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Nur die Niederlage gegen die Kuh macht Spaß

Kortschnoi feiert 80. Geburtstag / Schach-Legende scheitert immer wieder an Anatoli Karpow und Staatsmacht

von FM Hartmut Metz, 26. März 2011

 

Nur eine Schlappe in seiner 65 Jahre währenden Karriere hat Viktor Kortschnoi leicht verschmerzt: In einem witzigen Werbespot für Milch setzt eine Kuh den ältesten Leistungssportler der Welt matt. "Die Niederlage machte ausnahmsweise Spaß", gesteht der rüstige Schach-Großmeister, der am Mittwoch seinen 80. Geburtstag im schweizerischen Wohlen feierte. Den unterlegenen Spieler, der die Figuren verärgert vom Tisch fegt und aufspringt, stellte Kortschnoi exzellent dar - auch, weil es in ihm noch immer kocht, wenn er verliert.

Die bittersten Niederlagen kassierte die Legende ebenfalls gegen einen mit K: Anatoli Karpow. Sein Erzrivale schlug ihn im Kampf um die Weltmeisterschaft 1974, 1978 und 1981. Ausflüchte sucht Kortschnoi keine: "Es ist peinlich, dass ich nie Weltmeister wurde. Es wäre leicht, Parteichef Leonid Breschnjew als Ursache vorzuschieben, dessen Apparat den Vorzeigekommunisten Karpow in allem unterstützte", schiebt der 1976 aus der UdSSR geflüchtete St. Petersburger die unterschiedlichen Voraussetzungen nicht vor. Auf den Philippinen boten die Sowjets sogar einen Parapsychologen auf, der im Spielsaal in der ersten Reihe saß, um den Dissidenten zu verunsichern. Und im Falle seines Sieges sollte Kortschnoi gar vom KGB ermordet werden, halten sich bis heute Gerüchte - der Staatsfeind Nummer eins verlor jedoch die wochenlange Schlacht in Baguio knapp mit 5:6 (bei 21 Remis). 1981 in Meran war Kortschnoi dann gegen seinen 20 Jahre jüngeren Bezwinger über den Zenit hinaus und unterlag deutlich mit 2:6 (bei 10 Remis).

Der ehemalige Weltranglistenerste, der laut Wikipedia 1965 auf dem Platz an der Sonne stand, hatte erstmals 1974 beim 11,5:12,5 knapp das Nachsehen. Das Duell in Moskau galt aber zunächst als Kandidaten-Finale. Weil jedoch Bobby Fischer das Jahr darauf nicht gegen Karpow antrat und den Titel kampflos abgab, war es faktisch doch um die WM gegangen. Ein kleiner Trost bleibt dem 80-Jährigen, glaubt man einem anderen Ex-Weltmeister: "Kortschnoi kämpft gegen alle Rivalen und will den Gegner zerstören. Er kann drei Partien hintereinander verlieren, aber dann gewinnt er die vierte und ist glücklich", klingt Bewunderung bei Boris Spasski durch. Nachstehend das letzte entschiedene Duell 1974, die 21. Partie.











Kortschnoi,V (2670) - Karpow,A (2700) [E17]
Kandidaten-Finale Moskau, 1974
[H. Metz/Kortschnoi]

1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.g3 b6 4.Lg2 Lb7 5.c4 Le7 6.Sc3 0-0 "Wie in den meisten Partien, in denen ich in diesem Match die weißen Steine führte, hat sich Damenindisch ergeben", kommentiert Kortschnoi in seiner frisch überarbeiteten Autobiographie "Meine besten Kämpfe" (Edition Olms). 7.Dc2 c5 8.d5 exd5 9.Sg5 Sc6 "In der 5. Partie hatte Karpow mit [ 9...g6 exzellentes Spiel erhalten. Sein Springerzug sollte mich also überraschen", schreibt Kortschnoi. Mit David Bronstein hatte er tagelang die Konsequenzen von 10.h4 überprüft. Als beste Fortsetzung erachtet der Altmeister allerdings heute weder den einen noch den anderen Zug. Stattdessen plädiert er für Sa6, "was vorerst die Besetzung von d5 durch eine der weißen Figuren verhindert".] 10.Sxd5 g6 11.Dd2! "Die verehrten Kommentatoren haben diesen Zug sehr gelobt. Der frühere Weltmeister Michail Botwinnik vertrat sogar die Meinung, dass ich alles zu Hause vorbereitet habe. Doch wie hätte ich alle zweifelhaften Züge Karpows vorhersehen können?", entgegnet der Altmeister. 11...Sxd5? "Vor diesem schwachen Zug dachte Karpow acht Minuten nach. Er vermittelte jedoch den Eindruck, dass er weniger über die Stellung grübelte als darüber, was in seinem Notizbuch über sie geschrieben stand. Korrekt ist, wie Botwinnik richtig bemerkt hat, [ 11...Te8 . In diesem Fall hat Schwarz nach Abtausch auf e7 Entwicklungsvorsprung. Weiß sollte wahrscheinlich 12.Sxf6+ ( oder 12.b3 ) 12...Lxf6 13.Se4 erwidern. In beiden Fällen mit einem kleinen Positionsvorteil", analysiert Kortschnoi.] 12.Lxd5 Tb8? "Für den Verlustzug brauchte er nur drei Minuten. Aber wie der Weltmeister später berichtete, war sein Notizbuch daran schuld. Das heißt diejenigen, die ihm diktiert hatten, was darin stand", ätzt Kortschnoi. 13.Sxh7! Te8 [ Oder 13...Kxh7 14.Dh6+ Kg8 15.Dxg6+ Kh8 16.Dh6+ Kg8 17.Le4 f5 18.Ld5+ Tf7 19.Dg6+ Kh8 20.Lxf7 Df8 21.Dh5+ Kg7 22.Lh6+ Kf6 23.Dg6+ Ke5 24.Lf4+ Kd4 25.Td1+ Ke4 26.f3# ] 14.Dh6 Se5 15.Sg5 Lxg5 [ 15...Lf6 16.Lxf7+ Sxf7 17.Dxg6+ Kh8 18.Sxf7# ] 16.Lxg5 Dxg5 17.Dxg5 Lxd5 "Die letzte Falle ist Sf3+. Glücklicherweise ist es erlaubt zu rochieren, wenn der Turm angegriffen ist", meint Kortschnoi. 18.0-0! Lxc4 [ 18...Lf3 19.Dd2 Sxc4 20.Dc2 Ld5 21.Tad1 Le6 22.e4 und Weiß übernimmt die Regie. Mit Dame gegen Läufer und Springer verfügt Weiß über ein deutliches Materialplus, das sich leicht verwerten lässt.] 19.f4 Karpow gab die hoffnungslose Stellung auf, weil Weiß jetzt die Regie übernimmt und bereits über erklecklichen Materialvorteil verfügt. 1-0



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