Startseite Rochade Kuppenheim

Betrüger werden in Dortmund mattgesetzt

Schach-Weltmeister Kramnik kämpft mit zeitversetzten Internet-Übertragungen und Metalldetektoren gegen Computer-Doping

Text und Fotos von FM Hartmut Metz, Juni 2007

 

   Das Schachturnier in Dortmund hat dem Doping den Kampf angesagt.Mittelchen, die dem Geist auf die Sprünge helfen, gibt es beim Schach nicht. Das einzige Doping sind Computer – die können aber deutlich schlechter als Epo gespritzt werden. Weil Schachspieler aber findige Menschen sind, hat schon so manch einer mit technischer Raffinesse seiner bescheidenen Kombinationsgabe Flügel verliehen. Beim Sparkassen Chess-Meeting gehen zwar ab Samstag (15 Uhr) acht Weltklasse-Großmeister an den Start, die über jeden Verdacht erhaben scheinen – ein Zeichen wollen sie aber dennoch gegen Betrug und die leidigen Diskussionen darüber setzen.

 

Wladimir Kramnik

Gegen Betrug im Schach: Wladimir Kramnik

 

   Die wichtigsten Veränderungen gegenüber anderen Topturnieren regte Wladimir Kramnik an. Bei seinem Lieblingswettbewerb, den der Weltmeister schon siebenmal gewonnen hat, werden die Züge der Koryphäen erst „mit 15 Minuten Verspätung im Internet übertragen“. Das sei noch immer „wie live“, erschwere Komplizen aber die Arbeit, sagte der in Paris lebende Russe im Interview mit der Hamburger Softwarefirma Chessbase. Gauner konnten bisher in einem Hinterzimmer den gegnerischen Zug sofort in ein Programm einspeisen, berechnen lassen und die stärkste Antwort darauf „ihrem Chef“ auf diversen Pfaden zukommen lassen. In der Viertelstunde Verspätung geschehen bei durchschnittlich drei Minuten Bedenkzeit fünf weitere Züge – weshalb der Komplize immer hinterherhinken würde. Oder sein Mann am Brett wartet, verliert aber dadurch wertvolle Bedenkzeit. Der Betrug gelänge in Dortmund deshalb nur, wenn er ausgetüftelter wäre – wie der erste spektakuläre Fall, der in die Schach-Annalen einging: Ende 1998 hatte der Kreisligaspieler Clemens Allwermann das Open in Böblingen gewonnen. In ein gut verstecktes Handsprechfunkgerät tippte Allwermann die Züge seiner Kontrahenten ein. Die Antworten des Programms „Fritz“ erhielt er dann von einem Handlanger über einen Mini-Ohrhörer zugeflüstert, der unter dem langen Haar versteckt war. Der Coup platzte nur, weil der amateurhafte Prahlhans in der letzten Runde im Siegesrausch Großmeister Sergej Kalinitschew ein „Matt in acht Zügen“ angekündigt hatte – in komplizierter Stellung können das aber nur Computer exakt ermitteln.

   Weil aber mittlerweile auch kleine Schach-Programme auf Handys und Handhelds dem Hirnschmalz wertvolle Hilfe leisten können, will Kramnik alle Geräte verbannen. Ein hessischer Lehrer war bei einem Open ständig auf der Toilette verschwunden. Der aufmerksame Schiedsrichter witterte den Beschiss und verfolgte den Verdächtigen auf das stille Örtchen. Weil keine entlastenden Pinkelgeräusche zu vernehmen waren, lugte der gewitzte Unparteiische zunächst unter der Tür durch – und da er die Füße des Spielers quer zur Schüssel stehend sah, auch darüber: Der ertappte Lehrer bediente mit einem Stift ein Schach-Programm auf seinem Handheld. Um über jeden Zweifel erhaben zu sein, werden der indische Weltranglistenerste Viswanathan Anand&Co. deshalb im Schauspielhaus vor jeder Runde mit einem Metall-Detektor untersucht. Als letzte Gefahrenquelle sieht Kramnik Zeichen aus dem Publikum. „Augenkontakt“ sei jedoch einfach zu verhindern: helles Licht auf der Bühne, Dunkelheit unten auf den Zuschauerplätzen – dann seien alle Schatten von Betrugsversuchen vertrieben, befindet der Weltmeister.

   Wenn nun bei seinem „Heimspiel“ in Dortmund alles mit rechten Dingen zugeht, sollte der russische Rekordsieger mit Anand um Platz eins kämpfen. Allerdings droht eine fiebrige Erkältung Kramnik außer Gefecht zu setzen. Der Weltmeister musste deswegen am Mittwoch auch ein Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin absagen. Chancen rechnet sich ebenso der Ungar Peter Leko (27) aus, der das Turnier bei 15 Teilnahmen zweimal gewann. Gefährliche Außenseiter sind der 16-jährige norwegische Wunderknabe Magnus Carlsen und Schachrijar Mamedjarow, Weltranglistensechster aus Aserbaidschan. Boris Gelfand (Israel), der russische Meister Jewgeni Alexejew und der deutsche Champion Arkadij Naiditsch ergänzen das Klassefeld. Der 21-jährige Lokalmatador hatte 2005 ganz ohne elektronische Hilfsmittel das Dortmunder Chess-Meeting gewonnen – der Sieg des aktuellen Weltranglisten-51. war also eine echte Sensation.


Meko 2007
Meko-Übersicht
Startseite