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Doppelte Schmach in Sibirien
Schach-Präsident von Weizsäcker noch schwächer als das C-Team
von FM Hartmut Metz, 30. Oktober 2010
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Was soll man dazu noch sagen, wenn Pakistan vor Deutschland landet?", fragt Arkadij Naiditsch rein rhetorisch. Im Hockey wäre solch ein Resultat kein Drama - doch bei der Schach-Olympiade sieht es nicht nur die deutsche Nummer eins als Schmach, wenn ein Team mit einem Spieler ohne internationale Elo-Wertungszahl vor der Auswahl von Uwe Bönsch landet. Die belegte im sibirischen Chanty-Mansijsk mit 11:11 Punkten Platz 64 unter 148 Teilnehmern, zwei Ränge hinter Pakistan.
Dem angetretenen deutschen C-Team ist kein sonderlicher Vorwurf zu machen. Der Hockenheimer Großmeister Rainer Buhmann zeigte am Spitzenbrett mit 5,5:4,5 Punkten eine gute Leistung. Gleiches gilt für den Berliner Martin Krämer (6:3). "Die Möglichkeiten der Spieler sind halt begrenzt", meint Georg Meier und ergänzt, "wenn's gut läuft, hätten wir mit unserer homogenen Mannschaft in die Top Ten kommen können."
Er und seine zwei Mannschaftskameraden bei der OSG Baden-Baden, Naiditsch und Jan Gustafsson, sowie der Mülheimer Daniel Fridman hatten sich mit dem Deutschen Schachbund (DSB) überworfen. Der Verband schaffte es nicht, den Profis ein angemessenes Salär im mittleren vierstelligen Bereich zu bieten. Wolfgang Grenke sieht den Verband in der Pflicht, "die Profis entsprechend zu bezahlen". Der Baden-Badener Sponsor hätte im Notfall ausgeholfen. Dem DSB legte Grenke nahe, "andere Strukturen zu schaffen, denn so wie jetzt wird der Verband keine Bäume ausreißen".
Mit einem einfachen Mittel, meint der Kurstädter, könnte der DSB Sponsorengelder "rausschlagen: Präsident Robert von Weizsäcker hätte Redeauftritte bei Unternehmen anbieten können und als Gegenleistung eine Spende an den Verband verlangen". Doch der Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten versagte bisher als DSB-Oberhaupt. Der Münchner Professor fällt nur auf, wenn er wieder einmal "Zeitmangel" beklagt - für eine Kandidatur als Präsident der Europäischen Schachunion hatte von Weizsäcker aber Zeit. Bei der Wahl scheiterte er in Chanty-Mansijsk jedoch kläglich. Dass er anschließend einen Schwächeanfall erlitt, als er von Gegnern des Weltverbandes FIDE attackiert wurde, hält nicht nur Meier "für amüsant und passt ins Bild". Das Tischtuch zwischen dem DSB und seinen Besten scheint auf längere Sicht zerschnitten.
Welche Spielkunst der deutschen Auswahl entgeht, demonstrierte Naiditsch am Sonntag in der Bundesliga bei seinem Sieg gegen den Remagener Bart Michiels.
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Michiels,B (2459) - Naiditsch,A (2674) [C48]
Bundesliga Baden-Baden, 10.10.2010
1.e4
e5
2.Sf3
Sc6
3.Sc3
Sf6
4.Lb5
Ld6
5.0-0
0-0
6.d3
a6
7.La4
h6
8.a3
Te8
9.Le3
Lf8
10.Lb3
d6
11.h3
Le6
12.Lxe6
fxe6
13.Se2
d5
14.Sg3
a5
15.Sh2
Ld6
16.Sh5
Tf8
17.Sxf6+
Dxf6
18.Dh5
a4
19.Sf3
Se7
20.Tae1
Dg6
21.Dxg6
Sxg6
22.Ld2
d4
23.Tc1
c5
Schwarz hat bisher ausgeglichen. Aber wie soll es weitergehen? b5 nebst Bauernsturm am Damenflügel sieht vielversprechend aus. Das will Weiß sogleich torpedieren.
24.c4
[ 24.Tb1
b5
25.b4
( 25.b3!?
b4
26.axb4
a3
27.bxc5
Lxc5
28.b4
Le7
29.Tb3
Txf3!
30.gxf3
Sh4
31.Ta1
Sxf3+
32.Kg2
Sxd2
33.Tbxa3
Txa3
34.Txa3
Lxb4
35.Ta4
Le7
36.Ta7
Lf6
37.Tb7
könnte zum Remis reichen, weil der Springer keine Fluchtfelder hat und somit das materielle Übergewicht kaum zum Tragen kommt.) 25...c4
26.dxc4
bxc4
27.Tfe1
Tab8
28.Tbd1
sieht Schwarz am Drücker, auch wenn Weiß noch genügend Ressourcen hat, um nicht zusammenzubrechen.]
24...Txf3!
Ein Qualitätsopfer aus heiterem Himmel. Dieses gewährt Naiditsch exzellente Chancen, wie die Partie beweist. [ 24...Ta6
25.Tfd1
Tb6
26.Tc2
Tb3
27.Lc1
Le7
28.Kf1
ist für Schwarz risikolos, aber auch nicht sonderlich verheißend, will er den vollen Punkt einheimsen. Weiß hält die neuralgischen Punkte zusammen.]
25.gxf3
Tf8
26.b4?
Der erste gröbere Fehler. [ 26.f4!
exf4
27.Tfd1
Se5
28.Le1
hält den Laden zusammen. Die schwarzen Figuren kommen dann nicht so ins Spiel wie jetzt.]
26...Txf3-/+
27.bxc5
Lxc5
28.Lb4
b6!
[ Vermutlich gibt 28...Lxb4
Michiels eher Chancen auf ein Remis. 29.axb4
Txd3
30.Ta1
a3
31.Ta2
Sf4
32.Tfa1
Tc3
33.c5
Tb3
34.Txa3
Txb4
35.Kf1
Tc4-/+
36.Tb3
Txc5
37.Txb7
Tc3
38.Ke1
( 38.Kg1
Sxh3+
39.Kg2
Sf4+
40.Kh2
Th3+
41.Kg1
Th4
42.Ta5
d3
43.Txe5
Tg4+
44.Kh1
Kh7
45.Ta5
h5-+
und Weiß hat schwer zu kämpfen.; 38.Taa7??
Tc1#
) 38...Txh3
39.Taa7
Th1+
40.Kd2
Tg1
41.Ta3
d3
42.Ta5
h5
43.Txe5
h4
44.Ke3
d2
45.Tb8+
Kf7
46.Kxd2
h3
47.Th8
Sg6
48.Teh5
Sxh8
49.Txh8
Th1
50.Ke3
g5
51.f3
Th2
52.Kd4
Kg7
53.Th5
Kg6
54.Th8
g4
55.fxg4
Kg5
56.Ke5
Kxg4
57.Kxe6=
]
29.Lxc5
bxc5
30.Tfd1
Sf4
31.Tb1
Txh3
32.Tb8+
Kh7
33.Ta8
Sxd3
34.Tb1
Th4
35.f3
Sf4
36.Tb7
Th3
37.Txa4
Tg3+
38.Kh1
d3
39.Td7
Kg6!
Sieht im ersten Moment wie ein Fehler aus.
40.Taa7
Wie soll Schwarz jetzt g7 überdecken?
40...Kh5!
Gar nicht!
41.a4
[ 41.Txg7
verliert nämlich umgehend: 41...d2
42.Tad7
Th3+
43.Kg1
Sd5!
und der d-Bauer marschiert zur Dame.]
41...Kh4
Der König unterstützt den Mattangriff. Weiß kann sich dagegen nicht mehr wehren.
42.Tab7
Kh3
43.Tb1
Tg2!
Andere Züge gewinnen auch, aber präzise bis zum Schluss knüpft Naiditsch das Mattnetz.
44.Te1
Se2
Michiels darf sich nur noch das Matt aussuchen und gab deshalb auf. 0-1
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