Startseite Rochade Kuppenheim

"Googleberg"-Affäre auch im Schach

Basiert Serien-Weltmeister "Rybka" auf abgekupfertem Programmcode? / Rajlich kein kleines "Fischchen"

von FM Hartmut Metz, 12. März 2011

 

Rybka bedeutet auf Polnisch "Fischchen". Das schlägt jetzt einige Wellen - auch wenn es sich im Vergleich zur Affäre des kopierfreudigen Ex-Doktors Karl-Theodor zu Guttenberg nur um einen kleinen Fisch handelt. Rybka-Programmierer Vasik Rajlich muss sich jedoch derzeit ähnliche Vorwürfe gefallen lassen wie "zu Googleberg". Das seit Jahren bei den Computer-Weltmeisterschaften dominierende "Rybka" soll auf einem Programmcode von "Fruit 2.1" basieren.

Rajlich hatte die Plagiatsvorwürfe selbst ins Rollen gebracht. Nachdem Rivale "Houdini" in jüngster Zeit seine Topposition übernahm, unterstellte der Amerikaner den Programmierern, sie hätten sich ungeniert bei "Ippolit" bedient - und das basiert auf "Rybka". Daraufhin konterten 13 renommierte Programmierer wie Stefan Meyer-Kahlen, Autor von Rekordweltmeister "Shredder", und Fabien Letouzey, der 2005 "Fruit" lanciert hatte. In einem offenen Brief an die Internationale Computerschachvereinigung (ICGA) verweisen sie darauf, dass "Rybka" zunächst sehr schwach gewesen sei und erst nach Erscheinen von "Fruit" enorm zugelegt habe. Die Nutzung des damals revolutionären Open-Source-Codes war durchaus legitim - allerdings hätte Rajlich nach den ungeschriebenen Gesetzen der Programmierergemeinde seine geistige Frucht auch allen zur Verfügung stellen müssen. Stattdessen wurde "Rybka" kommerzialisiert. Deswegen fordern Letouzey&Co. wegen der "erdrückenden Beweislast" und der "offensichtlichen" Verstöße gegen die ICGA-Regularien den Ausschluss Rajlichs von künftigen Weltmeisterschaften. Die WM-Titel sind für die Werbung von "Shredder", "Fritz" oder "Hiarcs" besonders wichtig, weil sich alle nur noch in Nuancen unterscheiden. Eine eilends eingeführte Kommission soll nun über die Vorwürfe befinden. Dürfte "Rybka" bei der WM nicht mehr mitspielen, trüge Rajlich in Schachkreisen künftig den wenig adeligen Makel eines "zu Googleberg".

Weil sich Partien zwischen zwei Programmen inzwischen ohne grobe Fehler unspektakulär über zig Züge hinziehen und die meisten Großmeister auch nur noch Opfer in Duellen gegen Maschinen sind, nachstehend ein Beispiel aus alten Zeiten. Der erste offizielle Weltmeister der Schach-Geschichte, Wilhelm Steinitz, spielte die geniale Kombination 1895 beim legendären Turnier in Hastings. "Rybka" sieht die Gewinnvariante mit 15 Schachs in Folge heutzutage in Millisekunden. Der unterlegene Curt von Bardeleben sei mit der Partie auch gewürdigt. Er wurde vor 150 Jahren geboren und gab von 1887 bis 1891 die "Deutsche Schachzeitung" heraus. Literarisch verewigt wurde der Berliner von Vladimir Nabokov in "Lushins Verteidigung". Für das geniale Frühwerk Nabokovs stand von Bardeleben Pate. Lushin springt am Ende wie das Vorbild, das am 31. Januar 1924 Selbstmord beging, aus dem Fenster.











Steinitz,W - Von Bardeleben,C [C54]
Hastings Hastings, 1895

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.c3 Sf6 5.d4 exd4 6.cxd4 Lb4+ 7.Sc3 d5? [ >=7...Sxe4 8.0-0 Lxc3 9.bxc3 d5 ist besser für Schwarz, wie beim selben Turnier zwischen Steinitz und Carl Schlechter geschah.] 8.exd5 Sxd5 9.0-0 Le6 [ 9...Sxc3 10.bxc3 Lxc3? Erweist sich als grober Fehler. 11.Db3!! Lxa1 12.Lxf7+ Kf8 ( 12...Kd7 13.De6# ; 12...Ke7 13.Te1+ Kf8 14.Lh5 g6 15.Lh6# ) 13.La3+ Se7 14.Txa1 b6 15.Te1 c5 16.dxc5 g6 17.c6 und alles bricht auf e7 zusammen.; 9...Lxc3 10.bxc3 Sxc3?? scheitert ebenso wegen 11.De1+ Le6 12.Dxc3 ] 10.Lg5 Le7 11.Lxd5 Lxd5 12.Sxd5 Dxd5 13.Lxe7 Sxe7 14.Te1 f6 15.De2 Dd7 16.Tac1?! [ 16.Tad1! ist trickreicher. Das scheinbar natürliche 16...Kf7? erlaubt 17.Dc4+ Sd5? ( 17...Kf8 ist einen Zug vorher wie jetzt besser.) 18.Se5+! fxe5 19.dxe5+- Schwarz hat nun wegen der drohenden Bauerngabel auf e6 keine Zeit für das stabilisierende c6. 19...Dc6 20.e6+ Ke8 21.Dxd5 Dxd5 22.Txd5 Td8 23.Txd8+ Kxd8 24.Td1+ Ke7 25.Td7+ Kxe6 26.Txc7 Td8 27.g3 mit gewonnenem Endspiel.] 16...c6? [ 16...Kf7! hält das Gleichgewicht. 17.Dc4+ ( 17.Dxe7+? ist zu tollkühn. 17...Dxe7 18.Txe7+ Kxe7 19.Txc7+ Kd6 20.Txb7 Thb8 21.Txg7 ( 21.Txb8 Txb8 22.b3 Kd5=/+ ) 21...Txb2 22.h3 Txa2© 23.Txh7 a5 und der a-Bauer entscheidet die Partie.) 17...Sd5= ] 17.d5! cxd5 [ 17...Kf7 18.dxc6 Sxc6 19.Tcd1-> Dg4 20.h3 Dc8 21.Dc4+ Kf8 22.Td6 und Schwarz ist machtlos gegen den Angriff, weil die Türme nicht ins Spiel kommen.] 18.Sd4 Kf7 19.Se6 Mit der Idee 20.Tc7. 19...Thc8 [ 19...Tac8 20.Dg4 g6 ( 20...Txc1 21.Dxg7+ ) 21.Sg5+ Ke8 22.Txc8+ Dxc8 23.Dxc8# ; 19...Sc6 20.Sc5 Dd6 ( 20...Dc8? 21.Dh5+ g6 22.Dxd5+ Kg7 23.Se6+ Kh6 24.Te3 g5 25.Df5 nebst Th3 matt.) 21.Sxb7 Dd7 22.Sc5 Dd6 23.Dh5+ g6 24.Dh4 Se5 25.f4 Sc4 26.b4 Tae8 27.Txe8 Kxe8 28.Te1+ Kf7 29.Te6+- Dxe6 ( 29...Dd8 30.Sb7 ) 30.Sxe6 Kxe6+- ] 20.Dg4! g6 21.Sg5+ Ke8 [ 21...fxg5?? 22.Dxd7+- ] 22.Txe7+!! Ein schöner Einschlag, dessen Pointe sich erst noch auftut. 22...Kf8! [ 22...Dxe7 23.Txc8+ Txc8 24.Dxc8+ Dd8 25.Dxd8+ Kxd8 26.Sxh7 ; 22...Kxe7 23.Te1+ Kd6 24.Db4+ Tc5 ( 24...Kc6 25.Tc1# ; 24...Kc7 25.Se6+ Kb8 26.Df4++- Tc7 27.Sxc7 Dxc7 28.Te8# ) 25.Te6+!+- ( Bloß nicht 25.Se4+?? dxe4 26.Td1+ Ke6! 27.Txd7 ( 27.Dxe4+ Te5 28.Dc4+ Dd5 ) 27...Tc1+ ) ] 23.Tf7+! [ 23.Dxd7?? wird dauernd durch das Grundlinienmatt widerlegt. Doch Steinitz hatte ein hübsches Motiv entdeckt, das in die Schach-Geschichte einging. 23...Txc1+-+ ] 23...Kg8! [ 23...Dxf7 24.Txc8+ Txc8 25.Dxc8+ De8 26.Sxh7++- ] 24.Tg7+! Kh8! [ 24...Kf8 25.Sxh7+ Kxg7 26.Dxd7++- ] 25.Txh7+! Und Berichten zufolge soll von Bardeleben den Turniersaal verlassen haben, ohne die Partie aufzugeben! [ 25.Txh7+! Der Grund: 25...Kg8 26.Tg7+! Kh8 ( 26...Kf8 27.Sh7+ Ke8 28.Dxd7# ) 27.Dh4+! Damit der Zug ein Schach ist, musste der h-Bauer erobert werden! 27...Kxg7 28.Dh7+ Kf8 29.Dh8+ Noch immer darf die Dame nicht geschlagen werden wegen der schwachen eigenen Grundlinie. 29...Ke7 30.Dg7+ Ke8 ( 30...Kd6 31.Dxf6+ De6 32.Dxe6# ) 31.Dg8+ Ke7 32.Df7+ Kd8 33.Df8+ De8 34.Sf7+ Kd7 35.Dd6# Eine der wundervollsten Schach-Serien der Geschichte! Bis zum Schluss wären es 15 weiße Schachgebote in Folge gewesen.] 1-0



Meko 2011
Meko-Übersicht
Startseite