Rochade Express, Nr. 62, Seite 18ff, "Pokal bleibt erneut im Verein"
von Wolfgang Gerstner
Nach langen, zähen Kämpfen und fünf mitunter schweren Runden hatten sich mit Uli Metz aus Sasbach (im Halbfinale gegen Andreas Manz) und meine Wenigkeit (gegen Kai Mailitis) zwei der stärksten Teilnehmer des gesamten Feldes für den Finalfight qualifiziert. Und da wir beide in jeder Partie klarer DWZ-Favorit gewesen waren, konnte von einer Überraschung keine Rede sein - diese waren renommierten Spieler wie Bernd Sauer oder dem mittelbadischen Talent Christian Schenk gelungen.
Freundlicherweise erklärte sich Uli bereit, zur Partie nach Rastatt zu kommen und sie während des Rastatter Spielabends auszutragen - vor allem nach den Erfahrungen in Sasbach, als die Halbfinalisten vom Sasbacher Schachclub in die Küche ausgelagert wurden, damit man im Raum ungestört blitzen konnte - und zu diesem freudigen Anlass fanden sich auch vier Sasbacher Schlachtenbummler ein, die ihren Mann zumindest geistig unterstützen wollten. Dabei herrschte allerdings eine sehr gelöste Atmosphäre, da wir beide unser Hauptziel, nämlich die Qualifikation für den badischen Einzelpokal, schon erreicht hatten.
In letzter Zeit versuche ich immer mehr, in mein Schachspiel auch ein psychologisches Moment aufzunehmen. Daraus resultiert die seltsame Eröffnungswahl meinerseits, die nur den einen Sinn hatte, eine Damengambitvariante auszuschalten, zu deren Vorbereitung ich keine Lust hatte und da Uli sehr häufig den Stonewall auf das Brett bringt und es in meinen Augen nicht auch nur den geringsten Grund gibt, dies verhindern zu wollen, griff ich zu einem Zug, von dem ich erwartete, dass er das gewünschte Ergebnis liefern würde.
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Gerstner - Metz, Uli Mittelbadischer Einzelpokal 1994
1.g3
f5
2.d4
Sf6
3.Lg2
e6
4.Sf3
Le7
5.0-0
0-0
6.c4
c6
7.b3
d5
8.La3
Se4
[ Tatsächlich ist nun eine der Stonewall-Hauptvarianten entstanden, in der meistens mit 8...Lxa3
9.Sxa3
De7
10.Sc2
Sbd7
11.Sce1+/=
fortgesetzt wird. Dabei strebt Weiß mit Sel-d3 und Dd1-ci-b2 die Kontrolle der schwarzen Zentrumsfelder mit nachfolgendem Spiel am Damenflügel an, während Schwarz am Königsflügel für Unruhe sorgen will.]
9.Dc1
Sd7
10.Db2
Weiß hofft immer noch auf Lxa3 mit Übergang zu bekannten Stellungen, doch Schwarz hat eine andere Idee auf Lager.
10...b5!?
Das große Problem von Schwarz beim Stonewall stellt sein schlechter Läufer auf c8 dar, der im Endspiel fast immer verliert. Hier nun versucht Schwarz, diesen Läufer nach dem weiteren b5-b4 auf der Diagonalen a6-fl einzusetzen, doch Weiß erhält zunächst die c-Linie - ein positionell riskantes Unterfangen, das man jedoch ruhig einmal wagen kann.
11.Lxe7
Dxe7
12.cxb5
cxb5
13.Tc1
La6
[ 13...b4?
14.Tc7
Dd6
15.Dc2
würde Schwarz lahmlegen, und nach; 13...Sb6
14.Se5
Lb7
15.f3
Sd6
16.e3+/=
deutet sich schon der Schwerfigurentausch auf der c-Linie mit dem damit verbundenen schlechten Endspiel für Schwarz an.]
14.Tc6
Sb6
[ 14...Sb8
15.Tc2
Sd7
16.Sbd2
Tac8
17.Tac1
b4
18.Se5!
Sxe5
19.dxe5
Sxd2
20.Txd2+/=
führt erneut zu einem für Schwarz unbequemen Endspiel.]
15.Da3!
Tauscht die passive weiße gegen die aktive schwarze Dame.
15...Dxa3
16.Sxa3
Tac8
17.Se5!
Schlechter sind [ 17.Tac1?!
b4
18.Txc8
Txc8
19.Txc8+
Lxc8
20.Sc2
a5=
; oder gar 17.Txe6?
b4
18.Sb1
Tc1+
]
17...b4
[ Jetzt aber verbietet sich 17...Txc6
18.Sxc6
Ta8
19.Tc1
und Schwarz ist nahezu bewegungsunfähig.]
18.Sc2
Lb5?
Dies ist die erste Ungenauigkeit von Schwarz in dieser Partie. [ Verfehlt wäre das sofortige 18...Lxe2?
19.Sxb4
Txc6
20.Sexc6
a6
21.Te1
Lb5
22.f3
Sg5
23.h4
; Uli überlegte sehr lange an 18...Sc3!
19.e3
( 19.Lf1
Sxe2+
20.Kg2
Lb5
21.Sxb4
Sxd4
( 21...Lxc6
22.Sbxc6
Sc3
23.Se7+
Kh8
24.Sxc8
Txc8
25.Tc1
) 22.Lxb5
Sxb5
23.Txe6
ergibt auch nur minimalen Vorteil für Weiß.) 19...Se2+
20.Kh1
Lb5
21.Txc8
Txc8
22.Sxb4
Tc1+
23.Txc1
Sxc1
24.a4
Le2
25.a5
Sc8
26.Sxd5!+/=
und in der Tat hätte es Weiß nicht leicht, seinen kleinen Endspielvorteil umzusetzen. Hätte er den 21.Zug von Weiß und seine Folge vorhergesehen, so hätte er sich bestimmt auf diese Variante eingelassen.]
19.Txc8
Txc8
20.Sxb4
Lxe2
Schwarz hat sich die c-Linie erkämpft und scheint aktives Figurenspiel zu besitzen, doch nun macht sich die ewige Stonewall-Achillesferse bemerkbar, der Be6. In sechs Zügen wird sich die Charakteristik der Stellung vollständig geändert haben.
21.f3!
Sg5
22.Te1
Lb5
23.a4
Le8
24.a5
Sa8
[ 24...Sd7?
25.Sed3
da nach 26.h4 der Be6 fällt.]
25.h4
Sf7
26.Sed3
Sc7
Weiß konnte seinen Gegner vollständig in die Defensive drängen und setzt nun zur Umsetzung seines positionellen Obergewichtes an: Zunächst werden die schwarzen Figuren an die Verteidigung des Be6 gebunden und danach der Mehrbauer am Damenflügel mobilisiert.
27.Sf4
Ld7
28.Sbd3
Te8
29.Sc5
Lc8
30.Kf2
Sd6?!
[ Schwarz wartet ab, ob Weiß der Durchbruch gelingt und scheut davor zurück, sich durch 30...e5
31.dxe5
Sxe5
( 31...Txe5?
32.Td1
Sd8
33.Se2
Sc6
34.Sd4
Sxd4
35.Txd4
verliert den Bd5.) 32.Td1
Td8
33.Se2
Sc6
34.Sd4
Sxa5
35.Ta1
Sb7
36.Sxb7
Lxb7
37.Txa7
Tb8
38.f4
eine neue Schwäche zu schaffen, aber immerhin wäre Material getauscht worden, so dass Schwarz wenigstens atmen könnte.]
31.Lf1
Kf7
Schwarz will den Be6 mit dem König decken, um seine Figuren wieder beweglich zu machen, aber dies hat eine Schattenseite.
32.Sfd3
Kf6?
[ Wie man bald sehen wird, war 32...Sdb5
33.Se5+
Ke7
34.Ke3
vorzuziehen, auch wenn Schwarz weiterhin einen ungemütlichen Stand hat. Doch in passiven Stellungen sind Fehler häufiger anzutreffen als in aktiven.]
33.Se5
Sb7?
[ Nach 33...Sdb5
34.Sc6
kann sich zwar keine schwarze Figur mehr richtig bewegen, aber Weiß muss erst einmal eindringen. Dafür scheint die Idee Tel-al-a4-b64, was a7-a6 erzwingt, nebst Sc6-b8xa6 zu genügen, wenn Weiß nur ein eventuelles Gegenspiel am Königsflügel, etwa h7-h6 und g7-g5, verhindern kann. Nach der Partiefortsetzung dagegen schließt sich der Vorhang sofort.]
34.Tc1!
Sa8
35.b4
Sxc5
Sonst läuft der b-Bauer.
36.Txc5
a6
37.b5
axb5
38.Lxb5
Td8
[ Nach 38...Tf8
39.Lc6
Sc7
40.Lb7!
Lxb7
41.Txc7
Lc8
42.f4!
gerät Schwarz in Zugzwang.]
39.Lc6
La6
[ 39...Sc7
40.Lb7!
gewinnt eine Figur.]
40.Lxa8
Txa8
41.Tc7
Tf8
1-0
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Damit hatte ich also zum ersten Mal den mittelbadischen Einzelpokal errungen und den Sprung auf die badische Ebene geschafft. Aufgrund einer einzigartigen Terminkollision am 15.Mai, an dem zeitgleich der badische Einzelpokal, der badische Mannschaftspokal und die deutschen Hochschulmannschaftsmeisterschaften in Bremen stattfinden, werde ich allerdings dort nicht starten. Die Gespräche mit den badischen Funktionären brachten wieder einmal die üblichen Ergebnisse, dass nämlich keine Entlastung für die Spieler möglich ist. Als Beispiel sei der Mannschaftspokal angeführt, dessen erste Runde im Zeitraum vom 02.05. (Montag) bis 15.05. (Sonntag) ausgetragen werden musste. Für meinen Karlsruher Verein ist das ein absolutes Unding, da von den zwei Wochenenden auf einem (08.05.) ein Bundesligaspieltag liegt und an dem anderen die Bretter 1, 2, 4, 5 und 8 in Bremen weilen - naja, mit dem Oberligaaufsteiger Bad Mergentheim haben wir ein ziemlich leichtes Los erwischt, bei dem wir getrost auf unsere Spitzenleute verzichten können. Damit wird mich übrigens auch einer der beiden Halbfinalisten im Einzelpokal vertreten. Dies wird wohl Kai sein, der natürlich als Erster von meinem Verzicht profitieren sollte, da nur ich seiner regulären Qualifikation im Wege stand, aber gesichert ist bei unseren Funktionären an und für sich nichts. Jedenfalls wünsche ich ihm alles Gute bei diesem Einsatz, falls es denn soweit kommen sollte.
REO - Jubiläum