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Jäger des verlorenen Pfandkastens

von Hartmut Metz, Mai 1997

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   Was zuletzt geschah: Tammertatt vermißte beim Zwölf-Stunden-Blitz einen Pfandkasten. Durlacher Wegelagerer gerieten in den Ruch, diesen armen, wehrlosen Cola-Kasten verschleppt zu haben. Mit von der Partie war der von der eigenen Familie ausgestoßene Kloskatt, dem seine Lieben kein Ohr mehr für seine Remisgeschichten leihen wollte. Außerdem entdeckte der Herrscher der Pfandkasten Gerstnersaft im Kofferraum zwischen seinen Liebsten.

   Sofort übernahm Gerstnersaft die Regie und das Tammobil flog dahin wie der Wind, fast Schallgeschwindigkeit, 330 Meter in der Stunde. "Nach Durlach müssen wir rechts", brüllte er Fahrer Kloskatt an der zentralen Ampelanlage in Kuppenheim ins Ohr, so daß der glücklicherweise erschreckt vergaß, seine brandheiße Story vom Remis gegen einen Zweitbundesligaspieler zu erzählen. Als das Tammobil nach der Ampel rechts schoß, stellte Tammertatt zufrieden murmelnd fest: "Das Tuning auf satte zwölf PS hat sich gelohnt!"

   Er schöpfte Hoffnung, den fehlenden Pfandkasten zurückzubekommen und damit praktisch das herrliche Tammobil - herrlich, nicht weil es einen Schachkopf (Anm. d. Red.: In Gedanken vergaß Tammertatt gerne den Buchstaben "w" in Worten, weil der breiter als er höher ist) wie derzeit Gerstnersaft beherbergte, sondern sage und schreibe sechs Pfandkästen im hinteren Teil des Wagens transportieren konnte. Jetzt mußte nur noch der Schachkopf ("w", nicht vergessen "w") gegen den fehlenden ausgetauscht werden, um sein Glück vollkommen zu machen.

   „Jetzt wieder rechts", gestikulierte Gerstnersaft wild, als er die Sebastianstraße entdeckte. Die kannte er! Da war er schon häufiger! Da mußte es nach Durlach gehen! Auf seinen untrüglichen Instinkt konnte er sich wie immer verlassen. Auch ein von Kloskatt eingeworfenes "Wohnen da nicht die Wendelgatter?" machte ihn nicht verlegen, denn schon drei Minuten später kam die Wilhelmstraße. "Rechts, rechts", forderte er Kloskatt, der Mühe hatte, die zwölf PS zu kontrollieren, auf, eine neue Richtung einzuschlagen. "Hab' ich da nicht einmal den Westermatt abgeholt?" fragte Kloskatt verdutzt. Was tat's zur Sache? Gerstnersaft mußte sich auf den Weg konzentrieren, um vorne am "Ochsen" zu schreien: "Links, links!"

   Als dann auch nochmals das Feuerwehrhaus auftauchte und Gerstnersaft Kloskatt unverdrossen in die Sackgasse bei der Schule manövrierte, fiel es Tammertatt wie Schuppen aus den Haaren: Die Pfadfinderkünste des Trottels im Hinterteil des Tammobils waren doch für den Arsch. Bekam er nicht sogar den Spitznamen "Odysseus" verpaßt? Nicht weil er König von Ithaka war, sondern von einer falschen Richtung in die nächste kreuzte. Unserem Helden fiel nun auch ein, warum der geniale Schachspieler (Bedenken Sie das "w"!) in der ersten Kuppenheimer Mannschaft ausgebootet worden war: Gewiß hätte er Runde für Runde einen Punkt holen können - doch was würde das nutzen, schickte er alljährlich bei vier bis fünf Auswärtsfahrten seine Kameraden an falsche Orte?

   0:10 Punkte mochte die Rochade in der Oberliga nicht in Kauf nehmen, selbst wenn Gerstnersaft noch so freundlich den falschen Weg wies. Und in der "Dritten", die sich im Bezirk schon gut auskannte, wollte der Schachspieler (das "w", das "w"!) aus übertriebenem Ehrgeiz nicht eingesetzt werden, obwohl dort mit Gantnatt dem Jüngeren und Kühlatt zwei weit begnadetere Akteure am Brett saßen. Selbst das Versprechen, sobald er eine Landkarte lesen konnte, in der Ersten spielen zu dürfen, hielt Gerstnersaft nicht von einem Wechsel nach Karlsruhe ab.

   Schade nur, daß er nie dort hinfand. Gerstnersaft verlor einmal mehr den Faden der Ariadne und verirrte sich nämlich nach Ottenhöfen. Die merkten rasch, daß "Odysseus" in der zweiten Liga spielen wollte und redeten sich fortan mit Wernatt, Pfrommatt und so weiter an. Auch die Spielkarten wurden entsprechend ausgefüllt, zuweilen setzte man sogar ein GM vor den Namen eines Gegners von Gerstnersaft, um für diesen die Illusion perfekt zu machen. Gerstnersaft wunderte sich zwar, daß er auch ab und zu einen Punkt gewann, Zweifel zerstreute er jedoch mit dem ihm angeborenen festen Glauben (an seine Genialität).

   Tammertatt wollte den Trottel, nachdem wertvolle Zeit bei der Jagd nach dem Pfandkasten verlorengegangen war, lauthals anfahren: "Trottel, halt´s Maul", ehe ihn zwei geniale Gedankenblitze durchzuckten - bekanntlich mußte man doch nur die andere Richtung einschlagen, als jene, die "Odysseus" haben wollte. Außerdem saß mit Kloskatt der größte Friedensbotschafter der Geschichte in seinem Tammobil. Wenn nicht Kloskatt, dem noch nie ein Friedensangebot früher oder später abgeschlagen worden ist, den Pfandkasten herausholen konnte, wer dann? "Oro Pax" - so Kloskatts Spitznamen, der sich aus einem spanischen und einem lateinischen Wort (Gold und Friede) zusammensetzte - würde auch diesmal Frieden stiften.

   Kümmerliche Bedenken mußte Tammertatt bereits beiseite schieben, denn Gerstnersaft wollte nach dem Wendemanöver die Sackgasse rechter Hand verlassen und Kloskatt hatte bereits den Blinker gesetzt. "Fahr links! Und ab jetzt immer in die andere Richtung, als die, die Odysseus angibt!" flüsterte er "Oro Pax" ins Ohr, der daraufhin hämisch grinste, so als habe er gerade wieder Frieden auf dem Brett gestiftet. "Rechts, ich sagte rechts", gestikulierte Gerstnersaft verzweifelt. "Ja, ja", griente Kloskatt. Unsere Helden tuckerten endlich, endlich gen Durlach, um den wichtigsten Teil der Menschheit, die Pfandkastenverleiher, zu retten.

   Kommt das Trio tatsächlich über Kuppenheimer Gemarkung hinaus? Oder stolpern sie über eine hinterhältige Finte von Gerstnersaft, der eine Höllenkombination auspackt? Demnächst mehr.


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