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Mit guter Laune ein bisschen über Frauen lästern

Schach-Simultan der OSG Baden-Baden: Kuppenheimer Jannik Lorenz schlägt die Großmeister-Riege

Von FM Hartmut Metz, 30. Juli 2008

 

"Es ist eine Gaudi", befindet Thomas Bittner, obwohl ihm der Schach-Weltmeister persönlich gerade eine Lektion im nächsten Jahr androhte. "Der Bursche schlägt uns doch jedes Jahr", hatte Viswanathan Anand kurz zuvor noch mit breitem Grinsen geunkt, ehe tatsächlich die Großmeister-Riege gegen ihren Vereinskameraden der OSG Baden-Baden die Waffen strecken musste.

"Bei meiner Spielstärke ist die Niederlage nicht verwunderlich", meint Landesliga-Spieler Bittner nach dem sechsten Mannschafts-Simultan des deutschen Meisters selbstbewusst. Alle 150 Bretter in der Trinkhalle sind besetzt. Sogar aus der Schweiz und Österreich reisten Schachfans an und sorgen für eine Rekordbeteiligung bei der kostenlosen alljährlichen Veranstaltung mit Kultcharakter.

Bei seiner fünften Teilnahme verbucht Bittner bereits seinen dritten Sieg und remisierte außerdem zweimal. "Nächstes Mal spiele ich ganz alleine gegen dich", ulkt Anand - dann müsste der Inder nicht dauernd mitansehen, wie manche seiner zehn Mitstreiter aus den Bundesliga-Kadern der Damen wie Herren seine tiefgründigen Ideen torpedieren. Ehrgeiz entwickeln vor allem die männlichen Großmeister. "Furchtbar", klagt Fabian Döttling, nachdem vor allem Katja Borulya einen rabenschwarzen Tag erwischt und einzügige Mattdrohungen und Damenverluste übersieht. "Ich bin immer geschockt von den Stellungen", äußert Philipp Schlosser mit einem Augenzwinkern und jammert mit einem Schmunzeln auf den Lippen über sein ungewohntes Schicksal, "ich bin heute der große Aufgeber."

Letztlich nehmen die Profis um den Dänen Peter Heine Nielsen, den deutschen Nationalspieler Rustem Dautov, die Nachwuchstalente Ilya Mutschnik und Frederik Beck, die Litauerin Viktorija Cmilyte, die Muggensturmerin Ketino Kachiani-Gersinska sowie die Kurstädterinnen Katja Borulya und Iamze Tammert die gleich 21 Niederlagen relativ gelassen. Schließlich jubilieren auch jene 29 Amateure, die ein Unentschieden schaffen. Für sie alle bleibt das Mannschafts-Simultan mit Anand ein unvergessliches Erlebnis, zumal sich der perfekt Deutsch parlierende "Tiger von Madras" volksnah gibt und sympathisch mit jedem für ein Erinnerungsfoto posiert. Einmal mehr beweist der Weltmeister, dass er der netteste Tiger der Welt ist.

Nur auf den 64 Feldern kennt er wenig Gnade - aber die Cleveren unter den 150 Spielern zwischen acht und 86 Jahren schlagen los, wenn sich die schwächeren Frauen auf den Rundgang begeben, um abwechselnd die Züge auszuführen. Profitiert der ehemalige badische Seniorenmeister Franz Mayer noch als erster Sieger von einem Damen-Einsteller einer Dame seines Klubs, stiftet manch anderer im richtigen Moment Verwirrung. Der Hördener Norbert Frühe hebelt mit einem Springeropfer eine der Frauen aus, danach kann selbst Anand nichts mehr retten. Glanzvoll gewinnt ebenso der Rastatter Leonid Vyernyy. Obwohl Iamze Tammert das Brett von Töchterchen Anna-Lena meidet, um nicht in den Ruch von Mama-Hilfe zu geraten, punktet die Achtjährige auch grandios. Dafür hatte Papa Günther Tammert, einer der Besten bei der Caissa-Rochade Kuppenheim, hie und da Tipps gegeben. Schon mehr auf sich allein gestellt ist Jannik Lorenz, auch wenn Vater Michael daneben sitzt - der Kuppenheimer hat allerdings selbst genug zu tun, um ein Remis zu ergattern.

Der badische U10-Vizemeister Jannik Lorenz schafft mit gelegentlicher Beratung (auch aus dem Hintergrund durch Velimir Kresovic) die Sensation und setzt sich dank eines hübschen Tricks durch. Während Fritz Kolb nach langem, aber vergeblichem Kampf unterliegt, wird Ralf Gantners zähe Verteidigung doch noch belohnt. Der fünfte Kuppenheimer, Hussain Chaltchi, hat nicht ganz so viel Glück. Im Turmendspiel muss der frisch gebackene Vizepräsident der SCR doch die Segel streichen - obwohl Dautov bedauernswert klingt: "Jedes Mal gewinne ich hier an dem Brett einen Bauern - und wenn ich wieder zurückkehre, ist der Mehrbauer wieder weg ..." Den Tipp des Großmeisters, die Stellung zu verkomplizieren, wenn die ein oder andere Dame im Anrollen ist, konnte Chaltchi nicht ganz beherzigen ...

Wolfgang Grenke, der das beliebte Mannschafts-Simultan erfand und als Sponsor der OSG Baden-Baden finanziert, zeigt sich einmal mehr mit dem Verlauf des Wettbewerbs zufrieden. Passend zur lockeren Atmosphäre in der Trinkhalle klagt der Chef der Grenke-Leasing AG nach seinem verdienten Remis scherzhaft: "Ich habe nach meinen neun Siegen in der Meisterschaft den ersten halben Punkt in dieser Saison abgegeben!" Entsprechend gut gelaunt zieht es den Unternehmer mit Weltmeister Anand weiter, um am Abend bei Frank Elstners "Menschen der Woche" noch mehr über seine große Passion zu erzählen.

Mannschafts-Simultan Ooser SG
Anna-Lena Tammert wehrt sich wacker gegen Peter Heine Nielsen
Mannschafts-Simultan Ooser SG
Der netteste Tiger der Welt posiert mit jedem fürs Familienalbum:
Viswanathan Anand mit dem Ottenauer Urgestein Karl Heck
Mannschafts-Simultan Ooser SG
Da hilft alles Schäkern nichts: Hussain Chaltchi unterliegt
letztlich doch gegen das Team der sympathischen Viktorija Cmilyte
Mannschafts-Simultan Ooser SG
Viswanathan Anand (links) kann gegen den Hördener
Norbert Frühe die verhunzte Stellung nicht mehr retten
Mannschafts-Simultan Ooser SG
Philipp Schlosser (links) an den Brettern von Michael und Jannik Lorenz.
Dahinter Fritz Kolb und Ralf Gantner
Mannschafts-Simultan Ooser SG
Ralf Gantner am Zug gegen den Weltmeister


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