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Neues Tagebuch des Zugbegleiters

"Märchenonkel" Helmut Pfleger badet wieder in einem Meer von Anekdoten

von FM Hartmut Metz, 26. April 2009

 

"Wenn Blondinen kombinieren", "Als Einstein die Fäden zog", "Mehr Stellungen als beim Sex", "Wie die Mücke einen Elefanten erlegte" - keiner versteht es besser als Helmut Pfleger, Schach-Themen pointiert und philosophisch aufzubereiten. Der Münchner Psychotherapeut ist ein Großmeister des Humors und des Schachsports. So trug der 65-Jährige trug 1964 bei der Olympiade in Tel Aviv mit 12,5:2,5 Punkten maßgeblich zur deutschen Bronzemedaille bei.

Pflegers größtes Verdienst besteht jedoch weniger in den Meriten, die er mit der Nationalmannschaft oder Turnieren einheimste. Als legitimer Nachfolger von Siegbert Tarrasch (1862-1934), dem Praeceptor Germaniae (Lehrmeister Deutschlands), trägt er noch heute zur Popularisierung des königlichen Spiels bei. Die Fernsehsendungen beim WDR sind zwar mittlerweile passé, doch für die "Welt am Sonntag" und vor allem in der "Zeit" schreibt der Mediziner regelmäßig über Schach. Woche für Woche badet Pfleger in einem Meer aus Anekdoten. Neider haften ihm ob seiner blumigen Sprache gerne das Etikett als "Märchenonkel" an. Ein wenig ficht ihn die fehlende Anerkennung von Großmeister-Kollegen schon an. Das klingt in Interviews durch - aber unverdrossen bleibt der ehemalige deutsche Meister seiner Linie treu, denn: "Schach", predigt Pfleger, "ist wie ein Märchen aus tausendundeinem Fehler."

Seit dem 5. November 1982 hat er weit mehr als tausendundeine Schachspalte für die "Zeit" verfasst. Die besten Kolumnen werden der Nachwelt in Büchern erhalten. Das fünfte erschien jetzt bei Edition Olms. "120 amüsante Aufgaben mit überraschenden Lösungen" aus den vergangenen vier Jahren verspricht der Untertitel von "Zeit-Schachspalten" (ISBN 978-3-283-01012-6). Das Werk für 16,80 Euro bestätigt Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der im Geleitwort lobt: "Die Schachspalte ist vergnüglich, weil Helmut Pfleger auf unvergleichliche Weise versteht, wahrhaft interessant und unterhaltsam den Zugang zur gestellten Aufgabe zu schildern."

Der Zugbegleiter der "Zeit" gibt auf 136 Seiten amüsante Geschichten wie jene von Albert Einstein zum Besten: Der ehemalige Weltmeister Emanuel Lasker hatte sich in Berlin mit Max Planck zu einem Partiechen niedergelassen. Einstein kroch derweil unter den Stuhl und verknotete die Schnürsenkel von Plancks Stiefeletten. Danach gab der Begründer der Relativitätstheorie Lasker ein Zeichen. Der Mathematiker machte daraufhin gegen seinen nicht minder begnadeten Wissenschaftler eine Reihe von schlechten Zügen und verlor prompt. "Planck war ganz aus dem Häuschen, gegen Lasker gewonnen zu haben, und sprang vor Freude auf, um gleich auf Grund der zusammengeknoteten Schnürsenkel hinzustürzen. Und die lieben Kiebitze lachten und lachten", erzählt Pfleger.

Heiter fallen auch immer wieder die Berichte über den eigenen Berufsstand aus. Bei einer Abhandlung über die deutsche Schach-Ärztemeisterschaft erwähnt er die "bekannte Sentenz: Der Internist weiß alles, kann aber nichts. Der Chirurg kann alles, weiß aber nichts. Der Pathologe weiß alles, kann alles, aber zu spät! Schenken will ich mir hier den Zusatz: Der Psychotherapeut kann nichts, weiß nichts, hat aber für alles Verständnis", ulkt der Therapeut.

Für Pfleger gilt derlei sicher nicht. Ein Beleg auf den 64 Feldern soll folgen: Für die Kolumne 48 wählte er "Das Rolltreppenproblem" aus. Die Welt sei gespalten - "in Schachspieler und Nichtschachspieler", wie der einstige Weltmeister Michail Botwinnik befand. "Rolltreppensteher" und "Rolltreppengeher" hat Pfleger erkannt - und präsentiert passend ein "Rolltreppenproblem", das Bryan Simeon Barrett anno 1874 auf dem Brett kreierte. Wie gewinnt Weiß in der nachfolgenden Stellung?











Rolltreppenproblem
Bryan Simeon Barrett, 1874

Es gilt, die schwarze Bauernumwandlung durch b2-b1 zur Dame bzw. a2-a1 zu verhindern und den schwarzen König "auf dem falschen Fuß", wenn er nämlich auf b1 steht, mit einem Damenschach auf der ersten Reihe zu erwischen. Nun denn: 1.Dc3 Kb1 2.Dd3+ Ka1 3.Dd4 Kb1 4.De4+ Ka1 5.De5 Kb1 6.Df5+ Ka1 7.Df6 Kb1 8.Dg6+ Ka1 9.Dg7 Kb1 10.Dh7+ Ka1 11.Dh8 Kb1 und nun der adlerartige Sturzflug: 12.Dh1# 1-0



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