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Deutsche Asse pokern nicht nur gut

Gustafsson und Naiditsch sorgen in Dortmund für Paukenschläge

von FM Hartmut Metz, 19. Juli 2008

 

Für den Platz an der Sonne hat es zum Auftakt des "heißesten" Schach-Halbjahres aller Zeiten in Deutschland mit den folgenden Chess Classic Mainz, der WM in Bonn und der Olympiade in Dresden nicht ganz gereicht. Aber die einheimischen Großmeister bewiesen bei den 36. Dortmunder Schachtagen immerhin, dass sie bei den Top-Veranstaltungen nicht nur als Staffage dienen. Hinter dem Ungarn Peter Leko, der mit 4,5:2,5 Punkten seinen dritten Turniersieg beim Sparkassen Chess-Meeting feierte, belegte Jan Gustafsson mit vier Zählern den geteilten zweiten Rang zusammen mit Vordenkern wie dem Weltranglistenvierten Wassili Iwantschuk (Ukraine).

Das Abschneiden des Hamburgers bei seinem ersten Kräftemessen mit der Elite in Dortmund ist umso erstaunlicher: Zum einen hält sich Gustafsson selbst für "sehr faul und zu feige", sprich er ist remisfreudig. Zum anderen gilt der 29-Jährige mehr als Poker- denn als Schach-Profi. Die Diskussion darüber nervt ihn. Projekte wie das mit dem niederländischen Karten-Millionär Marcel Lüske herausgegebene Pokerbuch befeuern aber die Diskussionen in Schachkreisen. Aber immerhin spielt "Gusti" auch manchmal "ganz gern Schach, um zu Hause rauszukommen". Dass ihm Leko noch mit einem Sieg im direkten Duell den Turniersieg abluchste, trägt die deutsche Nummer drei mit Fassung. Schon vor seiner einzigen Niederlage hatte sich Gustafssons "Traum" erfüllt, die Hälfte der sieben Punkte zu erobern - ganz zu schweigen davon, in Dortmund vor Wladimir Kramnik zu landen.

Der Ex-Weltmeister, der bisher achtmal in Dortmund triumphierte, war von der Rolle und wurde mit 3:4 Zählern Siebter und damit Vorletzter. Lediglich der völlig außer Form befindliche Loek van Wely (1:6) spielte noch miserabler. Gegen den Niederländer und Kramnik fuhr Arkadij Naiditsch schöne Siege ein. So belegte der Baden-Badener Bundesligaspieler in seiner Heimatstadt mit einem ausgeglichenen Ergebnis (3,5:3,5) Platz sechs.











Naiditsch (2624) - van Wely (2677) [B86]
Dortmund, 05.07.2008

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4 e6 7.Lb3 Sbd7 8.Lg5 h6 9.Lh4 In der Auftaktrunde hatte sich Naiditsch gegen Jan Nepomniachtschi für [ 9.Lxf6 entschieden. Die Partie endete letztlich friedlich.] 9...Sc5 [ 9...Da5 wurde von Garri Kasparow gegen Jaan Ehlwest (Skelleftea 1989) in die Turnierpraxis eingeführt. Der neue Weltranglistendritte Alexander Morosewitsch setzte daraufhin mit 10.De2!? Dh5 11.Sf3 fort bei der Olympiade 2002 in Bled gegen Ognjen Cvitan.] 10.De2 Le7 11.0-0-0 0-0 [ Eine Alternative ist 11...Sfxe4!? 12.Sxe4 ( 12.Lxe7 führt zu einer remisträchtigen Stellung: 12...Sxc3 13.Lxd8 Sxe2+ 14.Sxe2 Kxd8 15.Txd6+ Ld7 16.Thd1 Kc7 ) 12...Lxh4 13.Sxc5 Dg5+ 14.Kb1 Dxc5 15.Lxe6 fxe6 16.Sxe6 Lxe6 17.Dxe6+ Kf8 18.The1! ( 18.Txd6 Te8 19.Dg6 Dg5 20.Dd3 Dxg2 21.Td1 De4 dürfte zu zahm sein.) 18...Dc7 19.Txd6 Df7 20.Dg4 ergibt eine unklare Stellung, in der Weiß für die geopferte Figur zwei Bauern und Angriffschancen erhält.] 12.Lg3!?N Eine neue Idee. [ Möglich ist 12.e5 Sfd7 13.Lxe7 Dxe7 14.exd6 Dxd6 15.Kb1 ( Bloß nicht 15.Sxe6?? wegen 15...Sxb3+ 16.axb3 Dxe6 ) 15...Dc7 mit einer ausgeglichenen Stellung.] 12...Dc7? Das verschenkt ein wichtiges Tempo. Der Computer empfiehlt [ 12...e5!? 13.Sf5 Lxf5 14.exf5 Dc8 15.Df3 Sxb3+ 16.axb3 mit beiderseitigen Chancen.] 13.e5! dxe5 14.Lxe5 Da5 [ 14...Sxb3+ sollte eingeschaltet werden - erstaunlicherweise bleibt dafür später keine Zeit.] 15.Kb1 Ld7 [ 15...Sxb3 verliert jetzt einen weiteren Zug, weil die Dame schon wieder ziehen muss. 16.Sxb3 Db6 17.g4 mit prächtigen Angriffschancen.] 16.f4! [ Torpediert 16.g4?! Sce4! 17.Sf3 Lc6 18.Thg1 Tfd8 und der Nachziehende hat keine Probleme.] 16...b5?! [ 16...Tfd8 wirkt solider, auch wenn Weiß nach 17.g4 sicher die weitaus besseren Aussichten behält.] 17.g4 b4 18.g5! bxc3?! Der endgültige Verlustzug. Größere Herausforderungen stellt [ 18...hxg5 19.fxg5 Se8 ( Hübsch wird 19...Sg4 bestraft durch 20.Dxg4 bxc3 21.Dh3!! Sxb3 22.Lxg7!! Kxg7 23.Dh6+ Kg8 24.g6 fxg6 25.Dxg6+ Kh8 26.Dh6+ Kg8 27.Thg1+ ; Als wenig erbaulich erweist sich überdies 19...Sh7 20.g6! fxg6 ( 20...Sf6 21.Sf5!! exf5 22.Lxf6 Sxb3 ( 22...Lxf6 23.Dh5 Tfc8 24.Lxf7+ Kf8 25.Sd5 führt zu einem undeckbaren Matt.) 23.Dxe7 gxf6 24.gxf7+ Kh7 25.De1! und der schwarze Monarch steckt wieder in der Bredouille.) 21.Sd5!! Ld8 22.Lc4 Lb5 23.Sf4 und Weiß steht auf Gewinn.) 20.Sf5! exf5 21.Sd5! Lxg5 ( Oder 21...Ld8 22.Thg1! g6 23.Sf6+ Sxf6 24.gxf6 Sxb3 ( 24...Lb5 25.Txg6+ ) 25.Dh5! mit undeckbarem Matt.) 22.Thg1 Dd8 23.h4! Lh6 ( 23...Lxh4 24.Dh5 Sxb3 25.Lxg7 Sxg7 26.Txg7+ Kxg7 27.Tg1+ Lg5 28.Txg5+ Dxg5 29.Dxg5+ Kh7 30.Sf6+ Kh8 31.Dh6# ) 24.Dh5 Kh7 25.Lf4 Tg8 ( 25...Sxb3 26.Txg7+ Sxg7 27.Dxh6+ Kg8 28.Tg1 ) 26.Dxf7 Lxf4 27.Dg6+ Kh8 28.Tg5!+- Sf6 29.Sxf6 Dxf6 30.Th5+ Lh6 31.Txh6+ gxh6 32.Dxf6+ ] 19.gxf6+- gxf6 [ Nichts ändert 19...Lxf6 20.Lxf6 gxf6 21.Sf5! exf5 22.Dh5 Kh7 23.Lxf7 ] 20.Sf5! Ein prächtiger Angriffszug, der alle schwarzen Figuren endgültig vom Königsflügel abschneidet. 20...exf5 [ 20...Kh7 21.Dh5 exf5 22.Lxf7 Tg8 23.Thg1 erweist sich als hoffnungslos.] 21.Lxc3 [ 21.Dh5! bereitet Schwarz noch schneller den Garaus.] 21...Dd8 22.Dh5 Kh7 Der Monarch muss sich selbst helfen. Die schwarzen Trippelbauern auf der f-Linie halten wie eine Mauer die eigenen Streitkräfte davon ab, Verstärkung heranzubringen. [ 22...Se6 23.Dxh6 ] 23.Thg1 De8 24.Tg3! [ 24.Tde1 erweist sich als einen Tick stärker. 24...Se4 ( 24...Tg8 25.Lxf7 ) 25.Te3! Tg8 26.Dxh6+!! Kxh6 27.Th3# ] 24...Tg8 [ 24...Sxb3 erlaubt erneut den hübschen Abschluss durch 25.Dxh6+!! Kxh6 26.Th3+ Kg7 27.Tg1# ] 25.Lxf7! Plötzlich erwacht der stets abtauschgefährdete Läufer zu neuem Leben. 25...Txg3 26.hxg3! [ 26.hxg3! Schwarz streckte die Waffen angesichts von 26...Df8 27.Dg6+ Kh8 28.Th1! mit folgendem Matteinschlag auf h6.; Dagegen hätte 26.Lxe8? die Aufgabe nochmals kompliziert gestaltet: 26...Lxe8 27.Dxf5+ Lg6 28.Dd5 Le4 29.Dc4 Tg2 und Schwarz lebt noch.] 1-0



Gustafsson
Jan Gustafsson
Naiditsch
Arkadij Naiditsch

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