Startseite Rochade Kuppenheim

Württemberg gewinnt erstmals den Bodensee-Cup

Schweiz und Badischer Schachverband überraschend nur auf den Plätzen

von FM Hartmut Metz, 26. Mai 2007

 

   Der Schachverband Württemberg hat in Steißlingen zum ersten Mal den Bodensee-Cup gewonnen. Bei der zwölften Auflage setzten sich die zwölf Württemberger mit 4:2 Punkten durch. Die beiden Rekordsieger, der Schweizerische Schachbund und der Badische Schachverband (beide 3:3), mussten sich mit den Plätzen zufriedengeben. Die mitfavorisierte Auswahl des Bayerischen Schachbundes (2:4) belegte nur den letzten Platz. Die Bayern konnten lediglich in der Schlussrunde den neuen Bodensee-Cup-Sieger mit 7,5:4,5 bezwingen und stellten mit Großmeister Uwe Bönsch den besten Spieler. Der deutsche Nationaltrainer vom Bundesligisten TV Tegernsee gewann am zweiten Brett als einziger Teilnehmer alle drei Partien.

   Württemberg legte den Grundstein für den größten Erfolg der vergangenen Jahre mit zwei Kantersiegen über Titelverteidiger Schweiz (8:4) und Baden (7,5:4,5). Die beiden Letztgenannten trennten sich in der dritten Runde 6:6, wodurch die Schweiz mit 18:18 Brettpunkten hauchdünn vor den Gastgebern (17,5:18,5) blieb.

   Bei Baden überzeugte an Brett vier Raoul Strohhäker. Das Talent vom OSC Baden-Baden gab nur ein Remis ab. Der Bietigheimer Günther Beikert, der für Oberligist SC Viernheim ans Brett geht, holte eine Position davor zwei Siege. Mit einem Sieg und zwei Remis schlug sich auch Spitzenspieler Ludger Keitlinghaus (OSC Baden-Baden) sehr gut in den drei Großmeister-Duellen. Keitlinghaus kommentiert nachstehend seinen schönen Kurzsieg über Michael Prusikin (Bayern).

 










Keitlinghaus,Ludger (2477) - Prusikin,Michael (2567) [C02]
Bodenseecup 2007, Bayern - Baden 5:7 (1.1), 04.05.2007
[Partie-Kommentare von Keitlinghaus /Metz ]

1.e4 e6 2.d4 d5 3.e5 Weiß überschreitet mit einem Zentrumsbauern die 4.Reihe. Aaron Nimzowitsch hat diese Variante populär gemacht und sie trägt nun seinen Namen. Neben dem Vorposten verfügt der Anziehende nun über langfristigen Raumvorteil und damit verbunden über Angriffspotenzial gegen den schwarzen König. Nimzowitsch wies richtigerweise darauf hin, dass Weiß in der Folge nicht die Bauernkette d4/e5 um jeden Preis halten muss, wenn die zu erwartenden Hebel c7-c5 oder f7-f6 kommen. Weiß bietet sich nach einer Auflösung des Zentrums oft die Möglichkeit, die Felder d4 und e5 mit Figuren zu besetzen. Diese Erkenntnis, die Nimzowitsch unter anderem in seinem Buch "Mein System" begründete, stellt nach allgemeiner Meinung das Hauptverdienst Aaron Nimzowitschs um diese Variante dar. 3...c5 4.c3 Sc6 5.Sf3 Ld7 6.Le2 Hier kann Weiß auch zu [6.a3 greifen. Der Läufer soll dann nach d3 gehen.] 6...Sge7 7.Sa3!? Dieser Zug, der den Damenspringer auf ein Bereitstellungsfeld entwickelt, von dem er sich auf ein weiteres Bereitstellungsfeld (c2) bewegen soll, um erst dann in den Kampf einzugreifen, ist überraschend, zumal mit 7.0-0 eine solide Alternative besteht. Der Punkt d4 ist nämlich hinreichend geschützt. Ein Beispiel: [7.0-0 cxd4 8.cxd4 Sf5 9.Sc3 und 9...Db6 kann mit 10.Sa4 beantwortet werden. Warum spielt Weiß also 7.Sa3? Die Antwort lautet - wie so oft im Schach - hier: "Der Zug ist aus Erfahrung gut." Das Copyright darauf dürfte der große Bobby Fischer haben, der dieselbe Aussage bezüglich 1.e4 traf. Schachspieler sind immer auch Empiriker.] 7...Sg6 8.h4!? cxd4 9.cxd4 Lb4+ 10.Kf1 Weiß "opfert" die Rochade-Möglichkeit, um seinen Raumvorteil zu stabilisieren. Auf [10.Ld2 wäre 10...Db6 gefolgt, woraufhin Weiß vermutlich einen Bauern verlieren wird. Allerdings wäre auch das ein "Opfer": 11.Sc2 Lxd2+ 12.Dxd2 Dxb2 13.0-0 Db6 14.h5 Sge7 Deshalb ist nach 10.Ld2 die Position unklar.] 10...Le7 Bis zu diesem Zeitpunkt spielte mein Gegner sehr schnell, offensichtlich war die ganze Variante vorbereitet. Die Datenbanken spucken zu dieser Stellung noch sechs Partien aus. Verweilen wir also ein wenig an dieser Stelle und prüfen die Sachlage: Weiß hat einen Bauern zu decken auf h4. Zieht dieser vor, so wird der schwarze Springer nach h4 gehen, das heißt, dieser hat im Moment noch ein komfortables Ausweichfeld. 11.h5 [Bietet sich nicht 11.g3 an, um nach 11...0-0 12.h5 Sh8 13.h6 zu spielen? Nein, denn auf h8 steht der Springer blendend, Schwarz wird f7-f6 spielen und den Springer nach f7 bewegen. Schwarz befindet sich in dieser Variante keinesfalls im Nachteil.] 11...Sh4 Der schwarze Springer kann nicht auf das eigentlich attraktive Feld h8 ausweichen, da dieses besetzt ist. Schade eigentlich. Auf f8 dagegen hat der Springer nichts zu suchen, unter anderem weil er nicht nach d7 gehen kann. 12.Se1! Eine schwierige Entscheidung, längere Zeit schien mir [12.Sxh4 Lxh4 attraktiv, um dann den Le2 via d3 oder b5 zu aktivieren und die Dame nach g4 zu stellen. Die Möglichkeiten des Schwarzen sind dann aber nicht zu unterschätzen. Weiß verliert im Zentrum an Halt. Das paradoxe 12.Se1! isoliert hingegen den nach h4 vorgepreschten schwarzen Springer.] 12...0-0 13.Sac2 Weiß spielt nun die merkwürdige Struktur "Sc2, Le2, Se1, Kf1", die einer traditionellen Einschätzung entsprechend ungünstig sein sollte. Hier liegt aber der Spezialfall vor, dass der schwarze Springer isoliert ist und zum Angriffsziel werden kann. Der eigentlich wünschenswerte Zug mit dem f-Bauern würde nun jeweils nach 14.g3 den auf h4 verirrten Springer kosten. 13...Db6 14.h6 Ich versprach mir mehr von dem Zug, übersah dabei allerdings etwas. 14...g5!? Das Prädikat "!?" (beachtlicher Zug) bekommt diese Fortsetzung wegen des Mutes, der erforderlich ist, um diesen wahrlich nicht standardgemäßen Zug auszuführen. Vermutlich hatte Schwarz ebenso wie ich die folgende Variante als ungünstig eingeschätzt: [14...g6 15.g3 Sf5 16.g4?! (Besser ist 16.Sf3 Ld8 mit unklarer Stellung.) 16...Sh4 (16...Sfxd4 17.Le3 Lc5 18.b4 Sxe2 19.bxc5 Dc7 20.Dxe2 Dxe5 21.Tb1 Dc7 und Weiß sollte ungeachtet der etwas unglücklichen Figurenstellung doch gewinnen.) 17.Txh4 Lxh4 18.g5 Beide Seiten übersahen jedoch den Konter 18...Sxe5! 19.Sg2 (19.dxe5?? verbietet sich wegen 19...Dxf2# ) 19...Lxf2! 20.Kxf2 Sc4 mit besseren Chancen für den Nachziehenden.] 15.Ld3! Droht das Qualitätsopfer auf h4. 15...Kh8 [15...Sxd4?? 16.Txh4 gxh4 17.Dg4+ Kh8 18.Dg7# ] 16.Dh5! Weiß macht Druck und versucht die strukturellen Schwächen im schwarzen Lager auszunutzen. Hier erwartete ich 16...Dd8 mit komplizierter und leicht besserer Stellung für Weiß. 16...f6!? Wie mir mein Gegner einen Tag später sagte, fühlte er sich nach 16.Dh5! überspielt und griff eher aus Verzweiflung zu 16...f6. Die passiv wirkende Stellung im Falle von 16...Dd8 wollte sich Prusikin nicht zumuten. Auch ich war wegen 12.Se1!, 15.Ld3! und 16.Dh5! recht zufrieden mit meiner Stellung und witterte wegen des hübschen Plans der Springerisolierung auch gewinnbringenden Vorteil - leider leben wir aber im Zeitalter des Flughunds, und ein Computer sieht mittlerweile in einigen Stellungen mehr als die weltbesten Schachspieler. Weiß steht in der Tat besser, allerdings ist sein Vorteil nur gering. 17.exf6 Sxd4?? Schwarz muss mit [17...Lxf6 fortsetzen. Nach 18.Lxg5 Sf5 verfügt er über nur wenig Nachteil! 19.Lxf5 exf5 20.Lxf6+ Txf6 und Schwarz besitzt gewisse Kompensation für den verlorenen Bauern.] 18.fxe7! Der Zug kostet Überwindung, gerät doch der weiße König danach gleich in ein Abzugsschach. 18...Txf2+ [18...Sxc2 19.exf8D+ Txf8 20.De2 ist hoffnungslos für Prusikin.] 19.Kxf2 Weiß setzt seinen König sieben möglichen Abzugsschachs aus! Doch keines ist wirklich gefährlich. 19...Sxc2+ [19...Sdf5+ pariert 20.Se3 ] 20.Ke2 Sd4+ 21.Kd1 e5 22.Txh4 Der isolierte Springer wird vom Brett entfernt, was dieser "Psycho-Partie" einen thematischen Schlusszug gibt. 1-0

 

Ergebnisse des Bodensee-Cups in Steißlingen: Schweiz – Württemberg 4:8, Bayern - Baden 5:7, Bayern – Schweiz 4:8, Baden - Württemberg 4,5:7,5, Württemberg – Bayern 4,5:7,5, Schweiz – Baden 6:6.

Endstand: 1. Württemberg 4:2 Punkte (20:16 Brettpunkte), 2. Schweiz 3:3 (18:18), 3. Baden 3:3 (17,5:18,5), 4. Bayern 2:4 (16,5:19,5).


Meko 2007
Meko-Übersicht
Startseite