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Mowsesjans Talente beginnen nur mit S

Weltklasse-GM drückt Armenien noch immer die Daumen

Fotos und Text von FM Hartmut Metz, 10. August 2009

 

Nach vielen Jahren in der erweiterten Weltspitze ist Sergej Mowsesjan der Sprung in die Top Ten gelungen - allerdings im Juli wieder mit fallender Tendenz. Dennoch wäre der 30-Jährige eine enorme Verstärkung für Olympiade-Sieger Armenien. Nach dem Erfolg in Dresden sprach deren Trainer Arschak Petrosjan geheimnisvoll von einer Verstärkung. Kehrt der in Tiflis geborene "Mow" zurück aus der Slowakei? Hartmut Metz unterhielt sich mit Mowsesjan darüber und auch seine acht Sprachen, die der Weltranglistenelfte beherrscht.

Frage: Herr Mowsesjan, Sie stießen im Januar erstmals in die Top Ten der Weltrangliste vor. Hat sich dadurch in den letzten Monaten viel für Sie geändert?
Mowsesjan: In den Turnieren, die ich seit Februar nach Wijk aan Zee spielte, war ich nicht sonderlich erfolgreich. Das bedeutet: Ich muss meine Vorbereitungen auf die nächsten Turniere verbessern!

Frage: Sie sehen sich leider nicht als neuer Dauergast bei den Topturnieren?
Mowsesjan: Na ja, ich erhielt mehr Einladungen als zuvor. Leider wurde das Turnier im ukrainischen Foros erst abgeblasen, nachdem ich eine Zusage gegeben und die Teilnahme an einem anderen Turnier abgesagt hatte. Daher spiele ich jetzt erst wieder im Juli in San Sebastian. Ich würde allzu gerne außer in Wijk auch in anderen Top-Turnieren wie Linares oder Dortmund antreten - aber natürlich entscheiden die Organisatoren, wen sie einladen. Deshalb bleibt mir nichts anderes, als mich auf mein Schach zu konzentrieren und sich darüber Gedanken zu machen - und weniger über Einladungen.

Frage: Was trauen Sie sich in der Weltrangliste noch zu? Im April verloren Sie minimal Boden und waren Elfter. Für Juli sieht es schlecht aus.
Mowsesjan: Bei mir hängt alles von der Konstanz meines Spiels ab. Im vergangenen Jahr zeigte ich in nahezu allen Turnieren eine gute Leistung. Um wieder dorthin zu kommen, muss ich mehr arbeiten. Ich setze mir aber keine speziellen Ziele wie: Du musst in die Top 10 oder in die Top 5 gelangen. Mein Schach muss besser werden, dann sieht man weiter.

Frage: Erscheint Ihnen der Griff nach dem WM-Titel utopisch?
Mowsesjan: Weil der Zyklus und die Qualifikation für die WM ständig verändert werden von der FIDE, weiß derzeit keiner, was Utopie ist beziehungsweise wer nach dem Titel greifen kann … Aus meiner Warte besteht meine beste Chance, Weltmeister zu werden, darin, bei den Chess Classic Mainz die Chess960-WM zu gewinnen (grinst).

Frage: Fehlt Ihnen schachlich etwas, um zu Weltmeister Viswanathan Anand oder einem anderen Baden-Badener Mannschaftskameraden, Magnus Carlsen, aufzuschließen?
Mowsesjan: Jeder Spieler ist einzigartig, weshalb mir ein Vergleich nahezu unmöglich erscheint. Mein eigenes Problem war immer Faulheit ...

Frage: Sie haben drei Kinder. Hindert das am schachlichen Fortkommen oder ist das Motivation für Sie, der Familie ein gutes Einkommen zu sichern?
Mowsesjan: Eine Familie zu ernähren, zieht einige Verantwortung nach sich. Ich glaube aber nicht, dass das sonderlichen Einfluss auf mein Spiel oder meine Motivation nimmt. Ohnehin hat sich zuletzt leider einiges bei mir verändert. Vor einem jahr beschlossen meine Frau und ich die Scheidung, weshalb meine drei Kinder Petr (5), Jana (3) und der ein Jahr alte David nicht mehr bei mir leben.

Frage: Ein Freund von mir klagt immer, eine Heirat koste mindestens 100 Ratingpunkte. Nimmt man Alexej Schirow, müsste er ohne Heiraten bei 3000 Elo stehen - bei Ihnen schien es umgekehrt zu sein.
Mowsesjan: Womöglich begann ich in der Ehe, mich weniger um meine Ergebnisse zu sorgen. Zudem wurde meine Vorbereitung ein bisschen ernsthafter.

Frage: Sprachen scheint ein Hobby von Ihnen zu sein. Welche Sprachen beherrschen Sie? Von acht ist die Rede.
Mowsesjan: Das trifft zu. Ich kann mich in acht Sprachen unterhalten: Englisch, Deutsch, Russisch, Tschechisch, Srbokroatisch, Polnisch, Armenisch und Georgisch. Die meisten Sprachen erlernte ich durch Plaudern mit den Leuten während meiner Turniere (lacht).

Frage: Vermutlich spricht in der Weltelite nur Robert Hübner noch mehr mit angeblich an die 20 Sprachen. Keine Lust, diesen Rekord zu brechen? Mowsesjan: Tut mir leid! In den letzten paar Jahren habe ich diesbezüglich nur noch kleine Fortschritte erzielt - deshalb konzentriere ich mich besser auf Schach …

Frage: Haben Sie auch Talente außer Schach und Sprachen, die nicht mit S beginnen?
Mowsesjan (grinst): Sorry, aber S scheint wirklich der Buchstabe schlechthin zu sein, was meine Talente anlangt.

Frage: Als Profi reisen Sie viel - da ist es nützlich, mehrere Sprachen zu beherrschen. In welchen Ligen treten Sie regelmäßig an? Mowsesjan: Außer für die OSG Baden-Baden in der Bundesliga spiele ich gelegentlich nich in der tschechischen, österreichischen und kroatischen Liga.

Frage: Die Asse außerhalb des WM-Anwärterzirkels um Anand, Kramnik und Topalow haben kaum Gelegenheit, an sechsstellige Gewinnsummen zu kommen. Sind die Erstliga-Spiele daher die Garantie für Topspieler wie Sie, dass man als Profi noch gut vom Schach leben kann?
Mowsesjan: Gewiss, die Mannschaftsspiele sind ein bedeutender Teil des Profi-Lebens. Zum einen helfen die dauernden Einsätze, um in Form zu bleiben, zum anderen garantieren sie ein bestimmtes Grundsalär.

Frage: Sergej Karjakin wechselt dieser Tage den Verband, weil es in der Ukraine anscheinend an Unterstützung für ihn fehlt. In Moskau scheint dies besser zu sein. Was halten Sie davon?
Mowsesjan: Ich kann nicht viel zu Sergejs Wechsel sagen, da mit kaum Informationen darüber vorliegen. Deshalb schweige ich lieber.

Frage: Die Armenier taten aber nach ihrem erneuten Olympiade-Sieg in Dresden recht geheimnisvoll. Es klang, als planten sie einen personellen Coup.
Mowsesjan (lacht): Wie es scheint, scheinen sie ihre Erfolgsgeheimnisse nur unter Androhung von Folter herauszurücken. Jedes Land kann nur davon träumen, zweimal hintereinander die Olympiade zu gewinnen!

Frage: Aus meiner Warte klang es so, als würden sie ihr außerordentliches Team weiter verstärken. Dafür gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder adoptiert Trainer Arschak Petrosjan seinen Schwiegersohn Peter Leko, der für Ungarn das beste Einzelergebnis am ersten Brett holte - oder Sie kehren in den Schoß Ihrer Heimat zurück.
Mowsesjan: Zu viel der Ehre. Derzeit ist das armenische Team so stark, dass sie vielleicht nicht einmal Verstärkungen benötigen! Und sie haben ein paar junge, vielversprechende Talente in der Hinterhand.

Frage: Bereuen Sie die Abkehr von Armenien? Ich kann mich erinnern, wie Sie vor rund einem Dutzend Jahren mit der Nationalmannschaft in Baden-Baden gegen das deutsche Team antraten. In Ihrer alten Heimat herrscht richtige Schach-Euphorie: Sogar Staatschef Sergej Sargissjan reiste nach Dresden, um die Helden zu unterstützen und zu beglückwünschen.
Mowsesjan: Damals war das noch eine andere Situation. Ich lebe nun in Europa und nicht im Kaukasus. Deshalb war der Wechsel in die slowakische Auswahl für mich ein logischer Schritt. Aber natürlich freut es mich noch immer, die Armenier an der Spitze zu sehen. Ich gratulierte dem Team in Dresden zu dem grandiosen Ergebnis. Die Mannschaft spielte wirklich großartig und verdiente sich die Goldmedaille. Lewon Aronjan ist ein richtiger Anführer. Zudem freut es mich zu sehen, dass bei einem Mannschaftswettbewerb nicht allein die schachlichen Qualitäten den Ausschlag geben. Mit unserem Staatpräsidenten Sargissjan konnte ich leider während der Olympiade nicht reden. Es ergab sich keine Möglichkeit, weil ich ja auch spielte.

Frage: Aus der Slowakei ist nichts dergleichen bekannt, dass sich der Staatschef um die Schachspieler kümmert. Haben Sie trotzdem die richtige Landes-Wahl getroffen?
Mowsesjan: In der Slowakei ist Schach nicht sonderlich populär, das stimmt. Vor ein paar Tagen wurde ein neuer Verbandspräsident, Martin Huba, gewählt. Er hat einige interessante Ideen, wie man Schach in der Slowakei entwickeln und dafür werben kann. Deshalb steigt das Interesse hoffentlich.

Mowsesjan
Sergej Mowsesjan


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