Der Lehrmeister der Amerikaner
Naturtalent Larry Evans war lieber Autor als Schachspieler
von FM Hartmut Metz, 5. Dezember 2010
|
|
Der Lehrmeister der AmerikanerNaturtalent Larry Evans war lieber Autor als Schachspielervon FM Hartmut Metz, 5. Dezember 2010 |
Der sowjetische Altmeister Juri Awerbach hat ihn vom Talent her auf Augenhöhe gesehen mit Legenden wie David Bronstein oder Weltmeister Boris Spasski. Mit der "eröffnungstheoretischen Vorbereitung, körperlichem wie psychischem Training" wäre Larry Evans in den 50er Jahren durchaus den Staatsamateuren im Schach ebenbürtig gewesen, schob Awerbach nach, als der Amerikaner nichts davon wissen wollte. "Schach ist ein Spiel, bei dem sich jeder hinsetzt und zieht. Vorbereitung ist überflüssig", beschied ihn Evans und beendete damit die Lobpreisung des Russen.
Die Erzählung von Larry Parr, der auf einer US-Schachwebseite seinen Weggefährten würdigte, ist typisch für den am 15. November verstorbenen 78-Jährigen. Evans gewann 1951 seine erste von fünf US-Meisterschaften vor Samuel Reschewski, der damals als ungekrönter Weltmeister galt. Dabei hatte der 19-Jährige bis dahin keinerlei spezielle Schachausbildung genossen! Das Naturtalent hatte auch schon das Jahr zuvor bei der Olympiade in Dubrovnik im US-Nationalteam mit 9:1 Punkten für Aufsehen gesorgt. Obwohl Evans bei seiner letzten Olympiade 1976 in Haifa (Israel) sogar Gold mit den Vereinigten Staaten holte und bei seinen gelegentlichen Turnierteilnahmen der Weltklasse Paroli bot, entschied sich der Großmeister aus Reno für eine Karriere als Autor. Das schien ihm finanziell einträglicher.
Siegbert Tarrasch gilt als "Praeceptor Germaniae" - die Rolle als Lehrmeister der Amerikaner übernahm Evans in seiner Heimat. Mehr als 25 Schachbücher verfasste das Multitalent - darunter vor allem das legendäre "Meine 60 denkwürdigen Partien" zusammen mit Bobby Fischer. Mit dem Weltmeister von 1972 arbeitete er lange zusammen. Das Genie schrieb im Gegenzug unter anderem für das "American Chess Quarterly", das Evans herausgab. Laut Larry Parr gilt auch dessen Buch zu Fischers WM-Sieg über Spasski als bestes der zahllosen Werke, die sich dem aufregenden Zweikampf von Reykjavik widmeten.
Über Dekaden noch wichtiger waren die Kolumnen des Mannes aus Nevada in renommierten Blättern. Evans soll wöchentlich für mehr als sechs Millionen Lesern geschrieben haben und damit der erfolgreichste Schachautor in Zeitungen gewesen sein. Für das renommierte "Time"-Magazin wie "Sports Illustrated" berichtete der fünffache US-Meister über das königliche Spiel und war für den landesweiten Sender ABC als Sportkommentator tätig.
Am Brett galt Evans als materialistischer Bauernräuber. Bei der WM-Qualifikation 1964, dem sogenannten Interzonenturnier, in Amsterdam gelang ihm ein sehenswerter Opferreigen gegen Bela Berger.
