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"Ein Schach-Pirat und echter Wikinger"
Auf Carlsens Spuren: Illja Nyschnyk mit 14 jüngster Großmeister
von FM Hartmut Metz, 12. Februar 2011
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Boris Spasski macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. "Hikaru Nakamura spielt ein sehr merkwürdiges Schach, so wie ein kleiner japanischer Panzer", befindet der 74-Jährige, der sich gerade von einem zweiten Schlaganfall in einer Pariser Klinik erholt. Der gebürtige Russe, der 1972 im legendärsten WM-Kampf aller Zeiten Bobby Fischer in Reykjavik unterlag, hat auch ansonsten eine klare Meinung zu den aktuellen Nachwuchsstars. Im Interview für die Webseite von Chessbase erklärt Spasski, dass er Nakamuras Schach "nicht so toll findet. Er ist für mich der am wenigsten interessante Spieler".
Statt dem Überraschungssieger des Topturniers im holländischen Wijk aan Zee drückt der Ex-Weltmeister "anderen die Daumen. Ich fiebere immer mit Magnus Carlsen mit. Er ist der Jüngste von ihnen und versteht Schach schon so gut. Das gefällt mir besonders an dem Jungen". Spasski beschreibt blumig weiter, was ihm an dem 20-jährigen Norweger so gefällt: "Ich mag ihn einfach deshalb, weil er trotz seines zarten Alters schon derart frech spielt. So wie es früher Mischa Tal getan hat. Carlsen ist ein Schach-Räuber, ein Pirat, eben ein echter Wikinger."
An der niederländischen Küste gelangen dem derart gepriesenen Weltranglistenersten zwar die schönsten Partien, aber nach Punkten musste er sich hinter Nakamura und Weltmeister Viswanathan Anand auf Platz drei einreihen. Das lag an der Weiß-Schlappe in nur 22 Zügen. Gegen Jungstar Anish Giri übersah Carlsen einen Figurenverlust. Der 16-jährige Niederländer mit nepalesisch-russischen Wurzeln hielt so seine Bilanz mit 6,5 Punkten in 13 Runden ausgeglichen und belegte in der A-Gruppe Platz sieben.
Sowohl Carlsen als auch Giri waren dereinst die jüngsten Großmeister auf dem Globus. Der Norweger erspielte sich mit 13 Jahren, drei Monaten und 27 Tagen die höchste Würde im Schach. Nur Sergej Karjakin (12 Jahre und sieben Monate) sowie der Inder Parimarjan Negi, der fünf Tage schneller als Carlsen zum Zuge kam, liegen vor ihm. In dieser Liste steht Giri (14 Jahre, sieben Monate, zwei Tage) auf Rang 15.
Aktuell der jüngste Großmeister ist Illja Nyschnyk, der diese Woche den Titel vom Weltverband FIDE verliehen bekam. 1958 glaubte man noch, Bobby Fischers Leistung, mit fünfzehneinhalb Jahren die höchste Stufe zu erklimmen, sei ein Rekord für die Ewigkeit - mittlerweile schafften das aber 25 Jugendliche aus der Computer-Generation früher!
Nyschnyk, der mit 14 Jahren, drei Monaten und zwei Tagen elfjüngster Großmeister aller Zeiten ist, trumpfte im C-Turnier in Wijk aan Zee auf. Mit 8,5:4,5 Punkten empfahl sich der Ukrainer als Zweitplatzierter hinter dem Italiener Daniele Vocaturo (9:4) für die B-Gruppe 2012. Die Klasse des U16-Europameisters von 2008 bekam auch der Katernberger Großmeister Sebastian Siebrecht zu spüren.
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Nyschnyk,I (2530) - Siebrecht,S (2439) [A57]
Wijk aan Zee, GM-Turnier C, 22.01.2011
1.d4
Sf6
2.c4
c5
3.d5
b5
4.cxb5
a6
5.f3
e6
6.e4
exd5
[ Im stets sehr scharf angelegten Wolga-Benkö-Gambit kommt sogar 6...c4!?
in Betracht. Schwarz erhält nach 7.Lxc4
axb5
8.Lxb5
Lc5
9.Se2
0-0
10.Sbc3
Lb7
einige Aktivität für die geopferten Bauern - Materialisten neigen aber sicher nicht zu derlei Hasardspiel.]
7.e5
De7
8.De2
Sg8
9.Sc3
Lb7
10.Sh3
c4
Der etwas merkwürdig anmutende Zug gilt als Haupvariante. Auf b5 kann und will Schwarz nicht nehmen, weil das nur die weißen Figuren aktiviert. Nun hängt immer einmal der Bauernvorstoß nach d4 in der Luft. Zudem wird die einfache Entwicklung des Läufers auf f1 verhindert.
11.Sf4
[ 11.Le3
kam bis dato häufiger aufs Brett.]
11...Dc5
12.Sfxd5!
Ein mutiges Figurenopfer von Nyschnyk!
12...Lxd5
13.Le3
Db4
14.a3!
[ In der Stammpartie dieses Abspiels, Vigh-Rotstein, Wien 1995, geschah das schwächere 14.0-0-0?!
Lb7?!
Besser ist ( 14...Le6!
15.f4
axb5
16.f5!
Lxf5
17.Df3
Ta3!
Der spektakuläre Turmzug führt zu aberwitzigen Varianten. Er darf nie genommen werden, weil sonst ein tödliches Schach auf a3 folgt. ( 17...Txa2
18.Sxa2
Db3
19.Dxf5
Dxe3+
20.Kb1
Se7
21.Df3
Db6
mit ausgeglichener Stellung.) 18.Ld2
g6!
19.Db7
Sc6
20.Sd5
( 20.Dxb5??
Txc3+
21.Lxc3
Dxb5
) 20...Dc5
21.Dc8+
Sd8
22.Sc7+
Dxc7!
( 22...Ke7
23.Sd5+
( 23.Lb4?
mit anschließender Springergabel auf d5 funktioniert nicht wegen 23...Lh6+
24.Td2
Lxd2+
und Weiß muss mit dem Läufer ablassen von der Dame oder verliert diesen mit Schach: 25.Kxd2
Dxb4+
) 23...Ke8
24.Sc7+
remisiert.) 23.Dxc7
Txa2
24.Lg5
Ta1+
25.Kd2
Lb4+
26.Ke3
La5
27.Dd6
Txd1
28.Dxd1
Se6
29.h4
h6
30.Lf6
Sxf6
31.exf6
Lb6+
32.Kf3
Sd4+
33.Kg3
0-0
und Schwarz steht mit zwei Figuren und zwei Bauern für die Dame angesichts der aktiven Stellung leicht besser!) 15.a3
Db3
16.Dxc4
Dxc4
17.Lxc4
Se7+/=
mit etwas Vorteil für Weiß.]
14...Da5
15.Ld2!
Le6
16.Sd5©
Da4?
Der entscheidende Fehler. [ 16...Dd8
hält den weißen Vorteil in Grenzen: 17.Dxc4
Ta7
18.Tc1
( 18.b6?!
Lxd5
19.bxa7
Lxc4
20.a8D~~
Lxf1
21.Kxf1
Db6~~
verspricht dem Anziehenden nichts.; 18.Dd4
Ta8
19.Lg5!?
Le7
20.Sxe7
Sxe7
21.De4
Ta7
22.De3
Tc7
23.bxa6
Sbc6
muss Schwarz nicht fürchten. Mit einer Figur für drei Bauern hat er noch alle Chancen.) 18...Lxd5
( Weit stärker als 18...axb5
19.Sc7+
Txc7
20.Dxc7
Sc6
21.Dxd8+
Kxd8
22.Lxb5
Sxe5
23.La5+
Ke7
24.Tc8+-
, was Weiß in Nakamura-Vachier Lagrave, Cap d'Agde 2008, eine Gewinnstellung einbrachte.) 19.Dxd5
axb5
20.Lxb5
Se7
mit unklarer Position.]
17.Sc7+!N
Eine logische wie starke Neuerung.
17...Kd8
18.Sxa8
axb5
19.Sb6
Da6
20.Le3+/-
Lb4+
21.axb4!
[ 21.Kf2?
erweist sich als verfehlt: 21...La5!~~
und der Springer muss sich mangels Rückzugsmöglichkeiten auf c4 opfern.]
21...Dxa1+
22.Kf2
Sc6?!
[ 22...Se7
23.Dd2
Sec6
24.f4
Db1
25.Tg1
Sxe5
( 25...De4
26.Le2
) 26.fxe5
Df5+
27.Ke2
Sc6
28.g4
Dxe5
29.Tg3
bietet Schwarz gewisses Spiel für die geopferte Figur.]
23.Dd2
Sxe5?!
[ 23...Da2
24.Le2
Sge7
25.f4
ist weniger klar, auch wenn der große Vorteil für Weiß außer Frage steht.]
24.Dd6!
Dxb2+
25.Kg1!+-
[ 25.Kg3?
Sh6!
26.Lxh6
Sc6!
27.Lf4
Dxb4
28.Dc7+
Ke7
und Schwarz bleibt im Spiel.]
25...Sc6
26.Df8+
Kc7
27.Dc8+
Kd6
28.Lc5+
Ke5
29.Sxd7++-
Der einzige Zug, der allerdings den König vollends unter Beschuss nimmt.
29...Lxd7
[ 29...Kf5
30.Dxc6
]
30.Dxd7
Sf6
31.Dxc6
c3
Verzweiflung in hoffnungsloser Lage.
32.Dd6+
Kf5
33.Ld3+
Kg5
34.Le3+
[ 34.Le3+
Kh5
35.De5+
Kh4
36.Dg5#
] 1-0
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