Licht und Schatten |
Rochade Express, Nr. 58, Seite 18ff, "Licht und Schatten"
von Hartmut Metz
Dieses Jahr spiele ich zahlreiche Turniere, wobei ich die Rochade Express Leser auch mit Berichten zu belästigen beabsichtige. Diesmal sind Sie noch im Glück: Die Rochade Express Redaktion soll sich wegen der fehlenden Kopierkapazitäten in den Sommerferien auf 32 Seiten beschränken, weshalb ich mich kurz fasse. Daher nur ein Text über meine Teilnahmen in Bern und Dortmund.
In Bern lief es nicht sonderlich für mich. Die 5,5/9 waren Produkt meiner Kampfeskraft und sonst nichts. Allerdings mischte sich hierbei auch noch Krampfeskraft, die ich gleich in der ersten Runde zum Ausdruck brachte. Statt einen Bauern gegen einen rund 500 DWZ schlechteren Kontrahenten einzusacken, patzte ich Haus und Hof ein. Vor lauter Respekt offerierte mir mein Gegner jedoch ein Remis, das ich in Verluststellung gerne annahm. Von der Turniertaktik her war das gar nicht so schlecht, denn anschließend erhielt ich einen schwächeren Italiener zugelost. Mit diesem und mit Velimir Remeta in Runde drei (siehe Partienanhang) machte ich kurzen Prozess. Den ersten Dämpfer verpasste mir IM Frans Cuijpers (Niederlande), was mein nächster Mitspieler zu spüren bekam. In dieser Runde fünf verbesserte ich mich Dank Alexander Hatz' Skandinavisch auf 3,5 Zähler. Der Schweizer Silvio Donghi übte diese Eröffnung gegen mich, wobei ich auf Alexanders Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte. Nach dem riesigen Bauernopfer 8..b4 stand mein Kontrahent bald breit, da er diese Variante nicht kannte. Ich hatte sie hingegen noch wenige Tage zuvor am Clubabend mit Alex analysiert. Glückliche Fügung!
Zufrieden durfte ich mit dem Remis gegen IM Bernd Kohlweyer sein. Der St. Ingberter kam trotz der weißen Steine gegen mein Slawisch auf keinen grünen Zweig. Obwohl ich nur wenig Theorie in dieser Verteidigung beherrsche, erweist sich die Umstellung von Grünfeld-Indisch auf Slawisch zunehmend als günstig für meine Ergebnisse. Ich verstehe die Ideen dieser Eröffnung wesentlich besser und bin nur schwer damit zu schlagen. Schlagen hätte ich mich nach der Partie gegen den holländischen IM Blees gekonnt! Ich schlug in totaler Gewinnstellung unbedacht die falsche von zwei Figuren, so dass mich der IM schlagen konnte. Die Partie ärgerte mich total. Das hätte allerdings kein Grund für meine desolate Partie gegen den Hamburger Nicolosi sein dürfen. In völliger Positionsruine - mir gingen schon langsam die Züge aus - opferte mein Kontrahent an der falschen Stelle, so dass ich doch noch gewann. In der letzten Runde wurde ich Opfer einer Schiedsrichter- Fehlentscheidung. Im 40. Zug zog mein Gegner in hochgradiger Zeitnot seinen Bauern auf meine erste Reihe, brüllte "Dame" und hieb auf die Uhr. Danach machte er keinerlei Anstalten, den Bauern irgendwie zu ersetzen. Nun gut, dachte ich mir, das darf wohl nicht sein, klopfte selbst auf die Uhr und forderte meinen Kontrahenten, FM Rhodin, im selben Atemzug auf, den Bauern gefälligst zu ersetzen. Die Zeit fiel sofort. Anschließend behaupteten Rhodin und einige Zuschauer, es sei alles korrekt verlaufen. Ich rief einen Schiedsrichter herbei, der sich in seiner jugendlichen Unerfahrenheit beschwatzen ließ und auf Weiterspielen entschied. Eine glatte Fehlentscheidung, wie mir später mehrere ausgebildete Schiris bestätigten: Rhodin hätte, nachdem er den Bauern einzog, die Uhr anhalten dürfen, um sich eine zweite Dame zu beschaffen. Dies hätte mit Sicherheit zur Zeitüberschreitung geführt, da das Blättchen dermaßen hing, dass es nie und nimmer geduldig das Anhalten und spätere Starten oben ertragen hätte! So musste ich - statt auf Zeit zu gewinnen - ein Dauerschach geben.
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Metz - Remeta
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In Dortmund deutete sich erstmals an, dass meine Formkurve steigt. Ich begann mit sehr guten Resultaten und lag ziemlich lange im Dunstkreis meiner ersten IM-Norm. Leider verpatzte ich diese in den Runden sieben und neun. Doch der Reihe nach: Nach einer hübschen Partie gegen Basili Gikas (Bonn-Beuel, 2150 DWZ) trotzte ich mit Schwarz IM Klaus Busch locker ein Remis ab. Nach 20 Zügen reichten wir uns in der Slawischen Verteidigung die Hände zur Punkteteilung. Noch schneller flogen die Flossen gegen IM Podgoets übers Brett. Nach 14 Zügen akzeptierte ich die Offerte aus drei Gründen: 1. Ich stand nur minimal besser, ohne konkreten Vorteil für mich entdecken zu können. 2. Mein ukrainischer Kontrahent wies eine ELO von 2450 auf und 3. ist er der Trainer von Anatoli Karpow. Gründe genug also für das Remis. Den nächsten Punkt heimste ich gegen Gerhard Schebler (2365) ein. Zwar mit freundlicher Hilfe meines Gegenüber, aber nicht ganz ohne Reiz.
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Metz - Schebler
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Eine für den Turniersieg entscheidende Partie spielte ich gegen den späteren Co-Sieger Onischuk (2420). Der Ukrainer war ein zäher Brocken, der unbedingt gewinnen wollte. Zunächst folgten wir bis zum 14. Zug meiner Slawisch-Partie gegen IM Busch. Danach wich Onischuk ab, ohne jedoch mehr als Ausgleich zu erreichen. In seiner Zeitnot kam ich mit einem zwischenzeitlichen Bauernopfer in Vorteil. Da ich jedoch leider noch immer zu sehr auf ein Remis fixiert war, ließ ich eine sich plötzlich bietende Chance ungenutzt. Mit dem Erfolg, dass wir nach über sieben Stunden den Punkt teilten. Ich lag mit einer Performance von weit über 2500 voll auf IM-Norm-Kurs.
Daran änderte auch die Niederlage gegen den ehemaligen Jugendweltmeister Gabriel Schwartzmann nichts. Der rumänische IM profitierte an diesem Doppelspieltag von meiner siebenstündigen Marathonschlacht gegen Onischuk. Ziemlich kampflos ergab ich mich in mein Schicksal. Dafür wollte ich die erlittene Unbill dem Russen Boguslawsky (2360) heimzahlen, obwohl der natürlich dafür nichts konnte. Gesagt, getan, bald stand ich total auf Gewinn - nur um nach einem Patzer in die etwas schlechtere Position zu geraten. Die ruinierte ich dann selbstverständlich. Sehr einseitig verlief mein Match gegen Deto Bischof. Der hatte zwar eine ELO von 2350, aber ansonsten wenig Ahnung von diesem Spiel. Zumindest in unserer Partie wusste er es gut zu verbergen. Nach einem positionellen Schnitzer im 12. Zug war es im Franzosen um ihn geschehen. Die Zeitnot und mein Angriff erledigten den Rest. Hätten wir in dieser Ausgabe etwas mehr Platz gehabt (32 Seiten!), hätte ich noch diese Partie oder jene gegen Onischuk aufgeführt, so aber muss sich der Leser mit meinen Erzählungen zufrieden geben. Die Russen waren sein Schicksal: In Runde neun, mittlerweile stand ich bei 4,5/8, drückte mich Tschernoswitow (2390) erstmals auf die 50 Prozent-Marke. Nach verpatzter Eröffnung hatte ich eigentlich jede Menge Spaß in dieser Partie. Als mein Gegner in Zeitnot geriet, wirbelte ich ganz ordentlich. Dummerweise fehlte mir jedoch nach akkurater feindlicher Verteidigung ein Tempo zum Gewinn. Die IM-Norm hakte ich damit ab.
Trotzdem ging es noch um ein paar DWZ-Punkte, die ich gegen den Dortmunder Heisel nach einer gelungenen Partie einfuhr. In der elften und letzten Runde verpasste ich gegen den Delmenhorster Bundesligaspieler Martin Breutigam einen weiteren Sieg. Nach hartem Kampf nahm er mir einen halben Zähler ab.
Die einen freute es, mich weniger: Mit sechs Punkten gewann ich als Zweiter nur 400 statt der anvisierten 600 Mark für den besten Spieler unter 2300 ELO. Tatsächlich hatte sich doch noch ein anderer an mir vorbei geschlichen, der es auf 6,5 Punkte brachte. Das sehr gut besetzte Open - daneben fand ein exzellentes GM-Turnier mit Anatoli Karpow an der Spitze statt - gewann Ralf Lau. Womit wir bei jenen wären, die sich nach meinem verpassten Sieg in der Schlussrunde jubilierten. Im Presseraum erkundigten sich Großmeister Lau und seine Kollegen nach meinem Resultat: "Nur Remis", trauerte ich, während ohrenbetäubender Jubel ausbrach. War ich nun so unbeliebt bei den Großmeistern geworden, oder was? Lau ließ bei kreisenden Bierflaschen die Antwort sofort folgen. "Durch Dein Remis bin ich einen halben Buchholzpunkt vor Onischuk!" So erhielt der Deutsche 3000 Mark Siegprämie und mein einstiger Gegner nur 2000. Bei Buchholzgleichheit, beide wiesen 8,5 Punkte auf, hätte jeder 2500 Mark erhalten. Über 500 Mark zusätzlich darf man sich freuen. Weniger ergötzte Ralf Lau mein Artikel in der Rochade Europa. Dort schrieb ich in Anlehnung an sein einzügiges Matt, das er in einer Partie zuließ, "Größter Patzer gewinnt Open". "Mit Dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen", meinte er lachend ein paar Wochen später, als ich ihn in München sah.