Startseite Rochade Kuppenheim

Erfolgreiche gallische Nachwuchsarbeit

16-jähriger Vachier-Lagrave brilliert bei französischer Meisterschaft

von FM Hartmut Metz, 08. September 2007

 

Das französische Schach hat in den vergangenen 15 Jahren enorme Fortschritte erzielt. Fuhren die Badener noch in den 90ern über den Rhein, um bei den Blitzturnieren abzukassieren, besitzt die Féderation Française des Échecs (FFE) mittlerweile einige hochkarätige Großmeister. Die konsequente Förderung der größten Talente hat gefruchtet: Mit Joël Lautier und Etienne Bacrot etablierten die Franzosen zwei Spieler in der Weltspitze. Lautier hängte zwar mittlerweile den Schachsport an den Nagel und verdingt sich als eloquentes Sprachgenie in der russischen Wirtschaft. Aber Bacrot hatte dem ersten Aushängeschild bereits ohnehin den Rang abgelaufen und kletterte zwischenzeitlich bis auf Platz neun der Weltrangliste.

Im März 1997 wurde Bacrot im Alter von 14 Jahren und zwei Monaten jüngster Großmeister aller Zeiten. Den Rekord knüpfte ihm aber schon im darauffolgenden Dezember der Ukrainer Ruslan Ponomarjow (14 Jahre und 17 Tage) ab. Heute hält diesen sein 17-jähriger Landsmann Sergej Karjakin, der mit zwölf Jahren und sieben Monaten den höchsten Titel des Schach-Weltverbandes FIDE eroberte. Französischer Rekordhalter blieb Bacrot - allerdings nur hauchdünn. Dem Großmeister aus der Picardie rückte Maxime Vachier-Lagrave 2005 auf die Pelle. Mit 14 Jahren und vier Monaten nimmt die neue große Schach-Hoffnung der "Grande Nation" Platz acht in der ewigen Liste der jüngsten Großmeister aller Zeiten ein.

Sein Können bewies der in der Bundesliga an Brett vier für den SV Mülheim-Nord spielende 16-Jährige bei der französischen Meisterschaft in Aix-les-Bains. Mit 7,5:3,5 Punkten erreichte Vachier-Lagrave nicht nur einen Stichkampf gegen Wladislaw Tkatschiew. Der Junge schlug den Europameister auch nach zwei Remis im Schnellschach in dessen Spezialdisziplin, dem Blitzschach, mit 2:0. Damit wird sich der neue gallische Champion dank einer Verbesserung um 23 auf 2618 Elo erstmals über die einst so magische 2600er-Grenze schieben.

Beeindruckend war in Aix-les-Bains vor allem der Sieg des Jungstars in der vorletzten Runde. Gegen Robert Fontaine scheute Vachier-Lagrave kein Risiko, um zum führenden Tkatschiew aufschließen zu können. Sein Hasardspiel mit Qualitäts- und dann Damenopfer wurde belohnt! Sein Kontrahent patzte und geriet in eine herrliche Mattkombination.











Fontaine (2567) - Vachier-Lagrave (2595)
Franzoesische Meisterschaft Aix-les-Bains, 23.08.2007

1.Sf3 f5 2.d4 Sf6 3.g3 g6 4.Lg2 Lg7 5.0-0 0-0 6.c4 d6 7.Sc3 Sc6 Die Leningrader-Variante in der Holländischen-Verteidigung gilt besonders mit diesem Springerzug als sehr zweischneidig. Sicherere Fortsetzungen sind c6 und De8. 8.b3 [ 8.d5 ist eine natürliche Fortsetzung, die zunächst den e7-Bauern im Zaum hält. 8...Sa5 9.Sd2 c5 10.Dc2 hat sich für Weiß bewährt.] 8...e5 9.dxe5 dxe5 10.La3 e4?! Schwarz spielt mit dem Feuer. Das Qualitätsopfer gilt als nicht nachhaltig genug für den Nachziehenden - immerhin unterstreicht es die Ambitionen des Jungstars, alles zu riskieren. Schwarz kann auch ganz normal mit [ 10...Te8 fortsetzen.] 11.Lxf8 Dxf8 12.Sd4 Sxd4 13.Dxd4 Le6 14.Dd2 Nimmt die Dame aus dem drohenden Abzug mittels Sd5 und Eroberung des Springers auf c3 heraus. 14...h5!? Im ersten Moment sieht es gut für Schwarz aus, durch [ 14...Td8 die d-Linie in Beschlag zu nehmen. Doch die Eroberung bleibt nur von kurzer Dauer. 15.Dc1! ( 15.Dc2 gibt dem Nachziehenden die Gelegenheit zu 15...e3! 16.Tad1 ( 16.fxe3 Sg4 17.Tf3 Lh6© mit Gegenspiel.) 16...exf2+ 17.Kh1 Sg4 18.Txd8 Dxd8 19.Sd1 c6 und in Lesiege - Zugic, Montreal 1999, stand Weiß nur etwas besser.) 15...c6 16.Tb1 h5 17.Td1 Te8 Turmtausch käme dem Anziehenden entgegen. 18.e3 h4 19.Se2 hxg3 20.hxg3 Sg4 21.Sf4 Lf7 22.Td7 Tb8 23.Dd2 und in Bormida Adolfo - Frank Mario Alberto, Pappier Memorial B 1998, setzte sich letztlich Weiß durch.] 15.Tad1 h4 16.Dg5?! Die erste Ungenauigkeit. Gleich [ 16.Sb5 Df7 17.Df4 hxg3 18.fxg3 c6 19.Sd6 ist vielversprechender.] 16...Kf7 17.Df4 Dc5 18.Sb5 [ 18.g4!? empfiehlt der russische Großmeister Ruslan Scherbakow in der Internet-Zeitschrift "Chess Today" und hält den Konter 18...h3!? für unzureichend: 19.Lxh3 Th8 20.gxf5 gxf5 21.Sa4!? Da5 22.De3 Lf8 23.Kh1 ] 18...hxg3 19.hxg3 Tc8 20.Sd4 Ld7 21.g4? Der Vorstoß kommt im falschen Moment und befördert nur die noch eingeschränkt aktiven schwarzen Figuren auf aktivere Felder. [ 21.Sc2 Le6 22.De3 Da5 23.f3! exf3 24.Dxf3 c6 25.e4 fxe4 26.Dxe4 Lf5 27.De1 Dxe1 ( 27...Dxa2? 28.Sd4 Te8 29.Db4 Lc8 30.Dc3! Droht Damenfang durch Ta1. 30...Da6 31.c5 Kg8 32.Ta1 Se4 33.De3 Td8 34.Sc2 Lxa1 35.Txa1 Dd3 36.Lxe4 Dxe3+ 37.Sxe3 Te8 38.Ta4 mit Mehrfigur.) 28.Sxe1 und das Endspiel kann Schwarz kaum halten.] 21...Sxg4 22.Sxf5? Fontaine sollte mittlerweile weniger forsch zu Werke gehen. Angebracht ist [ 22.Sf3 De7 23.Sg5+ Ke8 24.Sh3 Le5 25.Dd2 Lc6 26.Dg5 mit minimalem schwarzen Vorteil.] 22...Lxf5 23.Td5 23...Dxd5!? Vachier-Lagrave scheint sich magisch zum Opferspiel hingezogen zu fühlen. Nach [ 23...Df8!? 24.f3 ( 24.Lxe4 Sf6 25.Txf5 ( 25.Td4?? Sxe4 26.Txe4 Kg8 27.Te3 Lh6 ) 25...gxf5 26.Lxf5 Lh6 27.Dg3 Td8 28.Dxc7+ De7 29.Dxe7+ Kxe7 sieht Schwarz etwas im Vorteil.) 24...exf3 25.Lxf3 Sf6 26.Txf5! gxf5 27.Dxf5 c6 28.Lg4 Te8 ( 28...Td8? stellt den eigenen König bloß. 29.De6+ Kg6 30.Lf5+ Kh5 31.De3 De8 32.Df3+ Kh6 33.Df4+ Kh5 34.Kf2 ) 29.Lh5+ Kg8 30.Lxe8 Dxe8 dürfte Weiß ein Unentschieden verteidigen.] 24.cxd5 Le5 25.Dc1 Lh2+ 26.Kh1 Th8 27.Dc4 Ld6+ 28.Kg1 Lh2+ 29.Kh1 Schwarz kann jederzeit remisieren, wenn ihm danach ist. Doch Vachier-Lagrave stellt seinen Kontrahenten erst noch einmal auf die Probe. 29...b5! 30.Dxb5? Reingefallen! Allein [ 30.Dc6! hält die Stellung im Gleichgewicht. Da jedes schwarze Feld für die Dame wegen des Abzugsschachs tabu ist, blieben nur c6 und c2 - und letzteres Feld scheidet wegen des Bauernzuges e3 ja auch aus. 30...e3 31.Lf3 Sxf2+ 32.Txf2 exf2 33.Kg2 Lg3 34.Kxg3 f1D 35.Dxc7+ Kf6 36.Dc3+ Kg5 37.De3+ ( 37.Dxh8 Dg1+ 38.Lg2 De3+ 39.Kh2 Df4+ 40.Kh1 Dc1+ 41.Kh2 Df4+ ) 37...Kf6 38.Dd4+ mit Dauerschach.] 30...e3! 31.Lf3 [ 31.fxe3 Lf4+ 32.Lh3 ( 32.Kg1 Lxe3+ 33.Tf2 Lxf2+ 34.Kf1 Lb6 mit Gewinn.) 32...Txh3+ 33.Kg1 Lh2+ 34.Kg2 Sxe3+ 35.Kf2 Sxf1 36.Kxf1 Ld6 sollte der Nachziehende zum Sieg verdichten können.] 31...Sxf2+ 32.Txf2 [ 32.Kg2 verliert wegen 32...Lh3+ 33.Kxh2 Ld7+-+ 34.Kg2 Lxb5 ] 32...exf2 33.Kg2 Lg1 34.Dc6? [ 34.Kf1! erschwert Vachier-Lagrave den Gewinn. 34...Th2 35.Lg2 Txg2! 36.Dc4! ( 36.Kxg2? Lh3+! 37.Kxh3 f1D+ 38.Kg3 Df2+ 39.Kh3 Dh2+ 40.Kg4 Dg2+ 41.Kf4 g5+! 42.Kf5 Dh3+ 43.Ke4 ( 43.Kxg5 Le3# ) 43...De3+ 44.Kf5 Df4# ) 36...Th2 37.Dxc7+ ( 37.d6+ reicht auch nicht: 37...Kf8 38.Df4 Ke8 39.Da4+ Kd8 40.dxc7+ Kxc7 41.Dxa7+ Kd6 42.Dd4+ Ke6 43.Dc4+ Kf6 44.Dd4+ Kf7 45.Dc4+ Kg7 46.Dc7+ Kh6 47.Df4+ Kh5 48.De5 Th4 49.Dh8+ Kg4 und Weiß findet kein Dauerschach, weshalb entweder Lh3+ oder ein Turmschach auf d1 oder c1 irgendwann entscheiden wird.) 37...Kg8 38.Db8+ Kh7 39.Dc7+ Kh6 40.Df4+ Kh5 41.De5 Th4 42.Dh8+ Kg4 mit Übergang in die Variante mit 37.d6.] 34...Th2+ 35.Kg3 35...f1S+!! Diese herrliche Unterverwandlung dürfte Fontaine entgangen sein. Schwarz forciert danach ein Matt! [ 35...f1D?? gestattet hingegen ein Dauerschach nach bekanntem Muster: 36.Dxc7+ Ke8 ( 36...Kg8 37.Dd8+ Kh7 38.De7+ Kh6 39.Df8+ Kg5 40.De7+ ) 37.De5+ Kd7 38.Dg7+ Kc8 39.Dc3+ Kb8 40.De5+ Kb7 41.De7+ Kb6 42.Db4+ Ka6 43.Dc4+ ] 36.Kf4 Th4+ 37.Kg5 Was jetzt? Der König attackiert den Turm - und der hat kein Schach mehr. 37...Le3+!! Prächtig! 38.Kxh4 g5+ 39.Kh5 Sg3+ und Weiß gab auf, ohne dem wackeren Gegner das wundervolle Matt nach [ 39...Sg3+ 40.Kh6 g4# zu gönnen.] 0-1




Meko 2007
Meko-Übersicht
Startseite