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"Der Prophet von Muggensturm"

Teil II zum 100. Geburtstag: Röss'l-Mitglied Diemer sorgt für Donner-Grollen

von FM Hartmut Metz, 25. Mai 2008

 

Emil Joseph Diemer ist nicht nur wegen seines Blackmar-Diemer-Gambits in die Schach-Geschichte eingegangen. Die Anhänger des königlichen Spiels haben den gebürtigen Baden-Badener, der in der Vorwoche 100 Jahre alt geworden wäre, auch als "Prophet von Muggensturm" in Erinnerung. Durch Zufall verschlug es ihn 1953 in das Dorf. "Die Caissa Rastatt warb ihn von Freiburg 1887 ab und konnte Diemer aber dann nicht finanzieren", erzählt Rolf Gräfinger. In der Presse stand daraufhin zu lesen: Muggensturm "war schon immer einer der aktivsten Vereine in Mittelbaden. Und nun hat Meister Diemer seine Zelte in Muggensturm aufgeschlagen und gibt den Röss'l-Leuten neuen Auftrieb", heißt es in dem Artikel aus dem Archiv des vieljährigen Vorsitzenden Albert Stoll.

"Wir fanden eine Witwe, die ein Zimmer samt Frühstück für Diemer zur Verfügung stellte", erinnert sich der damalige Röss'l-Chef Robert Kränkel heute noch genau, "er sollte uns trainieren. Aber er spielte nur mit wenigen von uns." Auch in den Mannschaftskämpfen kam Diemer kaum zum Einsatz - weil einige Gegner gleich das erste Brett kampflos abgaben. Das sollte jedoch ein Klacks bleiben im Vergleich zu dem Ärger, den sich Diemer mit dem Deutschen Schachbund (DSB) eingebrockt hatte. Nach persönlichen Attacken gegen die DSB-Spitze wurde der badischen Pokalsieger Ende 1953 aus dem deutschen Verband ausgeschlossen. Kränkel ging als Vereinsboss dagegen vor, jedoch vergebens.

Trotz des Bannstrahls pilgerte der Gesperrte unverdrossen den "Emil-Joseph-Diemer-Weg, wie ihn die Muggensturmer angesichts seiner täglichen Nutzung nannten, nach Rastatt", erzählt Gräfinger. Manch einer hat ihn auch auf einem Fahrrad und mit Steckschach auf der Gabel in Erinnerung. In Rastatt trat der 45-Jährige stets im Café Boos und im Café Moritz an. "Für Kaffee und Kuchen spielte er gegen alle", führt Gräfinger weiter aus. Kränkel befindet mit Blick auf den bettelarmen wie arbeitsscheuen Spieler: "Für ihn gab es immer nur ein Leben - und das war Schach! Etwas anderes gab es für ihn nie!"

Weil Diemer notgedrungen nach der Sperre nur noch international antreten konnte, feierte er Mitte der 50er ein paar schöne Turniererfolge im Ausland, vor allem in den Niederlanden. Der dort ansässige scharfzüngige Großmeister Jan Hein Donner verfasste 1958 einen hämischen Text mit dem Titel "Der Prophet von Muggensturm". Diemers Buch "Vom ersten Zug an auf Matt" fand Donner, sogar "äußerst instruktiv!" Doch der Holländer Donner grollte wegen der vielen einseitigen Partieeinschätzungen des Muggensturmers. Wie ein Prophet wollte Diemer mit seinen Predigten die Leser zum kompromisslosen Angriffsschach bekehren (letzter Teil in der nächsten Schachspalte). In der badischen Meisterschaft 1953 schlug Diemer Werner Lauterbach.











Diemer - Lauterbach [B12]
Badische Meisterschaft Karlsruhe 1953

1.d4 d5 2.e4 c6 3.c4 dxe4 4.Sc3 Sf6 5.f3 Hauptsache im Sinne des Blackmar-Diemer-Gambits mit f3 einen Bauern opfern für offene Linien ... 5...exf3 6.Sxf3 Lg4 7.Le2 e6 8.0-0 Sbd7 9.h3 Lh5 10.g4 Lg6 11.Lf4 Le7 12.a3 Se4 13.Sxe4 Lxe4 14.Ld3 Sc5?! 15.Lc2 Lxc2 16.Dxc2 Sd7 17.Tad1 0-0 18.Kg2 a5 19.h4?! Weiß strebt wie gewohnt mit aller Macht nach Königsangriff - auch wenn das die eigene Stellung schwächt! 19...a4 20.Sg5 g6 21.Th1 Sf6 22.h5?! Der tollkühnen Versuchung kann Diemer natürlich nicht widerstehen. "Solider" ist [ 22.Kg3 , auch wenn danach Schwarz ebenso besser steht.] 22...Sd5!-+ Lauterbach steht nun auf Gewinn. 23.Sh3 Sxf4+ 24.Sxf4 Ld6? [ 24...g5 lässt die h-Linie geschlossen und bläst selbst zur Attacke: 25.Se2 f5-+ Danach ist der weiße Monarch gefährdeter als sein schwarzes Pendant.] 25.hxg6 Lxf4? [ 25...Dg5!? 26.gxh7+ Kh8 27.Se2 Dxg4+ 28.Kf2 Le7 29.Tdg1 Lh4+ 30.Ke3 Lg5+ 31.Kf2 ( 31.Kd3 Df3# ) 31...Lh4+= ergibt wenigstens ein Dauerschach.] 26.g7! Der Zug war Lauterbach entgangen. Das Schlagen auf h7 mit Turm oder Bauer hätte Weiß hingegen nichts eingebracht. 26...Kxg7 27.Dxh7+ Kf6 28.Thf1 Dc7 29.Dh6+ Ke7 30.Txf4+/= Tad8? Danach verliert Schwarz endgültig. [ 30...Tae8 31.Tdf1 Kd8 bleibt in der Remisbreite.] 31.Tdf1 Td7 32.c5 Dd8 33.Te4 f6? [ 33...Ke8 büßt zwar einen Bauern ein, erweist sich indes als zäher. 34.Txe6+! Te7 ( 34...fxe6 35.Dxf8# ) 35.Txe7+ Dxe7 ( 35...Kxe7 36.Te1+ Kd7 37.Dd6+ Kc8 38.Te7 Dxd6 39.cxd6 Td8 40.Tc7+ Kb8 41.Txf7 Txd6 42.Tf4 Td5 43.Kg3 Tb5 44.Tf2 Td5 45.Kf3 Txd4 46.g5 Td6 47.Ke4+- ) 36.Kf2 Kd7 37.Te1 Dd8 38.Dd6+ Kc8 39.Te7 Dxd6 40.cxd6 Td8 41.Txf7 Txd6 42.Ke3 Te6+ 43.Kf3 mit gewonnenem Turmendspiel.] 34.Dg7+ Tf7 35.Txf6!! Df8 [ 35...Txg7 36.Texe6# ] 36.Texe6+ Kd8 37.Dxf8+ 1-0



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