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Volle Breitseite gegen "Teehaus-Star"

Nationalteam-Boykott: Spieler watschen Bundestrainer Bönsch ab

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 8. August 2010

 

Was sind schon 10 000 Euro? Für einen deutschen Schachprofi viel Geld. An der Summe scheitert die Teilnahme der nationalen Spitze bei der Schach-Olympiade in Sibirien. Den Boykott findet Klaus Deventer ziemlich albern. Der Leistungssportreferent des Deutschen Schachbundes (DSB) argumentiert vor dem wichtigsten Mannschaftswettbewerb im Herbst, jeder Fußballer trete auch liebend gerne im Nationalteam an, obwohl er da deutlich weniger kassiere. Allerdings: Selbst ein Bundesliga-Durchschnittskicker wie Sebastian Freis handelte bei seinem Wechsel vom Karlsruher SC zum 1. Köln allein eine zusätzliche Prämie von jeweils 30 000 Euro pro Sieg aus. Eine Summe, für die ein Schachspieler das ganze Jahr über in mehreren Ligen spielen muss!

Nachdem die Honorare der Großmeister seit 1990 nicht mehr erhöht wurden, verlangten Arkadij Naiditsch, Georg Meier, Jan Gustafsson (alle OSG Baden-Baden) und Daniel Fridman (SV Mülheim-Nord) ein angemessenes Salär, sprich insgesamt rund 10 000 Euro mehr. Für ihr knapp einmonatiges Engagement wollte das Quartett je nach Position in der Weltrangliste um die 5 000 Euro pro Nase.

Obwohl die DSB-Spitze um Präsident Robert von Weizsäcker, dem Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard, das Problem schon lange bekannt war, änderte sich nichts. Man finde keine Sponsoren und dürfe die Verbandskasse nicht durch den Spitzensport belasten, lauteten die Argumente. Nur Brotkrumen fielen für die Aushängeschilder ab: Naiditsch erhielt einmal für die Europameisterschaft 800 Euro Zuschuss, Gustafsson bekam 350 Euro.

Der Hamburger versuchte auf eigene Faust Sponsoren zu finden - auch vergebens. Während er und Fridman noch moderat ihre Kritik formulierten, "eskalierte die Sache nach Arkadijs offenem Brief und dürfte zum Bruch führen", glaubt Gustafsson. Hatte Meier schon den Rücktritt von Deventer gefordert und die Arbeit von Bundestrainer Uwe Bönsch als miserabel gegeißelt, watschte Naiditsch die DSB-Funktionärsriege noch gnadenloser ab. Zu Recht, muss man sagen, wenn nur die Hälfte stimmt - und die ausbleibenden Reaktionen des DSB lassen Schlimmeres vermuten!

Naiditsch mutmaßt auf der englischsprachigen Webseite Chessvibes.com, Deventer "hasse gar das Profischach". Turnierleiter Ralph Alt plane die Wettbewerbe stets so, dass sie in seine Ferien passten - die deutschen und die europäischen Einzel-Meisterschaften überschnitten sich deshalb. Besonderen Beifall im Forum erhielt die deutsche Nummer eins für seine Ausführungen über Bönsch. "Das hat ganz schön eingeschlagen", bemerkte Naiditsch vergangenen Samstag grinsend während des Baden-Badener Mannschaftssimultans. "Die schachliche Hilfe von Herrn Bönsch beschränkt sich Jahr für Jahr auf eines: nichts außer Tee. Meiner Meinung nach könnte unser Nationaltrainer der Star in jedem Teehaus sein!"

Zur Olympiade in Sibirien soll nun ein chancenloses B-Team fahren, darunter das Hamburger Talent Niclas Huschenbeth. Wie es international hart zu geht, bekam der deutsche Überraschungs-Einzelmeister beim Mitropa-Cup in Chur zu spüren. Gegen das 14-jährige ungarische Wunderkind Richard Rapport setzte es eine herbe Schlappe.











Rapport,R (2509) - Huschenbeth,N (2457) [D24]
Ungarn - Deutschland Chur (Schweiz), 04.06.2010

1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 dxc4 4.Sc3 a6 5.e4 b5 6.e5 Sd5 7.a4 Lb7 8.e6!? Ein durchaus vertretbares Bauernopfer, weil die schwarzen Kräfte am Königsflügel danach Schwierigkeiten haben, sich leicht und harmonisch zu entwickeln. 8...fxe6 [ 8...f6 9.Se4 Sb4 10.Sc5 Lxf3 11.gxf3 S8c6 ( Als Fehler entpuppt sich 11...Dxd4? 12.Dxd4 Sc2+ 13.Kd1 Sxd4 14.axb5 Sxb5 15.Lxc4 Sd6 16.Lxa6 mit weißem Vorteil.) 12.Le3 g6 13.Dd2 Sd5 ( 13...Sxd4 geht jetzt nicht mehr wegen 14.Lxd4 Dxd4 15.Dxb4 ( 15.Dxd4? Sc2+ ) ) 14.f4 und Weiß verfügt über die besseren Aussichten.] 9.Le2 Sxc3 10.bxc3 Dd5 11.Sg5!? Ein überraschender Zug! Ohne Not gibt Rapport den Bauern auf g2 auf - doch dafür kann er Druck auf e6 machen. 11...Dxg2 12.Tf1 Sd7 13.Sxe6 Tc8 14.axb5 axb5 15.Ta7 Dc6 [ 15...Sf6 kommt in Betracht.] 16.Lg4 Db6? Bisher spielte Huschenbeth stark. Der Zug ist jedoch ein schwerer Fehler. [ 16...Sf6! 17.Tg1 De4+ 18.Le3 Sxg4 19.Dxg4 Db1+ 20.Dd1 Dxd1+ 21.Kxd1 Lf3+ 22.Kd2 Kd7 23.Sc5+ Ke8 ( 23...Kc6?? 24.Ta6+ Kd5 25.Tg5+ e5 26.Txe5# ) 24.Se6 Kd7 könnte in eine Zugwiederholung samt Remisschluss münden.] 17.Sc5! Dxa7 [ 17...Sxc5 macht's nicht besser. 18.dxc5 Dxa7 19.Dd7+ Kf7 20.De6+ Ke8 21.c6 Lxc6 22.Dxc6+ Kf7 23.Le6+ Kf6 24.Ld7+ Kf7 25.De6# ] 18.Lxd7+ Kd8 19.Dh5 Droht schlicht ein Matt auf e8. 19...g6 20.Lxb5!! Mit der finsteren Absicht 21.Se6 matt. 20...c6 21.Dd5+! Dieser geniale Zug war dem Hamburger sicher entgangen. Nach allen anderen Fortsetzungen hätte Schwarz noch kämpfen können. So aber lässt sich ein Matt nicht mehr vermeiden. [ 21.Dd5+ Kc7 ( 21...cxd5 22.Se6# gefällt am meisten als Schlussbild.) 22.Lf4+ e5 23.Lxe5+ Kb6 24.Sd7+ Ka5 25.Dxc4+- cxb5 26.Da2+ La3 27.Dxa3# ] 1-0



Dortmund 2010
Hat das Tischtuch mit dem DSB durch scharfe Worte endgültig zerschnitten:
Arkadij Naiditsch, hier am Brett gegen Rochade-Senior Fritz Kolb
(im Hintergrund im "grünen Trikot" außerdem Lutz Schäfer)

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