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Navara brilliert in erstklassigem Feld

Das "weltmeisterliche" Schnellschach-Open in Mainz zieht 762 Spieler an

von FM Hartmut Metz, 02. September 2007

 

Die offenen Schnellschach-Turniere bei den Chess Classic Mainz ziehen die Massen an. Das liegt weniger am Preisgeld von 40 000 Euro. Die Amateure pilgern vor allem zum zweitägigen Ordix Open, um sich vielleicht einmal mit einem Großmeister aus der Weltelite messen zu können. Gelegenheiten bieten sich dafür genügend: Die Teilnehmerzahl schwoll nicht nur von 632 auf den neuen Rekordstand von 762 Spielern an. Unter diesen trug auch fast ein Viertel, exakt 184, einen Meister-Titel des Schach-Weltverbandes FIDE. "Die Top Ten bieten einen ,weltmeisterlichen' Ratingschnitt von 2714 Elo-Punkten", heißt es stolz auf der Webseite der Chess Classic.

Die Klasse bestätigt in der Tat der Endstand: Nach elf Runden fand sich der Weltranglistenvierte Wassili Iwantschuk, der in der nächsten Liste im Oktober auf Platz zwei klettern dürfte, nur auf Position 14! Mit ebenfalls 8,5:2,5 Punkten folgen direkt dahinter der jüngste Großmeister aller Zeiten, Sergej Karjakin (beide Ukraine), der ehemalige Weltranglistenfünfte Jewgeni Barejew (Russland) oder Ex-Vizeweltmeister Gata Kamsky (USA). Auf den Plätzen 32 und 34 versammelten sich die einstigen WM-Kandidaten Wladimir Akopjan (Armenien) und Alexej Schirow (Spanien/beide 8:3) - dazwischen lag der in zwei Wochen bei der WM-Endrunde startende Russe Alexander Grischuk.

Angesichts des illustren Kreises kam der Sieg von David Navara einer Überraschung gleich. In zehn Runden hatte der 22-Jährige nur ein Remis abgegeben! Nach diesem schier makellosen Ergebnis verzichtete Navara auf eine Zugwiederholung und das Remis gegen Krishnan Sasikiran - und verlor. Der Inder schloss somit ebenso wie der zweitplatzierte Georgier Michail Mchedlischwili (alle 9,5:1,5) auf. Navara blieb jedoch wegen der besten Fortschrittswertung Erster. Im nächsten Jahr darf er sich nun in Mainz mit Titelverteidiger Viswanathan Anand (Indien), Lewon Aronjan (Armenien) und Viorel Bologan (Moldawien) im Kampf um die Schnellschach-WM messen.

David Navara
David Navara

In der vorletzten Runde machte Navara Platz eins vorzeitig perfekt. Er bezwang den viertplatzierten Tigran Petrosjan (8,5:2,5). Der Namensvetter des 1984 verstorbenen armenischen Schach-Nationalhelden hatte bei einem Internet-Turnier vor mehr als 1 500 Spielern die Einladung nach Mainz gewonnen.











Petrosjan (2613) - Navara (2656)
Ordix Open Chess Classic Mainz, 19.08.2007

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Lc4 Sf6 5.e5 d5 6.Lb5 Se4 7.Sxd4 Ld7 8.Lxc6 bxc6 9.0-0 Lc5 10.f3 Sg5 11.Le3 De7 12.f4 Mit dem zweiten Bauernzug hat Weiß Zeit für die Stabilisierung seines Zentrums gewonnen. Dafür erhält allerdings der Springer wieder den schönen Vorposten auf e4. 12...Se4 13.Sd2 f5 14.Sxe4 Den starken Springer lässt man ungern leben. Angesichts der Dominanz des befestigten Springers verzichtet Petrosjan darauf, um ihn herum zu spielen. 14...fxe4 15.Dd2 [ 15.Dh5+ g6 16.Dh6 erschwert zunächst schwarzes Gegenspiel am Königsflügel. Allerdings steht die weiße Dame dann im Abseits, was zum Problem werden könnte.] 15...Lb6 16.Sb3 g5!? Navara scheut keine offene Stellung. Das zeigte sich auch in anderen Partien in Mainz, in denen er selbst ohne Rücksicht auf den eigenen König die Stellung aufriss. 17.f5?! [ 17.c4 ist ein interessanter Gegenstoß, der die schwarze Bauernphalanx konsequent unterminiert. 17...gxf4 18.Txf4 dxc4 ( 18...Dxe5?? bedroht zwar den Turm, weil der Läufer gefesselt ist - 19.c5 hebt jedoch diese auf und gewinnt eine Figur.) 19.Sa5 0-0-0 20.Sxc4 sieht reichlich verwegen aus. Schwarz besitzt allerdings keinen gefährlichen Abzug mit dem Läufer. 20...Le6 21.Sxb6+ cxb6 22.Dc3 Kb7 23.Tc1 ( 23.Txe4?! gewährt dem Nachziehenden starkes Gegenspiel für den Bauern. 23...Ld5 24.Tg4 ( 24.Ta4!? ) 24...Thg8 25.Txg8 Txg8 26.g3 Dh4 27.Dd3 Dh3 28.De2 h5 29.Lf4 h4 30.Df1 De6 ) 23...Ld5 24.Tf6 führt zum Ausgleich.; 17.fxg5 Dxg5 18.Tae1 Dxe5 19.c4 dxc4 20.Db4! Le6 21.Sc5 ist eine weitere interessante Möglichkeit.] 17...Dxe5 18.Lxb6 cxb6 19.Dxg5 Tf8 20.c3 Df6 21.Dh5+ Tf7 22.Sd4 0-0-0 23.b4 Tg8 Navara hat die Entwicklung abgeschlossen und geht zum Angriff über. Die letzten Züge machte er mit der erstaunlichen Präzision eines Programms! 24.Tf2 e3 25.Tf3? [ 25.Te2 hält noch soeben das Gleichgewicht. 25...c5! 26.bxc5 bxc5 27.Se6 Lxe6 28.fxe6 Dxe6 29.Td1 Tgf8 30.h3 Tf2 31.Txd5 Kb8 ( Riskant ist 31...De4 32.Txc5+ Kb8 33.Tg5 Dd3 34.Dh6! Dxe2 35.Dd6+ Kb7 ( 35...Ka8?? 36.Dc6+ Kb8 37.Tb5+ Dxb5 38.Dxb5+ Ka8 39.Dd5+ Kb8 40.De5+ Kb7 41.Dxe3+- ) 36.Dd7+ Kb6 37.De6+ Kb7 38.Tg7+ T2f7 39.Txf7+ Txf7 40.Dxf7+ Kb6 mit Dauerschach. Das Damenendspiel kann Weiß wegen des vorgerückten schwarzen e-Bauern nicht gewinnen.) 32.Te5 Dc6 33.Dg4 h5 34.Dg3 h4 35.Dg4 T8f4 36.Dg8+ Tf8 37.Dg4 T8f4 mit Remisschluss.] 25...Tfg7 26.g3 Tg5 27.Dh3 Öffnet, wie schon erwähnt, furchtlos die Königsstellung, um nachzusetzen. 27...c5! 28.bxc5 bxc5 29.Sb3 Txf5 30.Dxh7? Petrosjan stolpert endgültig. [ 30.Txf5 Lxf5 31.Df1 Tf8 32.Sxc5 Db6 33.Sa4 Dc6 34.Sb2 leistet weiter Widerstand.] 30...Txf3! 31.Dxg8+ Kc7 32.Sxc5 e2 33.Db8+! Auf diesen Trick hat sich Petrosjan vermutlich verlassen. 33...Kc6! Navara hat jedoch tiefer gerechnet. [ Bloß nicht 33...Kxb8?? 34.Sxd7+ Kc7 35.Sxf6 Txf6 36.Te1 Tc6 37.Txe2 Txc3 38.Kg2 und Weiß gewinnt das Turmendspiel dank der zwei verbundenen Bauern.] 34.Sxd7 Tf1+ 35.Kg2 Df3+ 36.Kh3 Df5+ 37.Kg2 De4+ 38.Kh3 Txa1 39.Dc8+ [ 39.Se5+ widerlegt Schwarz mühelos mittels 39...Dxe5 40.Dxe5 e1D ] 39...Kd6 40.Sf8 e1D 41.Dd8+ Kc6 42.Dc8+ Kb5 43.Db7+ Kc4 44.Db3+ Kd3 45.c4+ Dc3 46.Sd7 Petrosjan könnte natürlich genauso gut aufgeben, er möchte jedoch noch einen kleinen Gag anbringen, auf den Navara - offenbar vom gleichen Humor beseelt - eingeht. 46...Dxb3 [ Humorloser wäre das Matt in sieben Zügen gewesen: 46...Df5+ 47.g4 Dh7+ 48.Kg2 De4+ 49.Kh3 De3+ 50.Kh4 Dh6+ 51.Kg3 Tg1+ 52.Kf2 De3# ] 47.Sc5+ Ein seltenes Bild: Ein Springer gabelt neben dem König auch noch gleich zwei Damen! Danach streckte Petrosjan wohl trotz der Niederlage mit einem Schmunzeln die Waffen. 0-1




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