Lxe1 Der Kasten klickt. Der Reinald genannte wird ruhig, er steht auf, brennt vor der Tür des Versammlungsraumes ein weiteres Stübchen ab. Drinnen plötzlich ausgelassene heitere Stimmung. Reinald kommt zurück. "Remis?" "Wie steht's?" "Fünf eins." "Okay!"
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REO - Jubiläum