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Alte Kampfhähne mögen sich seit Gefängnis-Besuch

Schach-Legenden Karpow und Kasparow erinnern mit Schaukampf an ihre Marathon-Weltmeisterschaft vor 25 Jahren / Weit niedrigeres Niveau als 1984

Von FM Hartmut Metz, 26. September 2009

 

Garri Kasparow und Anatoli Karpow hat vor 25 Jahren nur eines vereint: Ihre Abneigung zueinander. Nicht nur auf dem Schachbrett trennten die beiden Protagonisten der legendären fünf WM-Zweikämpfe, die 1984 begannen, Welten. Auf der einen Seite der auf den 64 Feldern wie im Leben aggressive wie brachiale Angreifer Kasparow, auf der anderen der filigran operierende und geschmeidige Karpow. Wie eine Schlange schlich sich die Koryphäe an und erwürgte mit kleinen, subtilen Manövern die Gegner. Nach Ansicht seiner Kritiker agierte der Liebling der Kommunistischen Partei in der UdSSR kaum anders: immer aalglatt und angepasst an die Partei. Kasparow gerierte sich dagegen gerne als "Kind des Wandels", das furchtlos gegen das politische Establishment kämpft - dabei entlarvte sich das ohne Vater aufgewachsene Muttersöhnchen stets als Diktator, wenn es etwas bestimmen konnte.

Am 10. September 1984 prallten Weltmeister Karpow und sein junger Herausforderer erstmals in einem WM-Finale aufeinander. Die Karriere des 21-Jährigen schien so schnell beendet zu werden, wie sie angefangen hatte. Karpow zertrümmerte Kasparow regelrecht und lag rasch mit 4:0 in Führung. Auch den fünften der erforderlichen sechs Siege feierte der damals 33-Jährige. Doch anschließend zermürbte Kasparow den Titelverteidiger mit einer Serie von Remis und gelegentlich einem vollen Punkt - Karpow nahm elf Kilogramm ab und musste angeblich in einer Klinik behandelt werden. Nach rund 300 Spielstunden und 48 Partien brach Weltverbandspräsident Florencio Campomanes das Match am 15. Februar zugunsten einer Neuansetzung ab - und beide Seiten reklamierten nach der umstrittenen Entscheidung die WM-Krone für sich. Der eine, weil er immer noch 5:3 führte, der andere, weil er sich im Vorwärtsgang gegen einen geschwächten Karpow wähnte.

Neun Monate später löste Kasparow seinen schärfsten Rivalen in einem auf 24 Partien begrenzten Wettkampf durch ein 13:11 ab. Er ließ sich auch in den drei WM-Duellen bis 1990 nicht mehr bezwingen. Die sich seitdem in eherner Feindschaft zugeneigten Gegenpole kamen sich erst im Vorjahr näher: Der menschlich weit sympathischere Karpow überbrachte dem egozentrischen Widersacher im Gefängnis kleine Schach-Präsente. Der mit 41 zurückgetretene Kasparow hatte sich ab 2005 der Politik gewidmet und mutig, aber vergeblich gegen Wladimir Putin gestellt. Nach einer Demonstration wurde der berühmte Oppositionelle eingekerkert.

Seit dem Besuch schätzen sich die beiden früheren Kampfhähne auch privat. Bei einer Veranstaltung in Zürich wirkten sie wie die besten Freunde. Kasparow bestätigt: "Die Zeit heilt alle Wunden." Angesichts eines erklecklichen Honorars einigte man sich so rasch auf einen Wettkampf in Valencia, der an die erste WM vor 25 Jahren erinnert. Weitere drei Stationen sollen laut Karpow mindestens folgen. Paris steht demnach als nächster Ort der Schaukämpfe fest.

Vom schachlichen Gehalt reichen die bisher gespielten vier Schnellschach-Partien nicht an das hohe Niveau der einst nahezu fehlerlos agierenden Großmeister heran. Standen damals unendlich viele Remis auf der Tagesordnung, endete bisher kein Vergleich friedlich. Das liegt vor allem an Karpow, der im September nach rund vier Jahrzehnten aus den Top 100 der Weltrangliste herausflog. Zum Auftakt im Palau de les Arts überschritt der 58-Jährige in ausgeglichener Stellung nach nur 24 Zügen die Zeit. Danach bewies ihm Kasparow, dass er trotz seines Rücktritts anno 2005 taktisch noch immer auf der Höhe ist. Immerhin konnte Karpow dann auf 1:2 verkürzen, ehe die dritte Niederlage am Mittwochabend folgte. "Ich wollte das Match unbedingt ausgleichen. Deshalb habe ich in der vierten Partie auch nach einem Gewinnweg gesucht und zu viel Zeit verloren", kommentiert Karpow seine 1:3-Niederlage. Im folgenden Blitz-Duell am Donnerstag zog der Ex-Weltmeister nach dem Sieg in Partie eins und einem Remis fünfmal gegen Kasparow den Kürzeren, ehe ein weiteres Unentschieden für minimale Ergebniskosmetik beim 2:6 sorgte.

Über das Niveau der Altmeister mag Kasparow nicht diskutieren. "Das ist doch müßig. Die brasilianische Weltmeister-Elf von 1970 vergleicht doch auch keiner mit jener von heute", verweist der 46-Jährige auf Fußball. Hier sein zweiter Sieg in Valencia.











Kasparow,G (2812) - Karpow,A (2619) [D31]
Match "25 Jahre WM-Duelle" Valencia ESP, 22.09.2009

1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Le7 [ Mit der Zugumstellung vermeidet Schwarz die Entwicklung des Läufers nach g5 und des Springers von g1 nach e2: 3...Sf6 4.cxd5 exd5 5.Lg5 Le7 6.e3 c6 7.Dc2 0-0 8.Ld3 Sbd7 9.Sge2 ] 4.cxd5 exd5 5.Lf4 c6 6.Dc2 Ld6 7.Lxd6 [ Gängiger ist 7.Lg3 , um auf 7...Lxg3 8.hxg3 und Druckspiel auf der h-Linie zu hoffen. Doch Schwarz ignoriert das zunächst mit dem Entwicklungszug Se7, der sowohl Lf5 wie Sf5 (nebst dem Schlagen mit dem Springer auf g3) ermöglicht.] 7...Dxd6 8.e3 Se7 [ 8...Dg6 und; 8...Sf6 gelten als Hauptfortsetzungen.] 9.Ld3 Sd7 In der Partie Seirawan - Kasimdschanow (Dordrecht 2004) versuchte Schwarz den zweiten Läufer auch abzutauschen: [ 9...Df6 10.Sge2 Lf5 11.b4 a6 12.a4 Sd7 13.0-0 0-0 14.b5 axb5 15.axb5 Sb6 16.bxc6 bxc6 17.Sg3+/= mit leichtem Vorteil für den Anziehenden.] 10.Sge2 h6 11.0-0 0-0 12.a3 a5 13.Tad1 In der Zeitschrift "Chess Today", die täglich als pdf zugemailt wird, kommentiert der irische Großmeister Alexander Baburin: "Kasparow macht sich bereit, f2-f3 zu spielen - er mag diese Bauernformation und feierte damit in der Vergangenheit große Erfolge." 13...b6 14.e4! Kasparow greift nun doch ohne f3 sofort zum Bauernvorstoß e4. So will er c6 rasch aufs Korn nehmen, nachdem der Zug b6 den Bauern schwächte. 14...dxe4 15.Sxe4 Db8 16.S2c3 La6 17.Lxa6 Txa6 18.d5! Sxd5 19.Sxd5 cxd5 20.Txd5 Ta7 21.Dd2 [ 21.Tfd1 liegt eher auf der Hand - vermutlich stellte Kasparow mit der trickreichen Fortsetzung absichtlich eine tiefe Falle.] 21...Sc5?? [ 21...Se5! belässt Weiß nur einen kleinen Vorteil. Nun trägt Kasparows Idee Früchte.] 22.Sf6+!! Eine feine Kombination, die unterstreicht, dass der Ex-Weltmeister wenig von seiner taktischen Stärke einbüßte. [ 22.Sxc5 bxc5 23.Txc5 gewinnt zwar einen Bauern, aber nach 23...Td8 besitzt Karpow gute praktische Chancen, das Schwerfiguren-Endspiel zum Remis zu führen. ] 22...gxf6 [ 22...Kh8 ergibt in spätestens vier Zügen ein Matt: 23.Th5 und nur noch Verzweiflungsopfer zögern den verheerenden Einschlag des Turms auf h6 hinaus.] 23.Dxh6 Droht Th5 nebst Dh8 matt. 23...f5 24.Dg5+ Kh8 25.Df6+ Kg8 26.Txf5 Se4 27.Dh4 Te8 [ 27...Dd6 vermeidet zwar das Matt, erweist sich aber auch als hoffnungslos nach 28.Dxe4 ] 28.Th5 f5 [ 28...f5 Und Karpow gab auf wegen 29.Th8+ Kf7 30.Dh7+ Kf6 31.Dh6+ Ke5 32.f4+ Kd5 33.Td1+ Kc5 34.Tc1+ Kb5 ( 34...Kd5 35.Dc6+ Kd4 36.Td1+ Ke3 37.Th3+ Kxf4 38.Th4+ Ke3 39.Dc1+ Ke2 40.Dc2+ Ke3 41.Dd3# ) 35.Dc6+ Ka6 36.Txe8 ] 1-0



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