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Rochade wieder Pokalsieger

Routine


Rochade Express, Nr. 68, Seite 4ff, "Rochade wieder Pokalsieger"
von Harald Fietz

Wir schreiben den 17. März 1995, Freitagabend kurz vor halb acht. Der Wind pfeift um die Häuser, der Regen peitscht auf die Straße, drei Gestalten, Hartmut, Alex und der Zeilenschreiber, nähern sich den Clubräumen der Rochade. Was soll hier gespielt werden? Ganz einfach, in zehn Minuten ist Beginn des mittelbadischen Mannschaftspokalfinales gegen die Schachfreunde aus Hörden. Da solche Matches aber für die Kuppenheimer scheinbar schon Routine geworden sind, wundert sich niemand, als zum festgesetzten Spielbeginn mehr Gästespieler als Lokalmatadore anwesend sind. Allmählich trudelt dann ein Recke nach dem anderen ein, und etwas überrascht stellen wir fest, dass Hörden fast in Bestbesetzung angetreten ist, was zuvor in noch keiner Pokalbegegnung der Fall war. Wahrscheinlich haben die sich was vorgenommen, während wir "ohne vier" auskommen müssen. Ehepaar Gersinska weilt zu Hause, Kurt ist in den Staaten, und Jochen geistert beruflich durch die Republik.

Nichtsdestoweniger sollte uns nicht bange werden, betrachtet man die Paarungen an den einzelnen Brettern:
Brett 1: Kresovic - Metz. Unser Mann ist Abonnementsieger, also erwarten wird Kontinuität
Brett 2: Stückl - Karcher, CS. Hier ist der Ausgang ungewiss, da sich zwei Zeitnotspezialisten gegenübersitzen.
Brett 3: Tammert - Großhans. Auch hier ist eine Festlegung schwierig, da beide Spieler große Routine in Mannschaftskämpfen haben.
Brett 4: Fietz - Merkel. Ähnlich wie am dritten Brett lässt sich hier vorab keine Präferenz geben.
Brett 5: Zunker - Hatz. Auch hier sollte die Tagesform entscheiden, wenn auch Alexander normalerweise die Favoritenbürde trägt.
Brett 6: Raub - Bettendorf. JR konnte aufgrund seiner größeren Erfahrung in Ober- und Verbandsligakämpfen als Favorit gesehen werden.
Brett 7: Kohlbecker- Gantner, R. Umgekehrt kann man an diesem Brett Hörden in der Vorderhand sehen, zumal mit den weißen Steinen.
Brett 8: Menge - Immer. Trotz der geringen Spielpraxis in jüngster Zeit sollte Matthias das größere Potential haben.

So gestartet, kam es in den ersten drei Spielstunden zu keiner Vorentscheidung, und die Zuschauer, Hermann Hettich und Markus Hirn, bekamen zunächst ein zähes Ringen zu sehen. Erste Tendenzen zeichneten sich ab, als Hartmut den obligatorischen h5-Bauern in seinem Caro-Kann-Spezialaufbau für Angriffschancen hergab.











Kresovic - Metz
Finale mittelbadischer Mannschaftspokal, April 1995

1.e4 c6 Eigentlich hielt ich es nicht für angebracht, diesen leichten Sieg zu kommentieren. Aber nachdem Harald Fietz dies erwartete, wollte ich unseren emsigsten Schreiber nicht vergraulen. 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6+ gxf6 6.c3 Lf5 7.Se2 Aha, diese Variante wählte Velimir. Der mir sehr sympathische Hördener hatte - wie er während der Analyse erzählte - ziemlich lange überlegt, welches Abspiel er gegen mich wählen würde. Sein deprimierendes Fazit: "Es gibt nichts Gutes gegen CaroKann!" Meine Rede seit Jahren. 7...Sd7 8.Sg3 Lg6 9.Le2 Da5 In der Erwartung, dass Weiß mit 11. h4 h5 12. b4 Dc7 13. Sxh5 in eine der Hauptvarianten übergeht. 10.Le3?! Für meinen Geschmack etwas zu zahm. 10...e6 11.0-0 h5! An diesem Zug schieden sich die Geister. Velimir mutmaßte, ich habe einen Bauern eingestellt. Doch keineswegs, ich opferte ihn nur zu bereitwillig. Vielleicht ist nun h4 angebracht, da Weiß den Bauern nicht weiter vordringen lassen darf. 12.b4 Dc7 13.Lxh5 Lxh5 14.Sxh5 Ld6 15.f4 0-0-0 16.Sg3 f5 17.Tf3 Ein interessanter Zug, der die Abwehr stärkt. 17...Sf6 18.Dc1 Tdg8 19.Tb1?! Das kostet bereits einen Bauern. Bis dahin brachte ich die Vorzüge der schwarzen Stellung ganz gut zur Geltung, während der weiße Angriff am Damenflügel noch lange auf sich warten lässt. 19...Sg4 20.h3?? Wirft einzügig die Partie weg. [ 20.Sf1 Sxe3 21.Dxe3 Th4 22.g3 Lxf4 kostet den Mehrbauern und Schwarz steht deutlich überlegen.] 20...Sxe3 21.Dxe3 Txg3! Der Rest erklärt sich von alleine. 22.Tbf1 Txf3 23.Dxf3 Dd7 24.Kh2 Lc7 25.g3 Dd5 26.De2 De4 27.Dxe4 fxe4 28.g4 f5 29.Kg3 Kd7 30.g5 Ke7 31.h4 Kf7 32.Th1 Kg6 33.Th2 a5 34.a3 Kh5 35.Th1 axb4 36.axb4 Ta8 37.Tb1 Ta4 38.Tc1 Ld6 39.Kh3 0-1



Auch in meiner eigenen Partie kam ein Bauer in einer Nebenvariante der Vorstoßvariante der Caro-Kann-Eröffnung abhanden, doch die Kompensation blieb aus, als Gerd Merkel einen forcierten Damentausch erzwingen konnte. In allen anderen Partien war zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung noch offen.

In der vierten Spielstunde ging es dann Schlag auf Schlag. Hartmuts Angriff schlug - wie gezeigt - durch und brachte uns die Führung, während sich meine Stellung stetig verschlechterte. Inzwischen hatte JR gefahrlos den Remishafen erreicht, und Ralf konnte nach aktivem Gegenspiel seinen schutzlosen König hin und her ziehen, da Günter Tammert wegen seines abseits stehenden Turmes Dauerschach geben musste. Derweil spielten sich am zweiten Brett die wettkampfentscheidenden Ereignisse ab. Toni bot - von Hartmut souffliert - in beiderseitiger Zeitnot Remis an, was CS ablehnte, um postwendend eine Figur als Gastgeschenk abzuliefern. Nachdem die Zeitkontrolle erreicht und der materielle Vorteil evident blieb, gab der Hördener die Partie auf. Nun hieß es 3:l und so konnten wir den Verlust von Meister Gantner verschmerzen. Die restlichen Begegnungen führten dann innerhalb kurzer Zeit zur Entscheidung. Matthias hatte mit einem Mehrbauern nach und nach eine Gewinnstellung herausgearbeitet und einen Qualitätsverlust verkraftete die Stellung von Harald Immer nicht mehr. Spektakulärer ging es bei Alexander zu. Mit Beginn der Zeitnot konnte Michael Zunker die heranrückenden Bauern, die erfolgreich von ihrem König unterstützt wurden, keine Paroli mehr bieten, und nach einigen ungenauen Zügen ereilte es noch den auf hl eingekeilten Springer des Weißspielers.











Zunker - Hatz
Finale mittelbadischer Mannschaftspokal, April 1995

1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 Da5 4.d4 Sf6 5.Ld3 Sc6 Etwas Anderes hatte ich auch schon einmal probiert: [ 5...Lg4 6.f3 Lf5 7.Sge2 Diek, H. - Hatz, A., Verbandsliga 92/93] 6.Sge2 Lf5 An dieser Stelle boten sich zwei Alternativen: [ 6...e5 7.dxe5 Sxe5 8.0-0 Le7 9.Sd4 0-0= ; 6...Lg4 7.f3 ( 7.h3 Lxe2 8.Lxe2 0-0-0-/+ ) 7...Lh5 8.Ld2 e5! 9.Se4 Db6 10.Sxf6+ gxf6 11.d5 Sd4~~ ] 7.Lb5 e6 8.Lxc6+ bxc6 9.Ld2 Tb8 [ Nach 9...Le7 hatte ich 10.a3 mit folgendem 11.b5 befürchtet, was aber nach 10...Db6 11.b4 a5 12.Sa4 Db5 wohl nicht so nachhaltig ist.] 10.Dc1 Le7 11.0-0 0-0 12.Sg3 Lg6 [ Früher hätte ich bestimmt 12...Db6 13.Tb1 Dxd4 14.Sxf5 exf5 15.Le3 Dc4 16.Lxa7 Ta8 17.Le3 Lb4-/+ gespielt.] 13.Sce2 Db6 14.b3 c5 15.dxc5 [ Um den folgenden Problemen auf der Diagonale g1-a7 entgegenzuwirken, wäre 15.Le3 Tfd8 16.Td1 Sd5 17.dxc5 Lxc5 18.Lxc5 Dxc5 19.c4 vermutlich die bessere Wahl gewesen.] 15...Lxc5 16.Sf4 Tfd8 17.Sxg6 hxg6 18.Lg5 Td5 An dieser Stelle hatten beide Seiten noch etwa 20 Minuten auf der Uhr. Davon investierte ich gut zwölf in die Variante: [ 18...Sg4 19.Lxd8 Lxf2+ 20.Kh1 Lxg3 21.hxg3 Txd8 22.Df4 Td5 23.Dxg4 Th5+ 24.Dxh5 gxh5 ] war mit dem Ergebnis aber nicht richtig zufrieden. 19.c4 Td3 20.Lxf6 gxf6 21.Se4 [ Mit 21.Dh6 lässt sich auch nicht genügend Verwirrung stiften, z. B.: 21...f5 22.Se2 ( 22.h4? Txg3-+ ) 22...Tbd8 23.Sf4 Lxf2+! ] 21...Le7 22.Dc2 [ Nach 22.Td1 Txd1+ 23.Dxd1 Td8 24.De2 f5 25.Sc3 Dd4 26.Df3 ist es für Schwarz nicht ganz so einfach, den Weißen zurückzudrängen.] 22...Dd4 Das schwarze Übergewicht ist offensichtlich. Die d-Linie ist fest im Besitz, und dem Springer gehen ein wenig die Felder aus. Zunker verfiel in tiefes Nachdenken. Nach dem nächsten Zug hatte jeder noch etwa sechs Minuten übrig. Spätestens jetzt begannen wir mit der Blitzphase. 23.Tad1 Td8 24.Txd3 Dxd3 25.Db1 [ 25.Dxd3 Txd3 26.Ta1 f5 27.Sg3 Lc5 28.Kf1 Td2 29.Se2 macht es mir nicht ganz so einfach.] 25...f5 26.Sg3 Dxb1 27.Txb1 Td2 28.a4 Lc5 29.Sh1 a5 Weiß sucht nun schon vergeblich nach einem ordentlichen Plan. 30.g3 Jetzt steht der Springer endgültig auf dem Abstellgleis. 30...Kg7 31.Kg2 Kf6 32.Kf3 g5 Dieser Zug war eher ein Reflex. [ Schaut man genauer hin, so merkt man, dass 32...e5 die bessere Wahl gewesen wäre: 33.Kg2 e4 34.h3 ( Oder 34.Kf1 Ke5 wie in der Partie.) 34...e3 35.Tf1 e2 36.Te1 Lb4 37.Kf3 Td1 38.Txe2 Txh1-+ ] 33.h3 e5 34.Kg2 e4 35.Kf1 Ke5 36.Ke1 Lb4 37.Kf1 Kd4 38.h4 Die Bildung eines Freibauern wird nun durch 32..g5 ermöglicht, aber er kann kein Unheil mehr anrichten. 38...gxh4 39.gxh4 f4 40.Kg2 [ 40.h5 Kc3 41.h6 Td6-+ ] 40...e3 Der e-Bauer entscheidet den Tag. 41.Kf3 [ 41.h5 e2 42.h6 Ke4 43.f3+ Ke3 44.Sf2 f5 45.h7 Td8-+ ] 41...e2! 42.Te1 Td3+ 43.Kxe2 Lxe1 44.Kxe1 Th3 0-1



Trotz dieser Niederlage hatte Michael, der ja schon einige Zeit in Kuppenheim wohnt, den Wunsch, in unseren Verein einzutreten. Wir dürfen also an dieser Stelle ein neues Mitglied willkommenheißen!

Nachdem somit vor der Zeitkontrolle der Gesamtsieg feststand, gab ich meine inzwischen hoffnungslose Stellung auf, und wir resümierten einen 5:3 Sieg. Rückblickend kann angemerkt werden, dass ein Hördener Sieg an Brett 2 ein Fiasko für uns bedeutet hätte, da dann die Berliner Wertung zu unseren Ungunsten ausgefallen wäre. Aber wenn und dann sind eben nicht eingetreten, und deshalb ist der alte auch der neue Mannschaftspokalsieger.

Für einige war der Abend aber noch nicht zu Ende, da die Einladung zu Wolfgang Gerstners Geburtstagsfeier noch für jeden offen stand. Letztlich brausten drei Autos durch den nicht endenwollenden Regen nach Rastatt, und so hielten es Hartmut, Alexander, Toni und ich sowie die Hördener Delegation mit CS und Detlef noch bis halb drei dort aus. Was wäre Schach doch ohne die Begegnungen danach? Das mittelbadische Pokalkapitel 1995 ist jedenfalls beendet, doch der Erfolg auf badischer Ebene muss noch erkämpft werden. Weita, Weita, heißt also das Motto im Slang der Technogeneration, was gar nicht so verkehrt ist!

Einzelergebnisse: Metz 1, Stückl 1, Großhans ½, Fietz 0, Hatz 1, Raub ½, Ganter 0, Menge 1


REO - Routine