Aronjan wünscht sich "harten Jungen" zurückEinmalige Schach-Siegesserie endet in Mainz: Uninspirierter Weltmeister Anand gewinnt nicht einmal Spiel um Platz dreivon FM Hartmut Metz, 20. August 2009 |
Seine schwierigste Aufgabe schien Lewon Aronjan bei der Siegerehrung bewältigen zu müssen: Die Krawatte ließ sich partout nicht zuziehen. Diese neu zu binden, schaffte der Schach-Großmeister aus Berlin auch nicht. So posierte der Armenier in der Mainzer Rheingoldhalle eben nur mit dem schwarzen Jackett des Gewinners für die Fotografen-Meute. Noch drei Tage zuvor hätte es sich Aronjan kaum träumen lassen, dass ihm der Binder deutlich mehr Probleme bereitet als der Sieg bei der Schnellschach-WM über Viswanathan Anand.
Schließlich hatte der Inder neunmal in Folge triumphiert. "Das ist eine unglaubliche Serie, die nie jemand verbessern wird", unterstrich Aronjan nach der Entthronung. Dass der Weltmeister die Zahl seiner Titel bei den Chess Classic nicht auf ein Dutzend erhöhen konnte, lag dabei weniger an dem neuen Champion der Disziplin mit 20 Minuten Grundbedenkzeit (plus 5 Sekunden pro Zug) - auch wenn Aronjan, der kurzzeitig unter deutscher Flagge spielte, gewiss ein würdiger Nachfolger des Schnellschach-Königs ist. Ins Finale zog der 26-jährige Weltranglistenvierte souverän mit 4,5:1,5 Punkten ein und machte auch im Endspiel kurzen Prozess mit Ian Nepominachtschi.
Der Außenseiter aus Russland, der sich gedanklich vor dem Turnier auf das "kleine Finale" hinter den beiden großen A eingestellt hatte, verlor die beiden ersten Partien. Mit den zwei folgenden Remis zum 1:3 durfte der 18-Jährige mehr als zufrieden sein. Sein Bezwinger gab im letzten Duell lieber ein Dauerschach mit der Dame, anstatt nach einer geistreichen Opferorgie eine Gewinnfortsetzung zum noch höheren Sieg ins Auge zu fassen. "Auf die Idee kam ich gar nicht", berichtete Aronjan vom einzigen kleinen Makel der drei Schnellschach-Tage.
Bei seiner größten Schnellschach-Pleite wirkte Anand uninspiriert wie nie. Von zehn Partien verlor der "schnelle Brüter" aus Indien zwei und gewann lediglich eine. Sein Baden-Badener Bundesligakamerad Arkadij Naiditsch hatte ihm den einzigen Sieg regelrecht aufgezwungen. Mit 2,5:3,5 Punkten landete der 39-Jährige nach dem "schlechtesten Ergebnis" seiner Karriere in der Vorrunde einen vollen Zähler hinter dem zweitplatzierten Nepomniachtschi. Und auch im Spiel um Platz drei agierte der "Tiger von Madras" zahnlos: Das Duell gegen Schlusslicht Naiditsch (1,5:4,5) endete 2:2. Bei keinem der vier saft- und kraftlosen Remis besaß Anand auch nur den Hauch einer Siegchance - obwohl der deutschen Nummer eins sechs Partien in den Gehirnwindungen steckten. Naiditsch hatte den Tag über im Schnellschach-Open mit 9,5:1,5 Punkten grandios aufgespielt. Lediglich Schachrijar Mamedjarow (Aserbaidschan) war in dem Weltklasse-Feld mit 694 Teilnehmern einen halben Zähler besser und qualifizierte sich für die WM im nächsten Jahr.
Organisator Hans-Walter Schmitt vergab den WM-Freiplatz noch während der Siegerehrung an den bisherigen Abonnementsieger. Ausgerechnet sein Bezwinger sprach Anand weiteren Mut zu: "Ich hoffe, Vishy steht nächstes Jahr wieder im Finale", äußerte Aronjan und erwies sich mit seiner nachgeschobenen Begründung als echter Sportsmann, "gegen die wirklich harten Jungs macht's besonders viel Spaß - und Vishy ist besonders hart!" Bei so viel Lob grinste Witzbold Anand breit, zeigte seine perlweißen Zähne und fand nach dem Schwanengesang wieder seinen Humor. In Richtung seines Ziehvaters Schmitt hegte er für die WM 2010 nur einen Wunsch: "Die Chess Classic sind ein tolles Schach-Festival mit vielen Zuschauern - Hans-Walter bräuchte nur mal dringend eine neue Musik-CD!" Zur Ankündigung der nächsten Runde quollen in den vergangenen Jahren dauernd Queen- und Abba-Songs wie "The winner takes it all" aus den Lautsprechern. Anand plädiert für Rap, "am besten deutschen". Nun bieten sich Texte von Smudo an. Der Rapper liebt das königliche Spiel, und der Name seiner Band passt zur Teilnehmergröße der Schnellschach-WM. Anand will dann höchstpersönlich dafür sorgen, den Klang des ersten Teils zu betonen: die Fantastischen Vier!
Nachstehend das vorentscheidende 2:0 im Finale.
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Nepomniachtschi,I (2632) - Aronjan,L (2768) [C65]
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