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Carlsen stiehlt Kramnik die Show

Russe gewinnt das Tal-Memorial - und der Norweger die Blitz-WM

Von FM Hartmut Metz, 23. November 2009

 

Wladimir Kramnik hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet. Der Ex-Weltmeister aus Russland gewann im Moskauer Nobelkaufhaus GUM souverän das mit Top-Ten-Spielern gespickte Tal-Memorial. Kramnik glaubt deshalb, dass der Wettbewerb "in eine Reihe gestellt wird mit den Turnieren AVRO 1938 oder Zürich 1953", die als herausragend in der Historie des königlichen Spiels gelten. Die Webseite www.Chessbase.de sieht sich gar dank des "Zuschaueransturms fast schon an die goldenen sowjetischen Schachzeiten" erinnert.

Kramnik rückt durch den Erfolg auf Platz vier in der Weltrangliste vor und zeigt sich bereit, nach einer Formkrise wieder nach dem WM-Titel zu greifen. Seinen Bezwinger bei der WM in Bonn 2008 deklassierte er dank 6:3 Punkten um einen vollen Zähler. Weltmeister Viswanathan Anand musste erneut erkennen, dass Lewon Aronjan der für ihn unangenehmste Gegner ist. Der "Tiger von Madras" patzte trotz der weißen Steine in der letzten Runde gegen den Armenier. Aronjan kam so als Vierter wie Anand auf 5:4 Punkte.

Zwischen Kramnik und die beiden schoben sich Wassili Iwantschuk und Magnus Carlsen (beide 5,5:3,5). Der kauzige Ukrainer hatte für Aufmerksamkeit gesorgt, weil er drei Runden lang mit einem Mundschutz antrat - und dabei zwei wohl abgelenkte Großmeister schlagen konnte. Im letzten Duell gegen Kramnik verzichtete Iwantschuk jedoch auf das weiße Tuch, stand aussichtsreich, verdarb aber in Zeitnot seine Stellung und die Chance auf den Turniersieg. Der Russe nahm das Remisangebot trotz eines Mehrbauern gerne an, sicherte es doch Platz eins.

Die Schlagzeilen gehörten neben Kramnik jedoch einmal mehr Carlsen. Der 18-Jährige gewann nach überstandener Erkältung, die Iwantschuk vor Schweinegrippen-Furcht erstmals zum Mundschutz greifen ließ, am Ende zwei Partien. Damit liegt der Norweger virtuell in der Weltrangliste auf Platz eins; vor der nächsten Veröffentlichung am 1. Januar spielt er allerdings noch ein Turnier in London. Auch wenn das Wunderkind diesen neuen Karrierehöhepunkt verfehlen sollte - einen anderen Rekord hat sich Carlsen schon wieder gesichert: Bei der auf das Tal-Memorial folgenden Blitz-Weltmeisterschaft deklassierte der Weltranglistenzweite die hochkarätige Konkurrenz. Mit 31:11 Punkten blieb er in den Partien mit nur fünf Minuten Bedenkzeit volle drei Zähler vor Anand (28:14) und nochmals drei mehr vor Sergej Karjakin (25:17), ehe Kramnik (24,5:17,5) folgte.

In der achten Runde des Tal-Memorial schlug Carlsen in spektakulärer Manier Ruslan Ponomarjow und legte den Grundstein dafür, dass er in der Weltrangliste Platz eins übernehmen kann.











Carlsen,M (2801) - Ponomarjow,R (2739) [B90]
Tal-Memorial Moscow, 13.11.2009

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le3 e6 7.f3 b5 8.Dd2 Sbd7 9.g4 h6 10.0-0-0 Se5 [ Die Hauptvariante ist 10...Lb7 ] 11.De1 Vermutlich eine Neuerung - und wieder aus dem Labor seines neuen Trainers, Garri Kasparow? Die Idee gibt es häufiger im Sizilianisch, dass die weiße Dame nach e1 entschwindet, um auf der d-Linie Druck aufzubauen. Weiterer Vorteil auf e1: Die stärkste Figur des Anziehenden begibt sich aus dem Schussfeld auf d2, wo sie zum Beispiel ein Springer auf c4 behelligen könnte. Zudem kann die Dame nach g3 oder h4 federn, sollte sich am Königsflügel eine Angriffschance ergeben. 11...Dc7 12.h4 b4 13.Sce2 Sc4 14.Sf4 Sxe3 15.Dxe3 Db6 16.Lc4 Dc5 [ 16...Sd7 kommt ebenfalls in Betracht. Interessant ist dann das zweischneidige 17.Sfxe6!? fxe6 18.Lxe6 Für die geopferte Figur erhält Weiß Angriffschancen.; 16...e5? widerlegt Carlsen taktisch: 17.Lxf7+! Kxf7 18.Db3+ Ke8 19.Sg6 exd4 ( 19...Th7 20.Se6! Le7 21.g5 Sd7 22.Sxe7 Kxe7 23.g6 Th8 24.Sxg7 Kd8 25.Sf5 Sc5 26.Df7 gewinnt angesichts der Schwäche auf d6 und des starken Freibauern auf g6.) 20.Sxh8 Ta7 21.Sg6 gibt Weiß überlegenes Spiel, auch wenn Schwarz noch nicht völlig verloren ist.] 17.Db3 d5? Damit übertreibt Ponomarjow endgültig, nachdem er bereits zuvor mit den Damenmanövern nach c7, b6 und c5 einige Zeit eingebüßt hat. Die offene Stellung spielt dem viel besser entwickelten Weißen in die Hände. 18.exd5 Ld6 19.Sfxe6!? Das Programm Rybka gibt [ 19.Sdxe6 den Vorzug. Ein Abspiel dazu: 19...fxe6 20.Sg6 Tg8 ( 20...Sd7 ändert nichts am Endresultat. 21.dxe6 Se5 22.Da4+ Kd8 23.Sxe5 Dxe5 24.Txd6+ Dxd6 25.Td1 ) 21.dxe6 Lb7 22.Txd6! Dxd6 23.Td1 Dc5 24.e7 Ld5 25.Lxd5 Sxd5 26.Txd5 Db6 27.Td1 Dxg6 28.Dxg8+ Kxe7 29.Dxa8 ] 19...fxe6 20.dxe6 Le7 21.Dd3 [ 21.Sf5!? dient als gute Alternative. 21...0-0 22.Sxe7+ Dxe7 23.g5 Se8 ( 23...hxg5? führt ins Verderben. 24.hxg5 Se8 25.f4 Txf4 26.Dh3 ) 24.gxh6 mit Angriff.] 21...0-0 22.Lb3? Das ist zu langsam. Carlsen sollte gleich wieder mit [ 22.g5! loslegen, da sich 22...hxg5 23.hxg5 Dxg5+ 24.Kb1 Ta7 25.Tdg1 Df4 26.Dg6 verbietet. Schwarz kann das Matt nicht mehr parieren.] 22...Td8? [ 22...Lb7 nimmt dem Springer das in manchen Abspielen neuralgische Feld c6 und verbindet die Türme. Danach steht Morosewitsch kaum schlechter.] 23.g5! Sh7 24.gxh6 Dh5 25.De4 Dxh6+ 26.Kb1 Ta7 27.Sf5 Txd1+ 28.Txd1 Df6 29.Td7! Das hebelt Schwarz aus. [ 29.Td8+! reicht auch, ist aber etwas schwächer. 29...Sf8 30.Txc8 ] 29...Lxd7 30.exd7+ Kf8 [ 30...Kh8 31.Dd5 Df8 32.Sxe7 Sf6 33.d8D und das Matt folgt in wenigen Zügen.] 31.Dd5 1-0



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