Rochade badischer PokalsiegerGlücklicher Kuppenheimer Kantersieg im Finale gegen Walldorfvon FM Hartmut Metz, September 2005 |
Die Rochade Kuppenheim hat zum zweiten Mal nach 1992 den badischen Pokal gewonnen. Damals hatte die Schachgemeinschaft noch mit einem Achterteam sensationell Freiburg 1887 mit 6:2 in die Schranken gewiesen. Wie vor 13 Jahren verloren die Kuppenheimer auch diesmal keine Partie im Finale - doch dazu bedurfte es eines Bundes mit Fortuna! Zwischenzeitlich sah es nach allem anderen aus als nach einem Rochade-Sieg - doch letztlich bezwang der Oberligist in der Besetzung Hubert Schuh, Hartmut Metz, Velimir Kresovic und Joachim Kick den SV 1947 Walldorf mit 4:0. Das klare Ergebnis täuscht über den wahren Spielverlauf hinweg. Der Außenseiter aus der nordbadischen Verbandsliga ließ mehrere gute Chancen aus und hätte ein 2:2 erreichen können. Das hätte Walldorf bei einem Sieg am ersten Brett zum Pokal-Gewinn gereicht. Doch nach fünf Stunden Spielzeit wendete sich das Blatt zu Gunsten der Hausherren.
Lediglich Kick konnte vorher den ganzen Zähler unter Dach und Fach bringen. Als einziger Kuppenheimer überzeugte er in der gesamten Partie. Am vierten Brett überspielte Kick die nominelle Walldorfer Nummer zwei, Michael Haas, aus der Eröffnung heraus. Offenbar hofften die Gäste, mit der "Haas-Zange" - vorne saß der stärkste Walldorfer, Frank-Michael Haas - mindestens ein 2:2 zu erreichen. Doch dem Kuppenheimer "Theoriehai" war mit einem Morra-Gambit nicht beizukommen. Apropos: Gleichzeitig tauchte auf dem Spitzenbrett Morra-Gambit auf. Warum Schuh nicht dem Beispiel Kicks folgte, blieb sein Geheimnis. Metz dachte sich noch während des Wettkampfs: "Wie praktisch, wenn ich die Stellung hätte, würde ich einfach immer abwarten, was Joachim zieht. Nach dem Verlassen der Theoriepfade von Haas steht man gut und fängt irgendwann selbst an zu überlegen oder wartet, bis der Gegner von seinem Bruder abweicht " So aber beschritt Schuh eigene Wege, die ihn trotz des umgehenden Rückopfers auf gefährliche statt ausgetrampelte Pfade führte. Den eingeheimsten Bauern gab Kick im Mittelspiel auch zurück, dafür hatte Michael Haas allerdings eine ruinierte Bauernstruktur zu verwalten. Folgerichtig sammelte der Kuppenheimer die Bauern nach und nach ein, bis sein Kontrahent in einem hoffnungslosen Endspiel die Waffen streckte. Der Theoriekenner baute seine Pokal-Bilanz somit auf 4,5:0,5 Punkte aus. Sie könnte noch beeindruckender sein, hätte der AOK-Mann im Viertelfinale gegen Christof Herbrechtsmeier in gewonnener Stellung nicht ein Remis vereinbart, weil es vom Kapitän "auf Rezept" bestellt war mit Schwarz.
Noch erfolgreicher agierte Kresovic, der bei allen fünf Einsätzen von der ersten Runde bis zum Endspiel die Oberhand behielt. Gegen Reiner Schnorrberger sah es indes lange Zeit nach einer Punkteteilung aus. In der Eröffnung entging dem Kuppenheimer ein taktischer Schlag, der aber in ein etwas besseres Mittelspiel ohne Damen für ihn mündete. Nach beiderseits ungenauen Fortsetzungen entstand zwischenzeitlich ein Turmendspiel, das für Schwarz besser war, weil Kresovic eine Zugwiederholung mit Remisschluss verschmähte! Da die Nummer drei der Gäste aber zu sehr auf das Unentschieden fokussiert war und zu passiv agierte, setzte sich der 50-Jährige doch durch.
Wechselhaft verlief auch das Duell von Metz: Der einzige Kuppenheimer, der schon 1992 beim Pokalsieg über Freiburg 1887 dabei gewesen war, stand nach der Eröffnung besser, provozierte dann gegen Peter Schell einen schwarzen Bauernvorstoß nach e4 - und reagierte nach der erwarteten Fortsetzung falsch. Plötzlich schien der Walldorfer am längeren Hebel zu sitzen. Er entschied sich für einen Qualitätsgewinn. Das sah optisch sehr gut aus. Mit Bauer und starkem Läuferpaar als Kompensation stand Metz jedoch - wie zumindest das Programm "Shredder 9" in der Analyse meint - nie auf Verlust. Der Vorteil Schells blieb meist minimal bei ein paar Zehntel Bauerneinheiten. Nach zwei ungenauen Zügen übernahm der dreifache badische Einzel-Pokalsieger die Regie. Der weiße d-Bauer wurde extrem gefährlich. Letztlich konnte der Außenseiter nur noch auf Pattideen hoffen, weil sein König auf a5 eingeklemmt war. Metz erwog zwar, eine Pattidee zuzulassen, weil sie auch das 2,5:0,5 bedeutet hätte - weil der Gewinnweg jedoch einfach und schnell wirkte, verzichtete der 41-Jährige aber darauf und vollstreckte nach fünfeinhalb Stunden zum zweiten Endspiel-Triumph der Rochade.
Dank des 3:0 konnte Schuh am Spitzenbrett befreit aufspielen. Nach missglückter Eröffnung gab der Kuppenheimer Dame für Turm und Läufer, um nicht auf h7 zusammenzubrechen. Anschließend entstand ein Endspiel, das auf den ersten Blick hoffnungslos aussah. Indes bot es Chancen, die ein oder andere Festung aufzubauen. Einmal drohte die Möglichkeit mit Läufer und Springer gegen Dame, einmal mit Turm und vier Bauern gegen Dame und zwei Bauern. Frank-Michael Haas machte zunächst alles richtig. Das Endspiel mit Dame, Springer und zwei Bauern gegen Turm, Springer und vier Bauern war sicher gewonnen. Doch als ihm lediglich noch zwei, drei Minuten verblieben, übertölpelte Schuh ihn: Haas zog rasch seinen Springer nach d3 - noch rascher schlug ihn der Kuppenheimer mit Schach durch seinen Turm weg. Der Walldorfer konnte nicht wiedernehmen wegen einer folgenden Springergabel auf e5 und stand mit vielleicht noch zwei Minuten auf der Uhr plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Schuh unterschritt zwar dann auch die Fünf-Minuten-Grenze, hatte aber genügend Zeit, um seine Freibauern nach vorne zu schieben. Nach wohl 100 Zügen (Zugwiederholungen waren nicht mehr zu rekonstruieren, nur zwischenzeitliche Positionen) setzten Turm, Springer und ein auf g2 angelangter Bauer matt!
Mit dem glücklichen Kantersieg wahrte das Team von Kapitän Hussain Chaltchi seinen Nimbus und blieb in allen 20 Partien im badischen Pokal ungeschlagen. Schuh holte 3,5:0,5 Zähler, Metz gewann drei Begegnungen und remisierte zwei. Außerdem vertrat einmal Marcel Vingerling mit einem Unentschieden gegen Neumühl die Farben der Rot-Weißen. Die Stationen der Rochade zum Cup-Erfolg lauteten: 3,5:0,5 über Neumühl, 4:0 gegen Oberkirch, 3:1 gegen das nominell überlegene Zähringen und 3:1 über Zweitligist Heidelberg-Handschuhsheim. Walldorf darf sich zumindest mit einem Bonbon trösten: Auch der Verbandsligist, Bezwinger von Zweitligist Karlsruher SF im Viertelfinale, ist für die erste Runde des deutschen Schach-Pokals am 29. Oktober qualifiziert. Kuppenheim hofft dort auf weitere Coups, denn auf nationaler Ebene kann Großmeister Ludger Keitlinghaus auch als Neuzugang eingesetzt werden.
SG Rochade Kuppenheim 1979 - SV
1947 Walldorf 4:0
1. Brett Hubert Schuh (2311 DWZ) - Frank-Michael Haas (2178) 1:0, 2. Hartmut
Metz (2251) - Peter Schell (2019) 1:0, 3. Velimir Kresovic (2142) - Reiner
Schnorrberger (1930) 1:0, 4. Joachim Kick (2138) - Michael Haas (2055) 1:0.
Holten zum zweiten Mal den badischen Pokal nach Kuppenheim: Velimir Kresovic
(stehend, von links), Joachim Kick, Kapitän Hussain Chaltchi, Hartmut
Metz (sitzend) und Hubert Schuh, dessen Mattstellung auf dem Brett steht.
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Metz (2251) - Schell (2019)
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Kresovic (2142) - Schnorrberger (1930)
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Haas (2055) - Kick (2138)
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