Hartmut Badischer Vizemeister |
Rochade Express, Nr. 59, Seite 4ff, "Hartmut Badischer Vizemeister"
von Hartmut Metz
Beim Badischen Schachkongress in Zell am Harmersbach zeigte ich erstmals - nach ca. zehn Kongressteilnahmen - eine gute Leistung. Ganz zufrieden bin ich natürlich nie, sollte man auch nicht sein, wenn man den höchsten badischen Titel nur knapp verpasst hat. Immerhin blieb ich mit sechs Punkten aus neun Partien als einziger im zehnköpfigen Meisterfeld ungeschlagen, durfte für den zweiten Rang einen halben Tausender einstreichen, gewann 25 ELO für die Weltrangliste hinzu und bezwang als einziger den Sieger Sebastian Schmidt-Schäffer.
Nicht nur deswegen fühlte ich mich bei der Badischen als moralischer Sieger. In der letzten Runde hätte ich noch zum Sieger Schmidt-Schäffer aufschließen können. Hierfür hätte er dem Zähringer Christian Maier unterliegen und ich gleichzeitig Jörg Schwalfenberg bezwingen müssen. Alles lag also noch im Bereich des Möglichen. Resignation machte sich bei mir allerdings schon nach wenigen Minuten breit. Weder Maier noch Schmidt-Schäffer tauchten auf, alles deutete auf ein geschobenes Remis hin, was angesichts der Situation noch verständlich gewesen wäre. Schmidt-Schäffer sicherte sich den Titel, während Maier Dank des Unentschiedens gute Chancen auf den Klassenerhalt - fünf von zehn Spielern stiegen immerhin ab - besaß. Nun gut, die Zähringer Mannschaftskameraden Maiers bestätigten mir: "Die Partie endet Remis." Deshalb offerierte ich reichlich demotiviert Schwalfenberg, der bereits abgestiegen war, eine Punkteteilung. Jörg wartete jedoch - was ich ihm hoch anrechne - auf seine Zeit ab, bis Maier und Schmidt-Schäffer mit halbstündiger Verspätung eintrafen. Nach etwa zehn Zügen und einer Minute Spielzeit endete die "spannende" Partie der beiden remis. Es sollte also nicht sein. Auch wenn es in der Stunde der Niederlage schwer fiel, gratulierte ich dem neuen Badischen Meister. Ich ging an mein Brett zurück, an dem Schwalfenberg jetzt mein Remisangebot akzeptierte.
Zurück zu erfreulicheren Dingen. Die Zähringer-Meute, die gleich fünf Teilnehmer stellte, mutmaßte wohl, dass die anderen nichts zu bestellen hätten. Deshalb auch wohl die unzähligen Unentschieden untereinander. Mich zählten sie gewiss zu den "sicheren Absteigern". Von der ausgehangenen alten DWZ (2278) her vielleicht sogar berechtigt. Indes hatte ich inzwischen kräftig zugelegt und war eher einer der DWZ-Besten. Das wussten die anderen jedoch nicht, und ich behielt es für mich. Sollten die ruhig glauben, ich sei ein leichtes Opfer. Psychisch durch meine Tage zuvor in Liechtenstein errungene IM-Norm gestärkt, gedachte ich ziemlich weit vorne zu landen. An den Titel glaubte ich zwar nicht, doch ein Platz unter den ersten fünf schien mir allemal machbar.
Die erste Partie bescherte mir Hajo Vatter. Die Eröffnung durchschaute ich mit den weißen Steinen überhaupt nicht und geriet etwas in Nachteil. Die Partie blieb aber innerhalb der Remisbreite. Im Endspiel spielte ich zunächst wesentlich genauer als Vatter, so dass ich deutlich besser stand. Leider ließ ich einen Bauerngewinn aus, weil ich zu sehr auf meinen Freibauern setzte. Als es nicht mehr weiterging, agierte ich in der fünften Stunde zu sorglos. Plötzlich befand sich Vatter wieder am Ruder, und ich musste schauen, dass ich das entstandene ungleichfarbige Läuferendspiel in der Balance hielt. Das gelang. Ziemlich fehlerlos spielte ich gegen den deutschen Fernschachmeister Thomas Raupp. Obwohl der Mitfavorit auf den Titel die weißen Steine führte, glich ich mühelos aus. Erneut also eine Punkteteilung. Gegen Helmut Scherer wollte ich nun meinen ersten vollen Punkt einfahren. Ich bereitete mich sogar ein bisschen auf ihn vor, da ich wusste, dass er auf e4 e5 entgegnet und somit die Partie ins Königsgambit mündet. Doch wie in allen anderen Partien auch blieb die Vorbereitung vergebene Liebesmüh: Am Brett spielten meine Konkurrenten alles andere, nur nicht das, was ich anhand der von Wolfgang Gerstner zur Verfügung gestellten 500 Partien erwartet hatte. Im Fall Scherer tat dies nichts zur Sache. Ich gewann auch so und leitete damit dessen Abgesang ein. Scherer brachte kaum noch ein Bein auf den Boden und stieg ab. Mich ärgerte nur der verpasste Schönheitspreis. Nach gekonnter Partieanlage ließ ich in Zeitnot ein zweizügiges Matt aus und gewann statt dessen lieber eine Figur. Schade.
Mangels Theoriekenntnissen spielte ich in der Slawischen Verteidigung gegen Hubert Schuh schon im siebten Zug eine Neuerung. "Eine starke Neuerung", wie Bundesligacrack Christof Herbrechtsmeier in heimischer Analyse feststellte. Schuh entgegnete nach über halbstündigem Überlegen fehlerhaft und büßte einen Bauern ein. Nach zäher Verteidigung rettete er im Endspiel einen halben Punkt. Diesen verschenkten halben Gaul erhielt ich von Herbrechtsmeier zurück. Auf mein Königsgambit hatte er sich - im Gegensatz zu mir, der sich wieder nur die falsche Variante anschaute - sehr gut vorbereitet. Nach sieben Zügen war es um mein Theoriewissen geschehen. In einem meiner Bücher stellte ich zu Hause fest, dass ich bis zum 12. Zug einer Partie der beiden Großmeister Gallagher und Hübner gefolgt war. "Ja, ich weiß", konterte "Herbie" am nächsten Tag trocken, als ich ihm dies berichtete. Just auf diese Partie hatte er sich mit dem mir unbekannten Zug 7..Le6 gestützt. Obwohl ich zunächst ganz passabel fortsetzte, stand ich letztlich ziemlich übel und geriet in Zeitnot. Zu allem Überfluss parkte ich mit einem blöden Zwischenzug - für einen Moment spielte ich auf Gewinn - eine Figur ein. Mein Gegner beschwerte sich danach bei anderen über meine "Frechheit", in dieser Stellung weiter zu spielen. Das Ende des Liedes? Dank eines starken Freibauers offerierte mir Herbrechtsmeier im Endspiel Turm, Springer und zwei Bauern gegen Turm und drei Bauern eine Punkteteilung. Ich dachte längere Zeit darüber nach, ehe ich annahm. Das war auch richtig, wie die Analyse sofort ergab. Mit 3/5 hatte ich somit einen soliden Grundstein für eine gute Platzierung gelegt. Im Kampf um Platz eins sah es hingegen weniger erfreulich aus, da Schmidt-Schäffer mit einigem Glück schon bei 4,5 Punkten angelangt war. Gegen den Karlsruher Christoph Pfrommer versäumte ich es, den Rückstand auf den Führenden zu halten. Nach einer Ungenauigkeit meines Gegners übernahm ich mit Schwarz die Regie und überspielte ihn glatt - nur um in seiner Zeitnot die Partie zum Remis zu verpatzen. Ein verschenkter halber Punkt, der noch wehtun sollte.
ELO-Favorit Maier hatte bis dato nicht viel gezeigt. Kurze Unentschieden gegen seine Mannschaftskameraden, ein Sieg und eine seltsame Niederlage gegen Schwalfenberg. Auf eine Vorbereitung gegen Maiers übliches Französisch verzichtete ich: Ich hatte nämlich erwartet, dass er aus Furcht vor meiner Winawer-Variante etwas anderes spielen würde. So kam es auch. Sizilianisch, das er nicht verstand und seine Figuren etwas seltsam aufbaute. Trotz alledem wollte sich jedoch kein klarer Vorteil für mich einstellen. In unklarer Stellung bot ich deshalb ein Remis an, was Maier ablehnte - und im selben Zug einen unmerklichen Fehler beging. Ein erstaunliches Phänomen, das ich schon des öfteren beobachtet hatte. Man bietet Remis, der Gegner lehnt es ab und spielt gleich im nächsten Zug Müll. Gelobt sei das taktische Remisangebot! Maiers Zeit rann anschließend dahin und sorgte dafür, dass er immer mehr die Übersicht verlor. Am Schluss machte es mir richtigen Spaß, ihm in seiner hochgradigen Zeitnot zwei Figuren für nichts heraus zu schrauben. Die einzig bedauerliche Begebenheit in dieser Runde: Schmidt-Schäffer erhöhte seinen Score auf sensationelle 6,5/7. Zwei Punkte Rückstand bei noch zwei ausstehenden Partien schien uneinholbar.
Immerhin oblag es mir selbst, seine Siegesserie - eine Mischung bestehend aus Können aber auch einer ordentlichen Portion Glück - zu stoppen. Jedenfalls konnte ich ziemlich befreit in diese Begegnung gehen. Bei 4,5/7 musste sich das Abstiegsgespenst bei anderen Opfern umtun, gleichzeitig glaubte ich nicht mehr an eine reelle Titelchance. Gute Voraussetzungen also, zumal mir Kurt Busch noch am Trainingsabend zuvor einige Tipps mit auf den Weg gab, wie ich am besten gegen die Philidor-Verteidigung spiele. Obwohl ich im 13. Zug nach einem groben Patzer des Nachziehenden eine einfache Gewinnkombination ausließ, kämpfte ich unverdrossen weiter. Zufrieden kann ich heute konstatieren, dass ich Schmidt- Schäffer souverän überspielte. In seiner Zeitnot opferte ich einen Bauern, erhielt hierfür jedoch eine vernichtende Angriffsstellung, die unhaltbar wurde.
Wie bereits erwähnt, spielte ich gegen Schwalfenberg nur kurz und brachte meine Serie als einziger ungeschlagener nach Hause. Vom kämpferischen Gesichtspunkt gingen die Platzierungen Schmidt-Schäffers und meine in Ordnung, da wir uns wesentlich mehr bemühten als die auf den Rängen drei bis sieben folgenden Zähringer. Diese brachten sich durch die geschobenen Punkteteilungen automatisch selbst um eine mögliche Meisterschaft. Während ich Schwalfenberg und Scherer nur Außenseiterchancen auf einen der vorderen Plätze eingeräumt hatte, überraschte der Abstieg Pfrommers. Als einziger hielt er sich über mehrere Jahre hinweg in der Badischen Meisterschaft. Eine besondere Leistung, da es stets fünf oder sechs Absteiger gibt. Erwähnt sei noch meine Farbbilanz: Mit Schwarz viermal solide Remis, während ich von den fünf Weiß-Partien drei gewann und zwei friedlich endeten.
Die Endtabelle nach neun Runden:
1 | Schmidt-Schäffer | Waldshut-Tiengen | 7 |
2 | Metz | Kuppenheim | 6 |
3 | Raupp | Zähringen | 5 |
4 | Maier | Zähringen | 4,5 |
5 | Schuh | Zähringen | 4,5 |
6 | Herbrechtsmeier | Zähringen | 4,5 |
7 | Vatter | Zähringen | 4 |
8 | Schwalfenberg | Heidelberg 1879 | 3,5 |
9 | Pfrommer | Karlsruher SF | 3,5 |
10 | Scherer | Freiburg 1887 | 2,5 |
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Metz - Scherer
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Metz - Schmidt-Schäffer
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