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Spiele-Genie ertrinkt in der Dreisam
Georg Siegel gilt als "größtes badisches Schachtalent der Neuzeit"
von FM Hartmut Metz, 8. Januar 2011
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Die Unglücksnachricht hat zunächst mancher badische Schachspieler eher unbeteiligt zur Kenntnis gekommen: Ein Mann wurde beim Versuch, auf dem kniehoch überfluteten Dreisamuferweg ein Fahrrad aus dem Fluss zu ziehen, fortgerissen. Eine Joggerin und Beobachter konnten dem Opfer nicht helfen. Zwei Suchaktionen der Polizei blieben ebenso erfolglos. Bei dem letzten Hochwasser-Unfall in Freiburg wurde die Leiche 1999 erst ein Vierteljahr danach im Rhein bei Straßburg entdeckt.
Wenige Tage später kam wegen einer Vermisstenmeldung seiner Mutter zum Schrecken der Schachspieler heraus: Es muss sich um Georg Siegel handeln. Der 48-Jährige galt als das "größte badische Schachtalent der Neuzeit", wie im Online-Kondolenzbuch des SK Freiburg-Zähringen 1887 der Viernheimer Helmut Klee treffend befindet. Beim letzten Kontakt hatte ihm Siegel davon erzählt, dass er "mehr als 30 ,Großmeister-Skalps' an seinem Gürtel hängen hat". Klee ist nicht der einzige, der dem tragisch Verstorbenen eine große Schachkarriere zugetraut hätte - wäre Siegels steiler Aufstieg nicht bereits mit 20 durch enorme "psychische Probleme" gebremst worden, wie sein vieljähriger Zähringer Bundesliga-Weggefährte Christian Maier im Nachruf betont.
Die häufigen gesundheitlichen Schwankungen bescherten dem deutschen U20-Meister von 1980 tiefe Abstürze. Irgendwann rappelte sich das Ausnahmetalent wieder auf und wurde deutscher Schnellschach-Meister 1995. Im selben Jahr gewann "Georgie", wie ihn alle nannten, auch nationaler Champion mit der Schachabteilung des FC Bayern München. Besonders bei kurzer Bedenkzeit bewies Siegel seine Ausnahmestellung und gewann das legendäre Kuppenheimer Zwölf-Stunden-Marathon-Blitz bei den ersten zwei Auflagen ebenso wie mehrfach die badische Blitzmeisterschaft.
Der Münchner Großmeister Gerald Hertneck schrieb ins Kondolenzbuch: "Die Leichtigkeit, mit der er das Leben nahm, war für Normalsterbliche manchmal unerträglich - und zwar sowohl im Schach als auch im Leben. Was ich damit meine: Im Schach konnte er seine Gegner zur Verzweiflung bringen durch scheinbar mühelos herausgespielte Siege. Im Leben konnte er auf Sicherheit bedachte Menschen zumindest sehr nachdenklich machen, da ihm eine bürgerliche Existenz völlig gleichgültig schien. Aber dies geht noch einen Schritt weiter: Fast jedes Spiel, das er lernte, beherrschte er meisterlich, scheinbar wieder ohne sich groß anstrengen zu müssen." Im Backgammon zählte Siegel auch zu den Top 100 in Deutschland. Skat, Doppelkopf, Bridge und Go spielte er laut Maier ebenfalls auf hohem Niveau.
Wichtiger waren seinen Mitstreitern in Zähringen aber andere Eigenschaften, wie Claude Mathonia und Klaus-Jürgen Groß unisono betonen: Siegel sei ein "höflicher, immer ausgeglichener, freundlicher niemals überheblicher, einfach ein supernetter Kerl" gewesen.
Nachstehend ein Beispiel für den "leichten" Spielstil von Siegel. In der Oberliga 2003 fegte er den Internationalen Meister Ilmars Starostits in 23 Zügen vom Brett.
Beim Meister-Open in Biel 1997 stand Siegel mit 2540 in voller Elo-Blüte. Auch wenn er Großmeister-Stärke besaß, erspielte er nicht genügend Normen. Wie der Breisgauer aber mit Großmeistern umsprang, zeigt die nachfolgende hübsche Partie gegen Ivan Nemet.
Abschließend drei weitere Partien von Georg Siegel.
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