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Mehr als 30 Jahre an einer Studie gefeilt

"Mozart der Schach-Komponisten": 100. Geburtstag von Genrich Kasparjan

von FM Hartmut Metz, 13. März 2010

 

Studien sind im Schach eine besondere Kunstform: Im Idealfall gewinnt dabei Weiß durch eine überraschende Zugfolge oder rettet eine hoffnungslos scheinende Stellung ins Remis. Mancher Klubspieler tut diese "Traumfabriken für Schachspieler" als abstruse Zugfolgen ohne Nutzen ab - ein schwerer Fehler: Manches Motiv aus Studien würde noch der ein oder anderen Turnierpartie Leben einhauchen. Nicht umsonst nennt der in Berlin lebende Weltranglistenfünfte Lewon Aronjan eine Studiensammlung von Genrich Moissejewitsch Kasparjan als sein Lieblingsbuch!

Just dieser hätte vor zwei Wochen, am 27. Februar, seinen 100. Geburtstag feiern können. Der 1910 in Tiflis geborene Armenier, der 1995 in Jerewan starb, war auch ein enorm starker Spieler. Kasparjan kreuzte mit allen Großen der Sowjetunion die Klinge. So schlug der Bauingenieur unter anderem mehrfach die späteren Weltmeister Michail Botwinnik und Tigran Petrosjan, David Bronstein oder die mit 78 Jahren noch immer aktive Legende Viktor Kortschnoi. Mit Petrosjan teilte Kasparjan auch zwei seiner zehn armenischen Meisterschaften, die er von 1934 bis 1956 gewann. Viermal war der "Verdiente Meister des Sports" bei sowjetischen Meisterschaften dabei, womit man automatisch zur Weltklasse zu zählen war.

Herausragend waren jedoch seine Kompositionen. Die erste entwickelte Kasparjan 1928 und ersann 545 bis heute korrekte Studien - mit einer Idee beschäftigte er sich dabei mehr als 30 Jahre lang! Etwa 300 seiner Studien wurden in Wettbewerben ausgezeichnet, 57 eroberten erste Preise! 1972 ernannte der Schach-Weltverband FIDE den "Mozart der Studien" zum ersten Großmeister für Kompositionen.

Eine der glänzendsten Studien überhaupt veröffentlichte Kasparjan 1935 in der Schach-Zeitschrift "Shakhmaty v SSSR". Weiß knüpft ein fantastisches Mattnetz!











Kasparjan,G
"Shakhmaty v SSSR" , 1. Preis, 1939

1.Lg5! b3 [ 1...Tg8? 2.Td2+ Kb3 ( 2...Ka1 3.f7 Tf8 4.Lf6# ) 3.f7 Tf8 4.Tf2 a3 5.Le7 a2 6.Tf3+ Ka4 7.Kb2 und Weiß gewinnt.] 2.Td2+ Ka1 3.f7 Txg5 4.f8D Tg1+ 5.Td1 Tg2 Plötzlich droht Schwarz auf zwei Arten ein Matt. 6.Da3+ Ta2 7.Td2!! [ 7.Dc5 Th2 8.Td2 Th1+ 9.Td1 Th2 und; 7.Dxa2+ Kxa2 8.Td2+ Ka1 9.Tb2 a3 10.Txb3 a2= führen zum Remis.] 7...Txa3 [ 7...b2+ 8.Dxb2+ Txb2 9.Txb2 a3 10.Tb1+ Ka2 11.Tb8 Ka1 12.Kc2 a2 13.Kb3 Kb1 14.Ka3+ Ka1 15.Th8 Kb1 16.Th1+ Kc2 17.Kxa2 ] 8.Tb2 Ta2 9.Tb1# 1-0



Die nächste Studie erhielt 1939 in "Shakhmaty v SSSR" den ersten Preis.











Kasparjan,G
"Shakhmaty v SSSR", 1935

1.Se8 [ 1.Sf5? führt nach 1...Kg4! 2.Se3+ Kf3 3.Sxf1 Tf2 nur zu einer Remisstellung.] 1...Kg6 2.h5+ Txh5 [ 2...Kxh5 3.Sg7+ Kg6 4.Lf5# ] 3.f5+ Txf5 4.g4 Te5 5.Lf5+! [ 5.Sg7 f5 führt wieder nur zur Punkteteilung.] 5...Txf5 6.Sg7 Diagramm Schwarz kann das Matt durch den Bauern auf f5 oder h5 nicht mehr verhindern! 1-0



Das Zugzwang-Motiv illustriert auch die Aufgabe von 1954 aus "Shakhmaty v SSSR".











Kasparjan,G
"Shakhmaty v SSSR", 1954

1.h4+ [ 1.Ta3? Kh4 ] 1...Kxh4 2.Th6+ Kg5 3.Th5+! Kxh5 4.Ld1 Kg4 5.Kg2 Lf1+ 6.Kh2 Die Stellung sieht hoffnungslos aus für Weiß - doch beide Seiten befinden sich in Zugzwang. Schwarz kann keinen Fortschritt erzielen, will er den Turm nicht verlieren, was umgehend zum Remis führt! Eine Schlussstellung, die Computer nicht verstehen und Schwarz daher als Gewinner sehen. 6...Lh3 7.Le2 Lf1 8.Ld1 Lc4 9.Kg2 Ld5 10.Le2 Lc6 11.Ld1= 1/2-1/2



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