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Für Bayern ist ein 2:6 gegen Werder kein "derber Unfall"

Die Schach-Abteilung der Münchner rechnet mit dem Abstieg aus der Bundesliga / Saisonauftakt am Samstag in Hamburg

Von FM Hartmut Metz, 5. Oktober 2008

 

"Gegen Werder Bremen wollen wir einen 0:5-Rückstand vermeiden!" Das ist eines der wenigen Saisonziele des FC Bayern München. Nicht beim Rasenschach, sondern beim königlichen Spiel auf den 64 Feldern. Die Vordenker des Münchner Renommierklubs sind nach 13 Jahren in die Schach-Bundesliga zurückgekehrt. Anders als die Herren Fußballer träumt die knapp über 100 Mitglieder zählende Schach-Abteilung des FC Bayern weniger von der Champions League als vom Klassenerhalt - und der dürfte höchst unrealistisch für den neunmaligen deutschen Meister sein.

"Wir haben uns mit dem Aufstieg ein weiteres Jahr in der zweiten Liga 2009 gesichert", scherzt Olaf Heinzel. "Das ist Olafs typischer Galgenhumor - aber es stimmt schon: Wir müssen mit dem Abstieg rechnen", bestätigt Ferdinand Unzicker. Der Sohn des Münchner Rekordnationalspielers Wolfgang Unzicker empfindet die drohende postwendende Rückkehr ins Unterhaus indes "als undramatisch für eine gute Amateurmannschaft". Abteilungsleiter Günter Schütz weiß vor dem ersten Zug am Samstag, 14 Uhr, in Hamburg auch: "Wir sind weit unterlegen - aber wir bleiben auch bis zum Ende der Saison eine Freundestruppe."

Acht Freunde müssen sie also sein, wenn die in den 80ern und 90ern so ruhmvolle Bayern-Abteilung überhaupt einen Sieg verbuchen will - gut dürften die Aussichten gleich zum Auftakt gegen die Schachfreunde Berlin sein, die als dritter heißer Anwärter auf die vier Abstiegsplätze in der 16er-Klasse gelten. Nur der USV TU Dresden scheint noch schwächer als die Münchner. Eine Niederlage am Sonntag (10 Uhr) gegen die Hausherren schmerzt Schütz am wenigsten: "Der Hamburger SK ist noch einer der sympathischen Vereine, die das deutsche Schach fördern", befindet er angesichts der zahllosen Legionäre im Oberhaus. Beim Titelverteidiger OSG Baden-Baden findet sich die deutsche Nummer eins, der Dortmunder Arkadij Naiditsch, erst auf Ranglistenplatz zehn - und nur acht Spieler kommen pro Kampf zum Einsatz. Zu seinem Glück reisen Weltmeister Viswanathan Anand (Indien), das 17-jährige norwegische Wunderkind Magnus Carlsen und weitere Asse nur selten wegen internationaler Turniere nach Baden-Baden an. Selbst der schlechteste Gemeldete des zuletzt dreifachen Champions, die Nummer 16 Fabian Döttling, ist um etwa sechs Prozent stärker als der beste Münchner, Michael Bezold.

Der Großmeister wechselte vom TSV Bindlach zum Aufsteiger. Wie schon viele andere Vereine zuvor hatte Bindlach sein Team abgemeldet, weil der einzige Geldgeber die Lust verloren hatte. "Es bleibt dabei, dass die Schach-Bundesliga kaum für Werbung sorgt und von Mäzenatentum lebt", konstatiert Jurist Ferdinand Unzicker illusionslos. Schon jetzt steht fest, dass sich Bayerns Reisepartner bei den Doppel-Spieltagen, der TV Tegernsee, nach zehn Jahren Bundesliga am Saisonende zurückzieht.

Deshalb will Schütz in seinem Club den Frieden wahren. "Es kann nicht sein, dass einige als Steigbügelhalter gut genug sind, aber zum Reiten andere aufs Pferd dürfen." Sprich die weißen und schwarzen Springer dirigieren dürfen. Neben Bezold stießen deshalb lediglich Peter Meister vom SC 1868 Bamberg und das hiesige Talent, Julian Jorczik, zum Aufsteiger. Der 16-Jährige vom SK München Süd-Ost darf sich an Brett vier beweisen, Jorczik muss allerdings mit deftigen Prügeln rechnen. Unzicker wie Schütz glauben, dass die Neuerwerbungen auch nach einem Abstieg ihre Mannschaftskameraden in Liga zwei bleiben werden.

Geld gibt es beim FC Bayern keines zu verdienen. Selbst der Münchner Schach-Ribery, der in der Stadt verwurzelte Franzose Cyril Marcelin, tritt wie alle im Kader für Gotteslohn an. Eine Summe, für die mancher im Verein nicht einmal eine Woche lang gegen ein rundes Leder treten würde, muss der Schach-Abteilung ein ganzes Jahr reichen. "Der Gesamtverein stellt uns einen leicht erhöhten, mittleren fünfstelligen Betrag zur Verfügung", berichtet Schütz dankbar, auch wenn schon eine Viertelmillion Euro für den Kampf um den Schach-Titel genügen würde. Doch das wünscht der Hauptverein nicht, dessen Grundsätze den acht Nebenabteilungen vorschreiben: "Der Breitensport und die Jugendförderung stehen im Vordergrund. Außerdem soll die Kostenseite im Rahmen gehalten werden", zählt Schütz auf. Der Etat reiche gerade, um die Reisekosten zu decken und die Heimspiele im Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium (Arabellapark) mit den Live-Partieübertragungen zu stemmen. Der angehende Bundesligaspieler ist froh, dass seine Abteilung dort die Miete spart, weil Schütz an der Schule seit 16 Jahren Schach-AGs ehrenamtlich betreut.

Wie die gehätschelten Schachspieler von Vizemeister Werder Bremen protzig im Fußballstadion zu residieren, daran wagen die Münchner kaum zu denken. Sie konzentrieren sich lieber auf den 14. Dezember in Tegernsee. "Wir verlieren dann nicht höher als 3:5 gegen Werder", verspricht Ferdinand Unzicker und ergänzt augenzwinkernd, "sollte es dennoch ein 2:6 werden, ist es auch kein so derber Unfall wie im Fußball."

Michael Bezold
Michael Bezold


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