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Berliner Bären aufgebunden

Jubiläum


Rochade Express, Nr. 55, Seite 23f, "Berliner Bären aufgebunden"
von Hartmut Metz

   Der Berliner Sommer ist ein sehr interessantes Open, bei dem ich immer wieder meine treffliche Menschenkenntnis unter Beweis stellen kann (lesen Sie dazu den Bericht von Wolfgang Gerstner "Abenteuer in Berlin"). Mit Wolfgang auf ein Turnier zu gehen, scheint mir auch immer ganz amüsant zu sein - sofern man sich nicht auf seine exzellenten Ortskenntnisse verlässt. Da bindet er einem manchen Bären auf ... Nun gut, es ging ja ums Schachspielen. Da bewies ich wie im Vorjahr, dass ich nichts kann. Kläglich, was ich wieder bot.

   In Runde eins traf ich gleich auf den armenischen Unsymphat aus unserer Wohnung. Ich wollte ihn natürlich gleich dafür bestrafen, dass er unser Badezimmer beim Duschen unter Wasser gesetzt hatte. Nach einem glänzenden, weil für den Armenier unerwarteten Bauernopfer (kein Wunder bei der läppischen ELO von 2435) stand ich auf Gewinn, doch letztlich meldete ich nach einem Positonspatzer doch noch "Land unter". In der zweiten Runde verdankte ich meinen Erfolg wohl nur meinem Ruf, den ich bei meinem Gegner, einem Rochade-Europa-Leser, genoss. Statt mir mindestens ein Remis abzutrotzen, erlaubte er mir, mit einer Gabel seinen Turm aufzustechen. Da ließ ich mich nicht zweimal bitten.

   Die Gurkerei setzte sich auch gegen den Berliner Klaus Lehmann (2350) fort. Eine gut angelegte Partie ließ ich in Zeitnot entgleiten. Das remisige Endspiel wollte plötzlich mein Kontrahent gewinnen. Als er es vollends übertrieb, verpasste ich ihm im Leichtfigurenendspiel noch den schlechteren Läufer gegen meinen guten Springer. Danach reklamierte er aus unerfindlichen Gründen nicht dreimal dieselbe Stellung, um wenige Züge später die Hängepartie kampflos aufzugeben! Umgekehrte Vorzeichen gegen den russischen Buchautor Evgeny Gik (2375): Ich war eigentlich schon drauf und dran aufzugeben, nachdem ich nach miserabler Eröffnungsbehandlung notgedrungen einen Bauern spucken musste. Ich schlief buchstäblich am Brett ein - bestimmt, weil mich Wolfgang wieder zu nachtschlafender Zeit aufgeschreckt hatte. Nach dem ersten Tässchen Kaffee regten sich die Lebensgeister wieder etwas in mir. Die Stellung zog nach. So beschloss ich meine Position mit einer zweiten Tasse Kaffee zu beleben. Es funktionierte! Urplötzlich fiel die bleierne Müdigkeit von meinem Kopf und meinen Figuren ab, die Klötzchen tanzten so über das Brett, dass sich selbst Gik nur wundern konnte. Am Schluss hatte ich ein Remis heraus gezaubert. Danach wollte ich meine Chancen auf eine IM-Norm wahren: Mit Weiß sollte Kai Krüger aus Kiel (2325) ein dankbares Opfer sein. Gesagt, getan. Ich überspielte den KK und brauchte nur noch den Sack zuzuschnüren. Statt aber ein Bäuerchen einzusammeln, beschloss ich, ein fünf zügiges Matt mit einleitendem Springeropfer anzubringen. Bis ich mit dem Springer auf e6 reinklatschte (ein Halbzug) ging alles glatt in meiner Kombi. Dummerweise wehrte mein Kontrahent danach auf plumpe Art und Weise mein vermeintliches Matt ab.

   Nun stellte sich Lethargie ein, die ich gegen Otto Gretzer nicht abschütteln konnte. Viel schlimmer: Eine Patzpartie sondergleichen kam aufs Brett. Die Krönung war unzweifelhaft mein Gedanke, die Partie sofort aufzugeben, wenn mein Kontrahent seinen Freibauern auf d7 vorschiebt. Wie die spätere Analyse ergab, hätte ich danach aber die feindliche Dame mit meinem Springer schlagen können, nur - ich hatte überhaupt nicht gesehen, dass die Dame en prise stand!! Runde sieben brachte endlich etwas Aufwind, weil ich schnell Remis machte. Schließlich wollte ich unbedingt zum ISTAF-Leichtathletik-Meeting, an dem über 20 Goldmedaillengewinner von Barcelona mitwirkten. Höhepunkt des Sportfests war zweifellos der Stabhochsprung, den Sergej Bubka mit sechs Metern gewann. Am Weltrekord scheiterte er leider. Insgesamt hüpften allerdings gleich fünf Springer über 5,80 m. Der beste Stabhochsprungwettbewerb aller Zeiten!

   Zurück zum Schach, bei dem ich mich endlich auch auf höheres Niveau begab. Hübner zerstörte ich trotz der schwarzen Steine nach allen Regeln der Kunst - bedauerlicherweise handelte es sich bei meinem Gegner nicht um Dr. Robert. Immerhin war das Match akzeptabel. Die beste Leistung zeigte ich dann zum Abschluss als ich den Münchner Lentrodt (2350) schlug. Das machte Spaß, zumal ich so noch insgesamt zehn ELO-Punkte in Berlin einheimste. Meine Ingo blieb ungefähr bei 66 oder 67 stehen. Was noch ungewöhnlicher war: Mit meinen 5,5:3,5 Punkten lag ich als geteilter 68. gleichauf mit und vor einigen Großmeistern! Sogar einen Buchpreis durfte ich einheimsen, obwohl ich bei der Siegerehrung schmählich übergangen worden war. Mein Protest gegen die garantiert von Wolfgang gesteuerte Intrige bescherte mir letztlich noch ein schönes Schachbuch.











Metz - Lentrodt
Berliner Sommer 1992

1.e4 Sf6 2.Sc3 Mein üblicher Versuch, die ausgetretenen Theoriepfade zu verlassen. 2...d5 3.e5 Se4 4.d4 Sxc3 5.bxc3 Lf5 6.g4!? Gekonnt vermenge ich alle mir bekannten Eröffnungssysteme. Ähnliche Ideen gibt es gegen die Caro-Kann-Verteidigung, um auf Lg6 eventuell das entwicklungshemmende Bauernopfer 7.e6 anzubringen. 6...Lg6 7.Tb1 Dc8 8.Le2 e6 9.Sh3 c5 10.Sf4 Beseitigt den lästigen Läufer, der unangenehm auf c2 drückt. 10...cxd4 11.Sxg6 hxg6 12.cxd4 Le7 13.0-0 Die weiße Majestät steht trotz des vorgerückten g-Bauern sehr sicher. Ja, der Anziehende ist in solchen Stellungen sogar bereit, mit f4 den König noch weiter zu entblößen, um f5 durchzusetzen. 13...Sd7 14.Tb3 Sb6 Die kleine Rochade wäre in dieser Position schon beinah tödlich, da ich- gleich mit f4, Th3 oder Tbf3 sowie Ld3 eine unangenehme Batterie aufbauen könnte. 15.Lb5+ Kf8 16.Le2!? Der Läufer hat seine Mission, den König auf die f-Linie zu zwingen (Sd7 hätte nur einen Tempoverlust bedeutet) erledigt und kehrt zurück. Schlechter wäre f4, weil danach Sc4 folgt und der Läufer zunächst von d3 und damit der Diagonale bl-h7 ausgeschlossen wäre. Logischer wäre es natürlich gewesen, den Läufer sofort nach d3 zu stellen. Ich hoffte jedoch noch zuerst f4 nebst Tbf3 ziehen zu können. Dieses Ansinnen zerstört Schwarz jedoch durch die beste Zugfolge. 16...Dc6! 17.f4 Tc8 18.Ld3 Da4? Etwas arg plump, plötzlich auf Bauerngewinn aus zu sein. Andererseits hat Schwarz in dieser bescheidenen Stellung nichts. 19.Le3! Th3? Ein schwacher Zug. 20.Lf2 Dxa2 Die Alternativen Da5 oder Th8 - es droht schlicht Lb5 und der Turm auf h3 ist weg - sehen auch nicht verlockend aus. Danach geht es mit Lg3 und f5 dem König an den Kragen. 21.Da1!! Die überraschende Wende: Weiß der eigentlich angreifen wollte, offeriert Damentausch. Gewiss hätte ebenso Lg3 nebst f5 aussichtsreiches Spiel gewährt, doch mir gefiel die paradoxe Idee sehr gut. 21...Dxa1 22.Txa1 Ld8 23.Txa7 Ich besitze nun starkes Druckspiel am Damenflügel. Schwarz kann dem wenig entgegensetzen, zumal der Turm auf h3 nicht mitspielt. 23...Tb8 24.Kg2 Th8 25.Le1 Kg8 26.Lb4 26.La5 scheitert leider an Sc8. 26...Sc4?! [ In Betracht kommt 26...Sc8 27.Ld6! Sxa7 ( oder 27...Sxd6 mit Übergang in die Partie.) 28.Lxb8 Sc6 29.Txb7 Sxb8 30.Txb8 Kh7 und Schwarz besitzt gute Remisaussichten.] 27.Ld6! Ein hübscher Zug, der mir aus drei Gründen gefällt: 1. Er gibt freiwillig das Läuferpaar auf. 2. Zerstört er freiwillig die schöne Bauernstruktur und 3. Die vermeintlich remisträchtigen ungleichfarbigen Läufer kommen aufs Brett. 27...Sxd6 28.exd6 b6? Die letzte minimale Rettungschance bestand in der Preisgabe des Bauern b7. 29.g5!! Die Idee, die hinter dem Manöver steckte: Der Läufer ist paralysiert, kommt nie mehr ins Spiel. 29...f6 Der Nachziehende könnte genauso gut aufgeben. Nach 29...Kh7 La6 ist er vollends bewegungsunfähig. 30.Lxg6 fxg5 31.Lf7+ Kf8 [ 31...Kh7 32.Th3# ] 32.Lxe6 Lf6 33.Txb6! Erkundigt sich nach der Grundreihe. 33...Td8 34.Tf7+ Ke8 35.d7+
1-0




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