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Aufregender Test für "Tiger von Madras"

Bundesliga-Spitzenspiel: Werder Bremen will Baden-Badener Siegesserie brechen / Philipp Schlosser trumpft in Tirol auf

von FM Hartmut Metz, 26. Februar 2010

 

Es ist nicht allein der letzte Formtest von Weltmeister Viswanathan Anand. Der Inder geht vor der Titelverteidigung Ende April in Sofia gegen den Bulgaren Wesselin Topalow heute noch einmal ans Brett. Gegen Werder Bremen steht in der Bundesliga schließlich für die OSG Baden-Baden die Meisterschaft auf dem Spiel - und weil die Schach-Abteilung des Fußball-Erstligisten meist der schärfste Rivale ist, lässt sich Anand für den Hit stets gerne verpflichten. Fünf der letzten sieben Duelle bestritt der "Tiger von Madras" gegen Bremen. Meist führte er die Kurstädter zum knappen 4,5:3,5-Sieg. Solch einer heute im Heidelberger Kongresshaus Stadthalle würde angesichts von bisher 18:0 Punkten gegenüber 16:2 von Werder und Solingen gewiss die fünfte Meisterschaft in Folge bedeuten.

Beide Spitzenteams rüsten auf, was die großen Figuren des königlichen Spiels hergeben. Der Durchschnitt der Weltranglistenpunkte ergibt für Baden-Baden 2 717 Elo, der von Bremen liegt mit 2 679 Elo nur unwesentlich schlechter. Das bedeutet ungefähr eine Leistungsdifferenz von etwa fünf Prozent an jedem der acht Bretter. "Wir sind sicher Favorit - aber in dem Match ist alles möglich", meint Philipp Schlosser. Obwohl der einzige in der Kurstadt lebende Großmeister in Deutschland mit 2 557 Elo auf Position 18 geführt wird, ist für den OSG-Stammspieler heute kein Platz im Team. Deshalb kommentiert der 41-Jährige im Schachzentrum LA8 (Lichtentaler Allee 8) für die Fans ab 14.30 Uhr die Live-Übertragung.

Seine Klasse bewies der gebürtige Münchner im Januar einmal mehr in der österreichischen Superliga. Weil man im Schach in mehreren Ländern anheuern darf, fungiert Schlosser in Tirol als Stütze bei Jenbach. Zum überraschenden 4,5:1,5 über Titelfavorit Holz Dohr trug er eine Glanzpartie gegen den starken 20-jährigen Ukrainer Juri Kusubow bei.











Kusubow,J (2634) - Schlosser,P (2557) [A34]
Oesterreichische Superliga Graz, 15.01.2010

1.Sf3 Sf6 2.c4 c5 3.g3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.Lg2 Sc6 6.Sc3 Sc7 7.a3 e5?! "Damit nimmt Schwarz vielleicht zu mutig den Fehdehandschuh auf. In einer weiteren Partie würde ich wohl eher [ 7...g6 oder sogar; 7...e6 spielen. Denn dann müsste Weiß erst noch den Nutzen seines letzten Zuges nachweisen. Dagegen kann er das Spiel jetzt durch den Vorstoß seines b-Bauern verschärfen", kommentiert Schlosser.] 8.0-0 Schlosser dazu: "Kusubow lässt sich erst noch ein wenig Zeit mit der Ausführung seines Plans, jedoch kommt es zwei Züge später doch dazu. Dennoch wurden wir beide nach der Partie von Georg Meier, tadelnd gefragt, ob wir wohl seine Partie gegen Timofejew nicht gesehen hätten? Hier die in der Tat beeindruckende positionelle Lektion des jungen Trierers: [ 8.b4 f6 9.Tb1! cxb4 10.axb4 a6 11.0-0 Le7 12.b5 Sxb5 13.Sxb5 axb5 14.Txb5 0-0 15.d3 Ta5 16.Db3+ Kh8 17.Le3 Le6 18.Db1 Ta2 19.Te1+/- und später 1:0 in Meier – Timofejew (Havanna 2009).] 8...f6 9.Tb1 Le7 10.b4 0-0 [ 10...cxb4 11.axb4 Lxb4 scheitert an 12.Sxe5! fxe5 13.Lxc6+ bxc6 14.Txb4 und Weiß steht etwas besser angesichts der vereinzelten schwarzen Bauern.] 11.bxc5 Lxc5 12.Dc2 Kh8 Schlosser: "Da vorerst nichts Unmittelbares ansteht, hielt ich es für ratsam, meinen König aus der Diagonale a2-g8 zu entfernen." 13.e3 De7 14.d4!? Schlosser erzählt: "Angesichts seiner etwas besseren Entwicklung entschließt sich mein Gegner zu einem Bauernopfer, um die Stellung zu öffnen. Ich hatte diese Möglichkeit zwar auch in Betracht gezogen, aber mir deswegen keine ernsten Sorgen gemacht. Unangenehmer für Schwarz könnte dagegen der Computerzug 14.Sh4 sein: Weiß plant den schwarzen Königsflügel mit Le4 unter Druck zu setzen, eventuell könnte später auch f2-f4 folgen. Aber so gut mir diese Idee jetzt gefällt, so wenig hatte ich in der Partie daran gedacht!" 14...exd4 15.exd4?! [ 15.Sa4 Lxa3 16.Sxd4 Sxd4 17.exd4 Lxc1 18.Tfxc1 Se6 19.Dc4 gibt dem Anziehenden gutes Spiel für den Bauern, ohne dass Schwarz aber allzu große Sorgen plagen.] 15...Sxd4 16.Sxd4 Lxd4 17.Se2 Lb6 18.Tb4 Se6?! Das missfällt Schlosser. [ 18...Te8 oder gar; 18...Sa6 19.Th4 g5 20.Te4 Df7 , woran er in der Partie keinen Gedanken verschwendete, "weil die Figuren vom gefährdeten König weg- statt hinziehen", gibt der Baden-Badener als gute Alternativen an. "Teil meines intuitiven Verteidigungskonzepts war es auch, nach Möglichkeit auf den Vorstoß g7-g5 zu verzichten. Weiß kann diesen zwar kaum unmittelbar ausnutzen, jedoch ist damit dennoch stets eine dauerhafte Schwächung des schwarzen Königsflügels verbunden."] 19.Th4 f5 20.Lb2 Ld7 "Natürlich hat es keinen Wert, auf die Entwicklung der Figuren zu verzichten und am Bauern auf b7 zu kleben", erläutert Schachlehrer Schlosser. 21.Dd2 Tf7?! [ 21...Kg8 ist präziser, um den g-Bauern zu entfesseln, der dann den Damenausflug unterbindet.] 22.Ld5 [ 22.Lxb7 Td8 23.Ld5 Lc6 24.Dh6 Sg5 25.Lxc6 Td2! ( 25...Td6 26.Dh5 Txc6 27.Sf4 Kg8 28.Sd5 Dd8 29.Sxb6 Txb6 30.Lc1 h6 31.Le3 Tb3 reicht sicher genauso zum Remis.) 26.Sf4 Kg8 27.Lxg7 Txf2! 28.Le5! ( 28.Txf2 De1+ 29.Kg2 Dxf2+ 30.Kh1 Dg1# ) 28...Txf4+ 29.Kg2 Txf1 30.Kxf1 Dxe5 31.Dxg5+ Kh8 mit Ausgleich.] 22...Lc6 23.Dh6 Dxh4! Ein feines Damenopfer, das zum materiellen Gleichgewicht führt mit Turm, Läufer und Bauer für die Figur. Psychologisch bringt dieses Schwarz in Vorteil. Weshalb, erklärt der Sieger der Partie: "Es ist oft zu beobachten, dass es Spielern schwer fällt, sich nach einer derartigen Transformation in dem neu entstandenen Stellungsbild zurechtzufinden. So ist hier der weiße Angriff praktisch beendet, nachdem seine aktivsten Figuren verschwunden sind. Dagegen ist die schwarze Stellung nicht nur fest, der Ld5 schaut auch unangenehm in die weiße Königsstellung und lässt Fantasien aufkommen ..." 24.Dxh4 Lxd5 25.Sf4 Sxf4 26.Dxf4 Um diesen Zug herum freundeten sich beide Seiten bereits mit einem Remis an - aber auf Grund der neuen Regelung, die Friedensschlüsse unter 30 Zügen untersagt, mussten beide Seiten weiterspielen. Zum Glück, denn es entwickelte sich noch ein sehenswertes Ende! 26...Te8 27.Td1 Lc6 28.Lc3 Kg8 29.h4 h6 30.Te1 Te4! 31.Dd2? Ein unerwarteter Fehler. [ 31.Txe4! sollte mühselig zum Friedensschluss führen, auch wenn Kusubow dadurch den Bauern auf f2 einbüßt. 31...fxe4 32.Db8+ Kh7 33.De5 Lxf2+ 34.Kh2 Lb6 35.h5 Kg8 36.De6 Ld7 37.De5 ( Nur nicht 37.Dxe4?? Tf2+ 38.Kh1 Lc6 ) 37...e3 38.Db8+ Kh7 39.Dxb7 Te7 40.Le1 e2 41.g4 und Schwarz steht nur minimal besser.] 31...Tg4 32.Le5? [ 32.Kh2 f4 33.Kh3 Ld7 34.Kg2 fxg3 35.fxg3 Lf2 36.Dxf2 Lc6+ 37.Kg1 Txf2 38.Kxf2 Tc4 39.Lb4 bietet eher Aussichten auf einen halben Punkt.] 32...f4! "So greift auch noch der bislang nur in der Verteidigung tätige Tf7 in den Angriff ein!", erläutert Schlosser. 33.Kh2 [ 33.Lxf4 verliert umgehend wegen 33...Tfxf4! Nach 34.Dxf4 Txf4 35.gxf4 sind "die schwarzen Läufer dem weißen Turm natürlich weit überlegen zumal alle verbleibenden weißen Bauern schwach sind", ordnet Schlosser ein.] 33...Lxf2! "Das war verlockend und einfach zu berechnen", berichtet Schlosser, warum er nicht zum objektiv noch stärkeren [ 33...fxg3+ 34.Lxg3 Lxf2! 35.Lxf2 ( 35.Dd8+ Tf8 ) 35...Tg2+ 36.Kh3 Tgxf2 37.Dd8+ Tf8 38.Dd4 T8f3+ 39.Kg4 Tg2+ 40.Kh5 Tf5# griff.] 34.Lxf4? [ 34.Dxf2 ist zäher, dürfte langfristig aber auch nicht reichen. 34...fxg3+ 35.Dxg3 Txg3 36.Lxg3 Tf3 37.Ld6 Td3 38.Lb4 mit zwei schwarzen Mehrbauern] 34...Tfxf4!-+ 35.Da2+ Kh8 36.Te8+ Verzweiflung. [ 36.gxf4 lässt 36...Txh4# zu!] 36...Lxe8 37.gxf4 Txh4+ 38.Kg2 Lc6+ [ 38...Lc6+ 39.Kf1 ( 39.Kxf2 Th2+ 40.Ke3 Txa2 ) 39...Lg3 40.Db3 Txf4+ 41.Ke2 Tf2+ 42.Kd1 Lf3+ 43.Kc1 Lf4+ 44.Kb1 Le4+ 45.Ka1 Le5+ 46.Db2 Txb2 47.a4 Th2# mochte Kusubow nicht mehr sehen.] 0-1



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