Startseite Rochade Kuppenheim

Jauch-Millionär verteilt Danaergeschenk

Weihnachtspräsente für "verrückte" Schachspieler / Glänzendes Werk über den "Hexer von Riga": Kombinationskünstler Michail Tal

von FM Hartmut Metz, 11. Dezember 2010

 

Schachspieler seien "so schön verrückt, wie Künstler eigentlich sein sollten, aber leider nicht sind", beklagte Marcel Duchamp einmal. Der Franzose muss es wissen. Schließlich hat er laut dem Brockhaus nicht nur die Kunst des 20. Jahrhunderts so geprägt wie kaum ein anderer - und der Objektkünstler kehrte in den 1920er Jahren der Kunst den Rücken und widmete sich dem Denkspiel. Dabei brachte es Duchamp sogar zum Nationalspieler. "Wenn auch nicht alle Künstler Schachspieler sind, so sind alle Schachspieler Künstler", befand er später.

Martin Breutigam hat seine Schachkolumnen der vergangenen fünf Jahre, die meist im Berliner "Tagesspiegel" erschienen, in "Todesküsse am Brett" zusammengestellt. Die sind so wie in der eingeleiteten Geschichte mit "Pu, dem Bär", der wusste, dass "Honigessen etwas sehr Gutes ist". Es gebe aber "einen Augenblick, kurz bevor man anfängt mit dem Honigessen, der noch besser ist als das Essen". Man freut sich also auf jede der 140 Episoden. Lediglich die Auswahl der Schachaufgaben bleibt dahinter zurück. Gelegentlich fällt doch eine unspektakulär aus wie im Falle von Duchamp.

Aber insgesamt überwiegen auch bei den Kombinationen die schönen Beispiele. Etwa der Sieg von Eckhard Freise. Der Geschichtsprofessor, der als Erster bei Günther Jauchs RTL-Show eine Million Mark einheimste, erweist sich immer wieder als eloquenter Schachspieler. Zur nachfolgenden Stellung sei es am "Tag des Dutschke-Attentats von 1968" gekommen, erinnert sich Freise noch genau an seinen Sieg über Friedhelm Spilker bei der Ostwestfalen-Meisterschaft.











Spilker,F - Freise,E [D00]
Ostwestfalen-Meisterschaft Borgholzhausen), 1968

1.d4 Sf6 2.e3 c5 3.Ld3 d5 4.c3 Sc6 5.Sd2 Lg4 6.f3 Lh5 7.Sh3 e5 8.dxe5 Sxe5 9.Lb5+ Sc6 10.Sf4 Ld6 11.Da4 Dc7 12.Lxc6+ bxc6 13.Sxh5 Sxh5 14.Dg4 g6 15.Sb3 f5 16.Dh4 0-0 17.0-0 Tae8 18.Ld2 f4 19.exf4 Sxf4 20.Lxf4 Txf4 21.Df2 Tf5 22.g3 Tg5 23.Kg2 Diagramm 23...Lxg3! "Ein Danaergeschenk", kommentiert Geschichts-Professor Eckhard Freise diese Ablenkung. "Soll die Burg Trojas nicht fallen, muss die Königin dran glauben." 24.hxg3 Te2 Weiß gab auf wegen [ 24...Te2 25.Dxe2 Dxg3+ 26.Kh1 Th5+ 27.Dh2 Txh2# ] 0-1



Neben dem preisgünstigen Band "Todesküsse am Brett" (Details siehe am Ende des Beitrags) gibt es einige andere neue Bücher für Anfänger, Hobby- und Vereinsspieler: Unterhaltsam wie einprägsam für Kinder ist vor allem "Starke Bauernregeln". Das offizielle Lehrbuch der "Stiftung Deutsches Schulschach" bietet den Kindern 200 gereimte Eselsbrücken, um sich die ehernen Gesetze des königlichen Spiels leichter merken zu können. "Zieh am Anfang doch nicht dumm - nur mit einem Stein herum" oder "Wenn der Gegner dir was stiftet, prüf bei Bauern, ob vergiftet" sind schöne Beispiele - viele Reime fallen allerdings doch zu krumm und lang aus. Dafür entschädigen jedoch die farbenprächtige Aufmachung und die Cartoons von Caspar Frei samt den lehrreichen Schach-Beispielen, die es auch auf DVD (29,99 Euro) bei der Firma Chessbase gibt.

Erwachsene, die Kombinationen zum Lösen suchen, sind mit "Taktik gewinnt!" gut versorgt. Volkhard Igney hat "500 Beispiele aus der Turnierpraxis" zusammengefasst.

Am besten ist aber die 308 Seiten starke Hommage an den verstorbenen früheren Weltmeister Michail Tal. "Der Hexer von Riga" war taktisch brillant. Die 100 schönsten und instruktivsten Beispiele präsentieren Raymund Stolze und Karsten Müller in "Zaubern mit dem Schachweltmeister Michail Tal". Der Hamburger Großmeister beweist dabei, dass er nicht "nur" der Halbgott der Endspiele ist - die letzte Partiephase hat Müller mit inzwischen sieben empfehlenswerten DVDs (je 29,99 Euro) bei Chessbase beleuchtet. Beiträge von Legenden wie den Ex-Weltmeistern Boris Spasski, Wladimir Kramnik oder Artur Jussupow runden das Werk über Tal ab. Dazu trägt auch Robert Hübner mit seiner akribischen Analyse einer Partie über 42 Seiten hinweg bei! Das Buch über Tal hat das Zeug zum Klassiker.

Martin Breutigam, "Todesküsse am Brett", Verlag Die Werkstatt, 160 Seiten, ISBN 978-3-89533-743-7, 9,90 Euro.

Burkhard Starke und Rainer Knaak, "Starke Bauernregeln", Edition Olms, 160 Seiten, ISBN 978-3-283-01014-0, 17,80 Euro.

Volker Igney, "Taktik gewinnt!", Edition Olms, 168 Seiten, ISBN 978-3-283-01009-6, 17,80 Euro. Karsten Müller/Raymund Stolze, "Zaubern wie Schachweltmeister Michail Tal", Edition Olms, 308 Seiten, ISBN 978-3-283-01007-2, 19,95 Euro.

Meko 2010
Meko-Übersicht
Startseite