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Fridman erledigt seine Hausarbeiten

Nur einer der Nationalmannschafts-Rebellen in Mainz zufrieden / Naiditsch startet nach Schlappe gegen Schwekendiek eine Aufholjagd

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 22. August 2010

 

Für die ausgestoßenen deutschen Schach-Nationalspieler sind die Chess Classic Mainz alles andere als gut gelaufen. Bei der Schnellschach-Weltmeisterschaft blieben sie nach dem Honorar-Zwist mit dem Deutschen Schachbund (DSB) hinter ihren Hoffnungen zurück. Mit einem Augenzwinkern sah Daniel Fridman die vertauschte familiäre Reihenfolge: Nicht der Mülheimer Bundesligaspieler lag mit acht Punkten nach elf Runden vorne, sondern seine Ehefrau Anna Zatonskih. Die zweifache ukrainische und dreimalige US-Meisterin landete mit 8,5 Zählern auf Platz 26 unter 701 Teilnehmern knapp vor ihrem nominell weit stärkeren Gatten (28.). Obwohl Fridman nun die Schnellschach-Weltmeisterin daheim hat, bedeutet das keine zusätzliche Hausarbeit für den Großmeister. "Ich bin nicht faul und mache das eh schon", berichtete Fridman trotz der verpassten Preisränge verschmitzt.

Mehr Frust verspürte Jan Gustafsson: "Ärgerlich, ich spielte in der letzten Partie schlecht", tadelte sich der Hamburger nach seiner Schlussrunden-Niederlage gegen Jewgeni Barejew. Der Russe rückte so mit 9,5 Punkten bis auf den geteilten zweiten bis vierten Platz hinter dem neuen Weltmeister Gata Kamsky (USA/10) vor, während sich Gustafsson mit dem elften Rang und 500 Euro Preisgeld begnügen musste. Exakt 1000 Euro kostete den Profi die Schlappe nach einem zuvor starken Turnier.

So wurde Gustafssons Baden-Badener Bundesliga-Vereinskamerad Arkadij Naiditsch doch bester Deutscher - obwohl die nationale Nummer eins am ersten Tag gleich zweimal gegen Außenseiter gepatzt hatte. Erst führte ihn die Luxemburger Großmeisterin Elvira Berend-Sachatowa vor, noch peinlicher wurde es beim Königsgambit von Ulrich Schwekendiek. Der Amateur von Rotation Pankow brachte den Dortmunder Weltklassespieler durch mutiges Opferspiel zur Strecke. Doch am Sonntag ließ sich Naiditsch in keiner der sechs Partien stoppen und kletterte mit insgesamt neun Punkten auf Rang neun.

"Mit Königsgambit die deutsche Nr. 1 umgehauen" titelt Chefredakteur Otto Borik im demnächst erscheinenden September-Heft des "Schach-Magazin 64" und schreibt weiter: "Ist das Königsgambit ,zu frech' oder gerade das Richtige gegen einen nominell viel (um 405 Elo-Punkte) stärkeren Gegner? Da fühlt man sich an einen Altmeister erinnert, der - nach der Bewertung seiner Materialinvestition befragt - den viel zitierten Spruch ,Wenn ich gewinne, war es ein Opfer, wenn ich verliere, war es ein Fehler' von sich gab. Es gibt keine richtigen oder falschen Varianten gegen einen stärkeren Gegner, es kommt allein darauf an, wie gut man selbst (und der Gegner) spielt. Richtig ist allerdings, dass im Schnellschach der Taktik eine noch größere Bedeutung zukommt als im Turnierschach. Auf staubtrockene technische Stellungen soll man sich gegen Profis nicht einlassen, sie spulen diese in Sekundenschnelle herunter, beim Kombinieren unterlaufen ihnen eher Fehler. So auch in der vorliegenden Partie." Die nachstehenden Kommentare fußen auf der Analyse des früheren Nationalspielers Borik.











Schwekendiek,U (2279) - Naiditsch,A (2684) [C39]
Schnellschach-WM Mainz, 07.08.2010

1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Sf3 g5 4.h4 g4 5.Se5 d5 [ In der Praxis hat sich eher 5...d6 6.Sxg4 Sf6 7.Sxf6+ Dxf6 bewährt, Weltmeister Anand spielt zum Beispiel so gegen das Königsgambit.] 6.exd5 Ld6?! Ein naheliegender, aber möglicherweise nicht bester Zug. [ Zu einem unklaren Spiel führt 6...De7 7.Lb5+ ( 7.De2 Sf6 8.Sc3 Sh5 drohend ...Sg3) 7...Kd8! 8.De2 f6 9.Sd3 Dxe2+ 10.Kxe2 Ld6 11.Tf1 Se7 12.Sxf4 Sf5 ] 7.d4 Sf6 8.Sc3 [ 8.Sc3 Mit 8...0-0 9.Lxf4 war Naiditsch offenbar nicht zufrieden und so deckte er den Bauern f4. Doch nach ] 8...Sh5? 9.Lb5+ musste er mit seinem König ziehen, denn [ 9.Lb5+ Sd7 hätte nach 10.Dxg4 Shf6 11.Dg7 Tf8 12.Kd1 a6 13.Te1 bereits verloren.] 9...Kf8 10.Lxf4! So hatte man im 19. Jahrhundert das Königsgambit gespielt: eine Figur reingepfeffert, die f-Linie geöffnet, die Schwäche f7 angegriffen, gewonnen. 10...Sxf4 11.0-0 Sg6 [ Auch 11...Dxh4 12.Txf4 f5 13.Ld3 begeistert nur Weiß.] 12.Sxf7 Lh2+ 13.Kxh2 Dxh4+ 14.Kg1 g3 Die Mattdrohung auf h2 kann leicht abgewehrt werden. 15.Sg5+ Kg7 [ Nach 15...Kg8 16.Sf3 Dh6 ist 17.De1 (droht De8+) sehr gut für Weiß.] 16.Tf7+ Kg8 17.Sce4! Dh2+ 18.Kf1 Dh1+ 19.Ke2 Lg4+ 20.Kd3 Wegen der Drohung Sf6 matt bleibt die Dame auf d1 tabu. 20...Sf4+ 21.Kc4 Schwarz hat kein vernünftiges Schach mehr und gab die spektakuläre Partie auf. 1-0



CCM 2010
Trotz der Pleite in der fünften Runde spielte sich Arkadij Naiditsch noch mit 6/6 in die Top Ten

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