Startseite Rochade Kuppenheim

Der Mossad prüft die Waffen am Brett

Neuer Agenten-Krimi beim Schach: Kamsky fürchtet Computer-Betrug / Topalow übernimmt Führung im Herausforderer-Duell

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 24. Februar 2009

 

Während des Kalten Krieges hatte der sowjetische Geheimdienst KGB regelmäßig seine Finger im Spiel, um den politisch wichtigen Titel eines Schach-Weltmeisters für das "geistig überlegene Proletariat" zu verteidigen. Weniger politische Ziele verfolgt im nächsten Agenten-Kapitel der israelische Mossad. Er soll in Sofia ein Auge auf das Schachbrett werfen, um Chancengleichheit beim Duell der WM-Herausforderer zu sichern. Genauer: Die Gleichheit der Waffen zwischen Gata Kamsky und dem Bulgaren Wesselin Topalow.

Der einheimische Ex-Weltmeister kam auch prompt in der ersten von acht Partien nicht über ein Remis mit den weißen Steinen hinaus. Ein Achtungserfolg für den gebürtigen Tataren Kamsky, der 1989 mit 15 Jahren mit seinem Vater Rustam aus der UdSSR in die USA geflüchtet war. Nach einer achtjährigen Pause wegen seines Studiums hatte der Weltcup-Sieger mehr Schlappen gegen Topalow kassiert, als er Unentschieden schaffte. Schlagen konnte Kamsky seinen Angstgegner noch nie. Deswegen sehen die Experten den Juristen als krassen Außenseiter im Kampf um die 250 000 US-Dollar und vor allem die lukrative Aussicht auf ein anschließendes Millionen-Match gegen Weltmeister Viswanathan Anand.

Vor dem ersten Zug im Nationalen Kulturpalast gab es fast schon ein so großes Gerangel wie einst beim Jahrhundertmatch 1972 zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski. Gegenseitige Vorwürfe wechselten sich ab. Die von Kamskys Seite lancierte Offerte eines Geschäftsmannes, den Zweikampf zur Ermittlung des WM-Herausforderers für 750 000 Dollar in Lemberg auszutragen, nennt Topalow "leere Worte eines Betrügers, auf den die Organisatoren in der Ukraine hereingefallen sind". Nach monatelangem Hickhack hatte sich das Angebot als Luftblase entpuppt. Kurzfristig sprang daher das bulgarische Sportministerium für den eigenen Nationalhelden ein und legte den Löwenanteil der Viertelmillion Dollar Preisgeld auf den Tisch.

Terminlich konnten sich die Kampfhähne nur auf Februar einigen, weil Topalow auf das "Wimbledon des Schachs" verzichtet. Im spanischen Linares versucht derzeit vor allem der 18-jährige Norweger Magnus Carlsen seinen Mannschaftskameraden bei der OSG Baden-Baden, den Inder Anand, als Titelverteidiger zu entthronen. Kamsky willigte im November bei der Schach-Olympiade in Dresden dank eines neuen Beraters endlich in alle Vorschläge ein: Der israelische Weltklasse-Großmeister Emil Sutowski hatte neuen Schwung in die Verhandlungen und diese auch zum Abschluss gebracht.

Dass Sutowski vermeintlich den Geheimdienst einschaltete, nahm Topalows Manager gelassen. Gegenüber der bulgarischen Zeitung "Standart" sagte Silvio Danailow: "Kamsky will einen Experten vom Mossad mitbringen, der den Spielsaal überprüft - aber wir haben nichts zu befürchten und zu verstecken." Der Amerikaner wollte in dem Schach-Krimi auf Nummer sicher gehen, weil die Gerüchte nie ganz verstummten, der Weltranglistenerste bekäme während der Partien geheime Zeichen. Diese sollten Topalow signalisieren, welche Züge ein Schachprogramm empfiehlt. Die elektronischen Geister hatte der 33-Jährige selbst gerufen, als er während des WM-Wiedervereinigungskampfes dem Russen Wladimir Kramnik nach einem deutlichen Rückstand Betrug im Ruheraum vorwarf. An der Niederlage des bis dahin beliebten Angriffskünstlers änderte dies 2006 nichts, stattdessen kostete ihn das absurde Theater weltweit alle Sympathien.

Auch abseits der psychologischen Kriegsführung erwartet Topalow gegen den Weltranglisten-17. "einen harten Fight". Im Interview mit der Schach-Webseite www.chessbase.de lobte der Favorit den Außenseiter als "großen Kämpfer mit eisernen Nerven. Nach einer längeren Spielpause ist er wieder in der Weltspitze angekommen. Er wird mir ganz sicher gehörig zusetzen". In der zweiten Partie bestätigte Kamsky die Einschätzung allerdings nicht. Der 34-Jährige geriet trotz der weißen Steine in eine kritische Lage und vor allem in haarsträubende Zeitnot. Angesichts von nur noch 18 Sekunden Bedenkzeit für die letzten acht Züge gab Kamsky auf.

Gata Kamsky
Gata Kamsky bei seinem Deutschland-Comeback 2007
im Chess-Tigers-Shirt der Chess Classic Mainz


Meko 2009
Meko-Übersicht
Startseite