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Gelfand eiskalt wie Väterchen Frost

Israelischer Großmeister gewinnt in Sibirien den Schach-Weltcup

von FM Hartmut Metz, 9. Januar 2010

 

In der reichsten Stadt Sibiriens hat Boris Gelfand mit 96 000 Dollar auch ein erkleckliches Sümmchen eingestrichen. Selbst im Weltcup-Finale blieb der gebürtige Weißrusse so eiskalt wie das Wetter draußen im rohstoffreichen Chanty-Mansijsk: minus 33 Grad. Daran änderte sich nichts, als die Taktik von Ruslan Ponomarjow zunächst erneut aufging. Der Ukrainer remisierte sich wie die Runden zuvor in den Turnierpartien durch. Nach vier Unentschieden vertraute der 26-Jährige einmal mehr auf seine Qualitäten im Schnellschach. Die erste Niederlage konnte der einst jüngste Großmeister aller Zeiten noch im Endspiel egalisieren. Als es dann aber nach einem erneuten 2:2 in die Blitzpartien ging, bewies Gelfand seine Überlegenheit: Nach drei Weiß-Siegen durchbrach der 41-Jährige die Serie und vollstreckte mit Schwarz zum 3:1.

Die Niederlage kostete Ponomarjow nicht nur 32 000 Dollar, sondern vor allem die Chance, wie vor sieben Jahren als 19-Jähriger erneut Weltmeister zu werden. Als Weltcup-Sieger ist Gelfand wieder für das hochdotierte WM-Kandidatenturnier 2010 qualifiziert. Bei der letzten Auflage 2007 belegte der Israeli den beachtlichen dritten Platz. Ein ähnliches Resultat darf dem früheren Minsker durchaus zugetraut werden, unterstreicht er doch seine derzeitige Topform in der Weltrangliste, in der er inzwischen wieder auf Position sechs geführt wird.

Das deutsche Trio schlug sich achtbar, schied aber in den Runden eins, zwei und drei aus: Nach dem Baden-Badener Bundesligaspieler Jan Gustafsson erwischte es Georg Meier (Werder Bremen), der dem französischen Juniorenweltmeister Maxime Vachier-Lagrave unnötig in der Verlängerung unterlag. Als letzter Deutscher ließ Arkadij Naiditsch seinen Baden-Badener Vereinskameraden Peter Swidler (Russland) im Schnellschach entwischen.

Dagegen war Gelfand auch von den einstigen ukrainischen Wunderkindern nicht zu bremsen. Vor dem Sieg über Ponomarjow hatte der 41-jährige Altmeister im Halbfinale mit Sergej Karjakin den jüngsten Großmeister aller Zeiten glatt mit 2:0 eliminiert.











Gelfand,B (2758) - Karjakin,S (2723) [D45]
Weltcup, Halbfinale Chanty-Mansijsk (Russland), 06.12.2009

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sf3 d5 4.Sc3 c6 5.e3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.Ld3 0-0 8.0-0 dxc4 9.Lxc4 b5 10.Le2 Lb7 11.Td1 Dc7 12.Ld2 Die häufigste Fortsetzung im Anti-Meraner ist [ 12.e4 e5 ] 12...e5 [ Rund zehneinhalb Jahr zuvor hatte Gelfand gegen den Holländer Jeroen Piket in einer Blindpartie in Monaco 12...a6 13.b4! a5 14.a3+/= gespielt. Der vermeintliche Bauerngewinn 14...axb4 15.axb4 Lxb4? entpuppt sich auf den zweiten Blick als schwerer Patzer. 16.Sxb5 Db6 17.Lxb4 cxb5 18.Lxf8 und Schwarz hat die Qualität eingestellt.] 13.Tac1 a6 14.b4 Wie schon in der vorherigen Variante verbietet sich das Nehmen auf b4, auch wenn diesmal die Folgen nicht ganz so verheerend ausfallen. 14...Tfe8 [ 14...Lxb4?! 15.Sxb5 axb5 16.Lxb4 Tfc8 und dank des starken Läufers auf b4 steht Weiß deutlich besser.] 15.Ld3 Lxb4?! Angesichts der Konsequenzen in der Partie sollte Schwarz künftig auf diesen Bauernraub verzichten, obwohl das Karjakin zunächst kein Material kostet. 16.Sg5! Besser als das zuerst von den Computern bevorzugte [ 16.Lxh7+ Sxh7 17.Sd5 Dd8 18.Sxb4 Tc8 19.Sxe5 Nun ist 19...c5! sehr stark. 20.Sxf7! De7! ( 20...Kxf7 erweist sich als schmaler Grat für Schwarz: 21.dxc5 Le4 ( 21...Shf6? 22.Db3+ Kf8 23.c6 mit Gewinn.) 22.Db3+ Kg6 23.Sd3 Sg5 24.Sf4+ Kh7 25.Lb4 Lc6 26.h4 Se4 27.f3 Sg3 28.Dc2+ Kg8 29.Dg6 Dxh4 30.Le1 Dh1+ 31.Kf2 Se4+ 32.fxe4 Sf6 33.Ke2 Sxe4 34.Lc3 Dh7 mit mühsam erkämpftem Ausgleich.) 21.Sxa6 cxd4 22.Db3 Txc1 23.Se5+ De6 24.Lxc1 Dxb3 25.axb3 Sxe5 26.Sc7 Tc8 27.Sxb5 dxe3 28.Lxe3 Sf6 Die Stellung sollte der Anziehende halten, gleichwohl er mit den drei Bauern für die Figur mehr ums Remis kämpfen muss als der Gegner.] 16...h6?N Diese neue Fortsetzung führt zu Problemen. In mehreren Fernschach-Partien via E-Mail gab sich Schwarz keine Blöße durch [ 16...Sf8 17.Sxb5 axb5 18.Lxb4 exd4 19.exd4 Df4 Die Schachprogramme bewerten die Stellung - wie ihre Nutzer im Fernschach-Bereich - als ausgeglichen.] 17.Sxb5! axb5 18.Lh7+! Die Pointe des kurzfristigen Figurenopfers. 18...Kf8[] Der einzige mögliche Zug. [ 18...Kh8 erlaubt 19.Sxf7# ; 18...Sxh7 19.Dxh7+ Kf8 20.Lxb4+ c5 21.Txc5! Sxc5 22.Lxc5+ macht ebenso kurzen Prozess. Schwarz muss auf c5 die Dame geben, weil der Turmzug nach e7 dem König das einzige Fluchtfeld von der Grundlinie nach Dh8+ raubt.] 19.Lxb4+ c5 20.dxc5 Lc6 21.Le4! Ein weiterer enorm starker Zug, der die Tiefe des Gelfand'schen Spiels belegt. Schnöder Figurenrückzug wie [ 21.Sf3 Sxh7 22.Dxh7 Sf6 bringt nichts, weil Karjakin 23.Dh8+ taktisch pariert: 23...Ke7! ( 23...Sg8 24.a3 belässt Weiß seine Druckstellung.) 24.Dxg7 Tg8 25.Dxh6 Lxf3 26.c6+ Ke6 27.Td6+ Dxd6! 28.Lxd6 Txg2+ 29.Kf1 Txa2 30.Dh3+ Sg4 31.Dxf3 Taxf2+ 32.Dxf2 Txf2+ 33.Kg1 Txh2 34.c7 Th8 35.Lxe5 Kxe5 36.c8D Txc8 37.Txc8 Sxe3 38.Tc5+ Ke4 39.Txb5 f5 mit Remisschluss.] 21...Sb8 [ Dagegen verbietet sich 21...hxg5? wegen 22.Lxc6 Dxc6 23.Td6 Dc7 24.c6 und nur die Notmaßnahme 24...Sc5! verhindert den sofortigen Untergang. Allerdings erweist sich die schwarze Lage nach 25.Dxc5 Kg8 26.Tdd1 Teb8 27.Lc3 ebenso als unerquicklich.] 22.Sh7+ Sxh7 23.Lxh7+- g6!? Ein gefährliches Spiel - doch ohne dieses Wagnis würde Gelfand den Mehrbauern dank des Läuferpaars und der durch den Bauern c5 gehemmten feindlichen Figurenstellung zweifellos für sich entscheiden. 24.Td6 Te7 25.h4 h5? Will den weißen Vorstoß nach h5 nebst Öffnung des Königsflügels torpedieren - doch der Schuss geht sofort nach hinten los. [ 25...Dc8!? stellt die Drohung Dg4 auf, weshalb sofortiges 26.h5? die Stellung verpatzt. ( 26.f3 ist richtig.) 26...Dg4 27.f4 Dxh5 28.f5 Dxf5 29.Dxf5 gxf5 30.Lxf5 Txa2 belebt Schwarz, auch wenn 31.e4 gewissen weißen Vorteil bewahrt.] 26.Lxg6! Darauf hatte Gelfand nur gelauert. 26...fxg6 27.Dxg6+- Dem entblößten Monarchen geht es nun an den Kragen. 27...Txa2 28.Tcd1 Tf7 29.Dh6+ Tg7 30.Df6+ Kg8 31.Td8+ Kh7 32.Df5+! Tg6 33.Dxh5+ Th6 34.Df5+ [ 34.Df5+ Karjakin gab auf wegen 34...Tg6 ( 34...Kg7 35.Df8+ Kg6 36.T1d6+ Dxd6 37.Txd6+ Kh5 38.Df5+ Kxh4 39.g3# ) 35.h5 und Weiß setzt stets in ein paar Zügen matt.] 1-0



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