"Wir falten jetzt die Hände, mit ... Müllheim geht's zuende"Ein Rückblick mit kommentierten Partienvon FM Christof Herbrechtsmeier, Juli 2003 |
Wer den Schachklub Müllheim kennt, der kennt auch Rolf Schwarz (Jahrgang 1940), Konditor und Betreiber eines Cafe in Badenweiler. Einen seiner vielen Sprüche, leicht abgewandelt, habe ich meinem Bericht vorangestellt. Am 12. Juni war auf der Internetseite des Schachbezirks Freiburg zu lesen: "Der Schachklub Müllheim e.V. verzichtet termingerecht auf sein Spielrecht in der Bereichsklasse 2003/04". Was war geschehen?
In der Saison 2002/03 hatte der Verein nur eine dünne Spielerdecke und mußte oft zu siebt antreten. Am Schluß mußte man wieder einmal mit dem undankbaren 8. Platz vorlieb nehmen und konnte den Abstieg nicht vermeiden. Mitabstiegskandidat Münstertal erreichte das rettende Ufer dank eines Sieges in der 8. Runde über Schwarze Pumpe, weil drei Partien wegen eines Aufstellungsfehlers kampflos (?) gewertet wurden.
Daraufhin schwand das Interesse einiger Spieler, und Rettungsversuche des rührigen Vorsitzenden Hermann Kaupp blieben erfolglos. Einige Spieler werden nun bei anderen Vereinen unterkommen: Kiefer bei Zähringen/Wiehre; Stolle, Vilagos und Zirlewagen bei Nachbarverein Münstertal.
Ich gebe im folgenden einen Rückblick auf mehr als 10 Jahre der Geschichte eines Vereins, dem ich selbst vor zwei Jahren angehört habe.
Der Umzug von Kabarettist Matthias Deutschmann nach Müllheim im Sommer 1991 führte dazu, daß sich der Ex-Zähringer (wie schon einige Jahre früher Rechtsanwalt Gerhard Kiefer) dem Klub anschloß. Der Vereinsabend wurde wieder belebt, Rolf Schwarz kam wieder desöfteren, Deutschmann betreute 1992 auch eine Schulschachgruppe. Die Mannschaft (mit den ortsansässigen Kiefer und Rainer Schaub) war 1992/93 noch in der Kreisklasse, stieß dann aber 1993/94 über die Bezirksklasse schließlich in die Bereichsliga vor. Im November 1994 errang eine Vierermannschaft einen guten 4. Platz bei der Blitzmeisterschaft des Bezirks: Deutschmann erzielte 17 Punkte aus 25 Partien, Kiefer 20, Schaub 18 und Jens Nissen 20 Punkte.
1994/95 führten nach 5 Runden drei Mannschaften in der Bereichsliga: SW Freiburg, Müllheim und Umkirch. Drei Runden später lag Müllheim mit 14-2 Punkten allein vorn, und dem Aufstieg in die Landesliga stand nichts mehr im Wege.
1995/96 spielten in der Landesliga u.a. Matthias Paul, Jens Nissen, Schäfer, Lehmann. Nach 4 Runden wies man 6-2 Punkte auf. In der letzten Runde war ein Aufstieg noch möglich, aber eine Niederlage machte dieses Ziel zunichte. Diese traumatische Erfahrung in der letzten Runde sollte sich noch zweimal wiederholen.
1996/97 konnte durch die Initiative von Schaub GM Andrej Sokolov, wohnhaft in Belfort, für den Verein gewonnen werden! Der Russe war 1982 Jugendweltmeister und wies 1987 im Alter von 23 eine ELO-Wertung von 2645 auf. In diesem Jahr spielte er in Linares gegen Karpov das Kandidatenfinale um die Herausforderung des seit 1985 amtierenden Weltmeisters Kasparov; er unterlag mit 3,5-7,5. Zwei Jahre später war er beim Turnier in Linares Drittletzter, zog in den Westen und spielte keine grösseren Turniere mehr. Er ist ein sehr starker Weiß-Spieler (fast ausschließlich mit 1.e4). Der Aufstieg in die Verbandsliga wurde natürlich wieder angestrebt, gelang aber nicht.
Nach der Saison 1997/98 hatte Müllheim noch drei Mannschaften gemeldet. Die I. Mannschaft hatte wieder einmal den Aufstieg verpasst, die II. konnte als Vorletzter ihr Spielrecht in der Bezirksklasse wahren, da das Relegationsspiel gegen Sölden II mit 5-3 gewonnen wurde. Müllheim III erreichte gar den Aufstieg in die B-Klasse. Allerdings mußte der Abgang von Sokolov verkraftet werden. Wie Deutschmann schloß er sich dem Bundesligisten Zähringen an.
1998/99 führte die I. Mannschaft in der Landesliga nach 4 Runden mit 8:0 vor Dreisamtal. Im Team gab es eine starke Fraktion aus Bennwihr (Bernard Rehm, Frederic Cote, Patrick Ancel). In der 5. Runde setzte es (zu siebt) eine hohe Niederlage in Schopfheim; und in der 7. Runde verlor man den Anschluß an Spitzenreiter Dreisamtal durch eine 3-5 Niederlage in Münstertal. Dreisamtal konnte sich so mit einem 4-4 in der direkten Begegnung den Aufstieg in die Verbandsliga sichern. An den ersten drei Brettern erzielte Müllheim allerdings 2,5 Punkte: Kiefer remisierte gegen Kaenel, Schaub gewann mit Schwarz gegen Max Scherer und Nandor Vilagos mit Weiß an Brett 3. In der Bestenliste figurierten Schaub und Kiefer mit 6,5/8 weit vorn.
In der Saison 1999/2000 war Volker Stolle zum Verein gestossen. Gleich zu Beginn war eine 1,5-6,5 Niederlage gegen Waldkirch II zu verschmerzen. Am 8. Spieltag siegte man in Oberwinden (Kiefer verlor allerdings unglücklich gegen Friedhelm Trenkle) und stand dennoch mit 6-10 Punkten abstiegsgefährdet. In der letzten Runde wurde zwar Münstertal knapp bezwungen, Oberwinden (gegen Sölden) und Horben (gegen Schwarze Pumpe) spielten aber beide 8 mal Remis und waren nicht mehr einzuholen. Weil es mit Waldshut-Tiengen II und Freiburg 1887 II zwei Absteiger aus der Verbandsliga gab, mußte die I. Mannschaft nun mit 8-10 Punkten als Drittletzter absteigen.
2000/01 erreichte man in der Bereichsklasse zusammen mit Denzlingen 15-3 Punkte, damit war der Wiederaufstieg in die Landesliga geschafft. Dabei gab Neuzugang Hartmut Zirlewagen nur ein Remis ab, Erwin Ritter und Henri-Michel Meyer gewannen alle ihre Partien!
2001/02 wurde die Mannschaft durch Christof Herbrechtsmeier am Spitzenbrett verstärkt. Man liebäugelte wieder mit einem Aufstieg in die Verbandsliga, aber Kiefer und Schaub spielten zu selten. Am Schluß rangierte man mit 11-7 Punkten auf Platz 4.
Beigefügt habe ich noch in chronologischer Folge acht bemerkenswerte Partien aus den letzten Jahren: Kiefers sehenswerter Mattangriff in einer Pokalpartie gegen den georgischen IM Kekelidze, eine Glanzpartie von Deutschmann mit Schwarz, eine Benoni-Demonstration von Schaub, Sokolovs Behandlung gegen den Owen-Aufbau von Max Scherer, ein schmeichelhaftes Remis von Meyer gegen 1.b3 an einem Einzelbrett in einem legendären Kampf gegen Münstertal, meine Pokalpartie gegen Osorio mit dem Eisinger'schen Bauernopfer sowie die kompromißlose Angriffspartie von Vilagos gegen Carmen Paul.
Download der kommentierten Partien: pgn cbv
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Fink,M (1840) - Deutschmann,M (2118) [C60]
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Perez,J (2016) - Schaub,R (2195) [A68]
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Sokolov,A (2580) - Scherer,M (2295) [C00]
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Popovic,D (2001) - Zirlewagen,H (2014) [C15]
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Paul,C (1922) - Meyer,H (1958) [A01]
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Herbrechtsmeier,C (2308) - Osorios Ortiz,M (2245) [C15]
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Vilagas,N (2018) - Paul,C (1888) [B12]
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