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Iwantschuk auf den Zahn gefühlt

Simultan in der Taunus-Sparkasse

von Hartmut Metz

Frankfurt Chess Classic 2000


Wassili Iwantschuk

Wassili Iwantschuk beim Simultan

   „Das ist wirklich unglaublich, was man hier in Frankfurt alles geboten bekommt", zeigte sich Werner Sedlmayr während des Simultans von Wassili Iwantschuk über die Chess Classic begeistert. Der Augsburger, der für 600 Mark einen Platz im Kasparow-Simultan ersteigert hatte ("Das war jeden Pfennig wert!") und sich dort freute, dass auch noch Großmeister wie Peter Leko, Iwantschuk, Artur Jussupow, Stefan Kindermann und Henrik Teske die Vorstellung beäugten, schwärmte weiter, "gestern war ich im Restaurant. Da saß Anand, ein Stück weiter Leko. Und als ich rausging, sah ich an der Bar Wladimir Kramnik. Da habe ich mich gefragt: Wo bin ich hier eigentlich?" Zum Zeitpunkt des Ausspruchs befand sich Sedlmayr jedenfalls als Zuschauer in der Höchster Filiale der Taunus-Sparkasse. Teil des Schach-Paradieses war das Simultan von Iwantschuk an 40 Brettern. Mit der Sparkasse hatte der älteste Sponsor der Frankfurt Chess Classic (FCC) geladen. Vorstandsvorsitzender Hans-Dieter Homberg betonte, dass die Bank seit dem Beginn 1994 dem Turnier gerne die Treue gehalten hat und sich nun über die Deutschland-Premiere Iwantschuks im Simultan freut.

   Der Weltranglistenachte, der derzeit Türkisch lernt, begrüßte seine Gegner in Deutsch. Dabei bot er den 40 Kontrahenten an, ruhig die weißen Steine zu wählen. 15 machten davon Gebrauch. Die anderen 25 hatten sich wohl mit Schwarz vorbereitet und mochten dem Weltranglistenachten damit auf den Zahn fühlen. Das im wahrsten Sinne des Wortes, denn tags zuvor musste der Ukrainer zum Zahnarzt und beklagte weiter Schmerzen, die erst durch eine längere Behandlung in seiner Heimat zu beseitigen sein werden. Eine geschwollene Wange zeugt davon. Nichtsdestoweniger ging der Großmeister aus Lwow den Vergleich konzentriert an. Es dauerte rund zweieinhalb Stunden, ehe der erste Widerstand an einem Brett gebrochen war. Die Kontrahenten waren mit Ratings bis zu 2337 Elo ähnlich stark wie jene von Kasparow. "Bei dem hätte ich auch gerne mitgespielt, doch für 275 Mark bekam ich keinen Platz", berichtete Markus Ehrlacher (Iffezheim), den es allerdings nicht reute, dass er so für 175 Mark weniger den Zuschlag bei Iwantschuk erhielt. "Menschlich ist er mir ohnehin sympathischer. Spaß machte es sowieso. Ich bedauerte lediglich, dass er nicht 1.e4 spielte. Ich hatte vier Skandinavisch-Partien von ihm in der Datenbank gefunden und wollte einer WM-Partie von 1995 zwischen Anand und Kasparow folgen. Dann hätte ich länger als 32 Züge mitgehalten. Es war beeindruckend, wie er seinen Vorteil gegen mich verwertete. Es ist wie beim Boxen: Jeder Schlag sitzt, man hat keine Hoffnung auf einen Lucky Punch und irgendwann ist man k.o."

   Einige "Glückstreffer" ließ der 31-Jährige aber doch zu. "Ich habe viele schwere Fehler gemacht", beklagte Iwantschuk, ohne jedoch seine Zahnschmerzen als Ausrede zu gebrauchen. So durfte Jörg Verges den ersten von vier Siegen der Amateure feiern. "Mein Erfolg war keine große Leistung. Iwantschuk übersah einen Zwischenzug, der eine Figur eroberte. Damit kann ich mich nicht rühmen", meinte sein 27-jährige Fan. Der Handschuhsheimer hatte sein Idol erstmals 1989 bei der Mannschafts-WM in Luzern gesehen. Als Verges von der Möglichkeit hörte, einen von 20 Plätzen für das Simultan ersteigern zu können, hatte er sich nicht zweimal bitten lassen und kam mit 72 Mark zum Zuge. Dieser Betrag lag an der Untergrenze der Gebote, die bei der Internet-Versteigerung bis 150 Mark gingen. Überdies schlugen Winfried Möhring (Sillenbuch), Behrang Sadeghi (Burgsinn) und Alexander Armbruster den Gast der Taunus-Sparkasse. Der "kleine" Bruder des 18-jährigen Hattersheimers, Manuel (16), vervollständigte den Triumph der Familie Armbruster und schaffte ein Remis, nachdem sich Alexander durch ein interessantes Qualitätsopfer aus der Umklammerung gelöst hatte. Unentschieden verbuchten außerdem ihr Mannschaftskamerad Sebastian Lukas, Ingo Rutkowski (Eppstein), Christoph Braun (Freising) und der am höchsten klassierte Norbert Heck (Freising/Elo 2337). Die Bilanz Iwantschuks belief sich nach 4:45 Stunden auf 33,5:6,5 Zähler (+31 =5 -4).


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