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Wilde Achterbahnfahrt auf dem Brett

Topalow muss bei der WM seinen Aufschlag nutzen / Schnellschach-Verlängerung kommt Weltmeister Anand entgegen

von FM Hartmut Metz, 10. Mai 2010

 

Bei der Schach-Weltmeisterschaft steht heute die letzte Schlacht an. An ein Remis im Zentralen Militärklub von Sofia verschwendet Herausforderer Wesselin Topalow lieber keinen Gedanken. Bei der Frage nach der drohenden Verlängerung im Schnellschach schnappt der Bulgare erst einmal nach Luft und antwortet anschließend kompromisslos: "Noch ist eine Begegnung zu spielen. Ich denke nur von Partie zu Partie - und natürlich ist es ein entscheidender Vorteil, im letzten Duell Weiß zu haben", lenkt der Herausforderer ab. Der Weltranglistenzweite weiß, dass er ab 15 Uhr (14 Uhr MESZ) aufs Ganze gehen muss. Beim vierten Unentschieden in Folge zum 6:6-Endstand hielte Weltmeister Viswanathan Anand in der Verlängerung am Donnerstag alle Trümpfe in der Hand.

Nicht umsonst lautet einer der Kampfnamen des Inders der "schnelle Brüter". Der Inder gilt als bester Schnellschachspieler aller Zeiten und räumte bei den Chess Classic in Frankfurt und Mainz ein Jahrzehnt lang ununterbrochen den WM-Titel ab, ehe er 2009 erstmals entthront wurde. Topalow hingegen vermag keine beeindruckenden Ergebnisse vorzuweisen in der Sparte mit nur rund einer halben Stunde Bedenkzeit für die gesamte Partie. "Topalow zeigte bisher immer Nerven, wenn es zum Schnellschach kam", erinnert Großmeister Klaus Bischoff unter anderem an die WM 2006, als der Bulgare ebenfalls nach einem 6:6 gegen den Russen Wladimir Kramnik den Kürzeren zog. Eine völlig aussichtslose Lage im Falle einer Verlängerung will der deutsche Rekord-Blitzmeister dem Bulgaren aber keineswegs zuschieben. "Die tun schon alle so, als ob Topalow gar nicht mehr anzutreten braucht", rückt er die Verhältnisse gerade.

Deshalb zweifelt Bischoff daran, dass der Herausforderer "am Dienstag völlig halsbrecherisch angreift". Der WM-Kommentator von Bonn 2008 freut sich dennoch auf die letzte Partie, die er wieder im Trainingszentrum der Chess Tigers in Bad Soden, das Anand vor kurzem in seinem deutschen Wohnort eröffnet hat, live analysieren wird: "Die Situation wie im Kaffeehaus gefällt mir. Da heißt es auch immer, wer die letzte Partie gewinnt, hat alle gewonnen. So ist es hier auch", betont Bischoff mit Blick auf den mit zwei Millionen Euro dotierten Zweikampf.

Beim Stand von 5,5:5,5 besitzt zunächst Topalow die besseren Karten. Gegen den mächtigen "Aufschlag" des Herausforderers muss der "Tiger von Madras" erst einmal bestehen. Schließlich gewannen beide Seiten nur mit Weiß jeweils zwei Partien. Im elften Duell am Sonntagabend hoffte Topalow ausnahmsweise mit Schwarz auf mehr als ein Remis. "Ich stand besser", analysierte der 35-Jährige, der von dem Bauernvorstoß c2-c4 im ersten Zug überrascht wurde, "Das hat er noch nie in einer ernsten Partie gespielt", glaubte sich der Ex-Weltmeister zu erinnern und antwortete nach zehn Schrecksekunden mit dem Bauern von e7 nach e5.

Doch auch Anand geriet "in einem Moment in Aufregung - fand aber doch keinen Gewinn". Der 40-Jährige opferte im 49. Zug einen Bauern, um mit dem ihm verbleibenden König, Turm, Springer und zwei Bauern einen gefährlichen Angriff einzuleiten. Sein Gegner witterte die Gefahr für seinen Monarchen und fand die präzisesten Verteidigungszüge. Die wilde Achterbahnfahrt auf dem Brett, die die Millionen Fans im Internet erregte, endete im 65. Zug durch ein Dauerschach von Anand.

Einen "moralischen Sieg" für den Weltmeister nannte der australische Großmeister Ian Rogers das Remis zuvor. Anand kehrte in der zehnten Runde nicht nur zur Grünfeld-Indischen Verteidigung zurück, in die er eine bittere Auftaktschlappe erlitten hatte. "Den halben Punkt bekam er zu einfach", ärgerte sich Topalow. Der brach auch am Schluss seine eigene Regel, auf keine Remisofferte zu reagieren. In völlig ausgeglichener Lage bot Anand den Friedensschluss an. "Topalow murmelte daraufhin irgendwas, rief den Schiedsrichter und nahm dann an", berichtete Anand belustigt. Ähnlich gut dürfte die Laune des Inders sein, wenn sein Rivale heute wieder in ein Unentschieden zum 6:6 einwilligen müsste.

http://www.anand-topalov.com/


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