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Angst sorgt für "hohen Luxus Zeitnot"

Nationaltrainer Markus Weise merzt mit Schach-Strategien Schwächen auf dem Hockeyplatz aus / Misserfolgsvermeider Jan Gustafsson weniger remisfreudig

von FM Hartmut Metz, 5. März 2011

 

Sportler lassen sich bei der Analyse in "zwei nützliche Kategorien" einsortieren: in Misserfolgsvermeider und Erfolgssucher. Letztere betreut Markus Weise im Hockey. Erst führte der 48-Jährige die deutsche Damennationalmannschaft 2004 zu Olympia-Gold, dann 2008 die Herrenauswahl. Dem Erfolgscoach halfen dabei auch Strategien aus dem Schach, bekannte Weise in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des "Schach-Magazins 64". Um nicht allein von drei, vier überragenden Einzelkönnern abhängig zu sein, sei es wichtig, Muster in der Strategie zu erkennen und die Prinzipien wie im königlichen Spiel umzusetzen. Als Beispiele nennt der Hamburger typische Abwehr- oder Angriffssysteme. Seit zwei Runden spielt Weise aktiv im größten deutschen Schachklub, dem Hamburger SK (HSK). Der Hockey-Nationaltrainer steigerte seitdem seine Wertungszahl von 1 686 auf - für einen Spätstarter - beachtliche 1 807. Und als "Erfolgssucher" peilt er die 2 000 an, was ungefähr Verbandsliga-Niveau entspricht. Ein typischer Misserfolgsvermeider ist dagegen Jan Gustafsson: Der Hamburger gilt zwar als brillanter Kopf, der gerne auch von Weltklassespielern als Sekundant engagiert wird - selbst kriegt er aber, um es mit Weises Worten zu sagen, "nicht den Hintern hoch". Bis dato pflegte Gustafsson lieber das Bild des genialen Faulpelzes, der bevorzugt "auf der Couch liegt und Ami-Serien" im Fernsehen anschaut, anstatt eifrig zu trainieren.

Über den HSK kam der Hockey-Guru in Kontakt mit "Gusti", hört sich dessen Einschätzungen an und gibt dann tags darauf Tipps, was verbessert werden könne. Bei Gustafsson fällt zum Beispiel sofort die hohe Remisquote auf. "Remis ist eben kein Misserfolg, aber es könnte besser sein. Der Erfolgssucher hätte zwar etwas mehr Nullen, aber er hätte eben auch mehr Siege und wahrscheinlich insgesamt etwas mehr Punkte als der Remiskönig", verdeutlicht Weise.

Er bemängelt bei Schachspielern fehlendes konsequentes Training mit Betreuern, das Schwächen ausmerzt. Ein Beispiel abseits der übertriebenen Eröffnungsvarianten-Büffelei: Zeitnot, die viele Spieler plagt. "Dem liegt eine Entscheidungsschwäche zugrunde", analysiert der Hockey-Coach, die durch Angst und den Hang zu Perfektionismus bedingt sei. "Das kann man wegtrainieren", zeigt sich Weise überzeugt, denn "Zeitnot ist ein zu hoher Luxus". Man müsse nicht immer den besten Zug finden, sondern Stellungen anstreben, die einem liegen.

Müssen die Hockey-Nationalspieler demnächst alle Schach spielen, um bei Weise zum Zug zu kommen? "Nee, da habe ich es eher mit der Generation Playstation zu tun", stellt Weise klar. Bei Gustafsson scheint die Betreuung schon erste Erfolge zu zeitigen. Zuletzt zeigte sich der Großmeister weniger remisfreudig. Am vergangenen Wochenende punktete er gleich zweimal in der Bundesliga für die OSG Baden-Baden bei den 6:2-Siegen über Griesheim und Trier. In der nachstehenden Partie schlug der Hamburger den Griesheimer Krzysztof Bulski.











Bulski,K (2459) - Gustafsson,J (2646)
Griesheim - Baden-Baden 2:6, 26.02.2011
[H. Metz/Gustafsson]

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Bulski wählt ausnahmsweise Italienisch statt seiner Spanisch-Standardwaffe [ 3.Lb5 ] 3...Sf6!? [ 3...Lc5 hält Gustafsson selbst für die solidere Wahl. Der Partiefortsetzung stehe er "skeptisch gegenüber, aber völlig ausrechenbar will selbst ich nicht werden", begründet er den Wechsel der Variante. Zu Recht witterte der Hamburger Vorbereitung seines Gegners. ] 4.Sg5 Der frühe Angriff gegen den Schwachpunkt f7 wurde durch Sf6 erst möglich, weil Schwarz das Feld g5 nicht mehr mit der Dame kontrolliert. 4...d5 Die einzige Entgegnung, um den Zusammenbruch auf f7 zu verhindern. 5.exd5 Sa5 [ 5...Sxd5 gibt Weiß mehrere Alternativen an die Hand, unter denen er wählen kann: Von 6.d4 bis ( 6.Sxf7 Kxf7 7.Df3+ Ke6 8.Sc3 Scb4 9.0-0 c6 mit unklarem Spiel nach dem Figurenopfer.) ] 6.Lb5+ c6 7.dxc6 bxc6 8.Le2 Die alte Hauptvariante. Aktuell wird eher [ 8.Ld3 oder; 8.Df3 bevorzugt. Schwarz darf dann nicht gleich auf b5 nehmen, weil der Turm auf a8 hängt.] 8...h6 9.Sh3!? Der Springer steht dort nicht sonderlich. Schwarz nimmt ihn nicht mit dem Läufer, weil es die g-Linie öffnet. Zudem steht der Schimmel zunächst im Abseits. [ 9.Sf3 sieht natürlicher aus, doch 9...e4 10.Se5 beschert Weiß keinen Vorteil.] 9...Ld6 10.d3 0-0 11.0-0 Tb8 12.Sc3 c5 Legt den d3-Bauern fest, der somit nicht nach d4 vorgestoßen werden kann, will aber vor allem seinen Problem-Springer via c6 nach d4 zentralisieren. 13.Se4 Sc6 14.Sxf6+? Für Gustafsson "eine große Erleichterung". Er hatte befürchtet, seinen Läufer für einen "doofen Springer hergeben zu müssen", weil keine Zeit sei, diesen wegzuziehen. 14...Dxf6 15.Lg4 Der Abtausch auf f6 hatte also die Absicht, mit diesem Zug den Springer auf h3 zu schützen. Nach dem Abtausch auf g4 hätte Weiß in der Tat nichts zu fürchten. 15...La6! 16.c3? Schwächt unnötig d3. Spätestens jetzt übernimmt Schwarz die Regie. 16...e4 17.Le2?! [ 17.dxe4 Tfd8! ( 17...Lxf1 18.Dxf1 kommt dem Anziehenden entgegen. Mit zwei Bauern für die Qualität kann man trotz der gedrückten Stellung noch leben. 18...De7 19.Lf3= ) 18.Df3 Dxf3 19.Lxf3 Lxf1 20.Kxf1 bleibt spielbar, auch wenn Bulski danach leicht im Nachteil gewesen wäre.] 17...Tfd8-/+ 18.d4 Lc8! Die ausweichenden Läufermanöver nach a6 und zurück findet Gustafsson "lustig", denn danach stehe Weiß "pleite". 19.f3 Lxh3 20.gxh3 cxd4 21.fxe4 Dh4 Gustafsson spielt in dieser Phase äußerst präzise. 22.Lc4 Dxh3 23.De2 d3! Schwarz stört sich nicht an dem Zwischenschach auf f7, das letztlich dem Kontrahenten ja nur einen Bauern beschert. 24.Lxf7+ Kh8 25.Df2 [ 25.Dg2 Lc5+ 26.Kh1 Dxg2+ 27.Kxg2 d2 28.b4 dxc1D 29.Taxc1 Td2+ 30.Kh1 Ld6 31.Tcd1 Txh2+ 32.Kg1 Le5 ändert nichts an der schwarzen Gewinnstellung.] 25...Se5 26.Dg2 [ 26.Ld5 beantwortet Gustafsson mit 26...Sg4 27.Dg2 Lxh2+ 28.Kh1 Dh4 29.Tf3 Lc7+ 30.Th3 Sf2+ und baldigem Matt.] 26...Lc5+ 27.Kh1 Dxg2+ 28.Kxg2 d2 29.b4 d1D Weiß hat danach immer mindestens einen Turm weniger in der Endabrechnung. 0-1



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