Kaputte Uhr rettet KramnikTopfavoriten Aronjan und Topalow müssen Schach-WM abhakenvon FM Hartmut Metz, 15. Mai 2011 |
"Wer solche Partien versiebt, hat es nicht verdient, Herausforderer des Weltmeisters zu werden!" Wesselin Topalow ging hart mit sich selbst ins Gericht, nachdem er gegen Gata Kamsky den Ausgleich zum 2:2 versemmelte und im Kandidatenturnier um die Schach-WM ausschied. Mit zäher Verteidigung rettete sich der frischgebackene US-Meister Kamsky einmal mehr ins Remis und sorgte mit dem 2,5:1,5 über den bulgarischen Ex-Weltmeister für die erste faustdicke Viertelfinal-Überraschung.
Das sollte bei den mit 500.000 Euro dotierten Zweikämpfen im russischen Kasan nicht die einzige bleiben - Weltmeister Viswanathan Anand drohen die ernsthaften Gegner auszugehen. Der norwegische Jungstar Magnus Carlsen war erst gar nicht angetreten. Dem 20-jährigen Weltranglistenzweiten missfiel der Modus, wie der Herausforderer des indischen Titelverteidigers ermittelt wird. Nichts zu mäkeln hatte dagegen Lewon Aronjan - zunächst. Den Berliner hielten bei einer Internet-Umfrage rund 65 Prozent der Fans für den kommenden WM-Finalisten, doch der Armenier unterlag nach vier Remis im Schnellschach-Tiebreak Alexander Grischuk mit 1,5:2,5. Der russische Außenseiter hatte seinen Worten, dass er sich gegen Aronjan durchaus Chancen ausrechne, Taten folgen lassen mit einer eindrucksvollen Vorstellung in den Duellen mit nur noch 25 Minuten Grundbedenkzeit.
Dass mit Wladimir Kramnik nicht auch noch der letzte Favorit ausschied, lag an einer kaputten Uhr. Der Ex-Weltmeister aus Russland verlor nach vier blutleeren Turnier- und vier Schnellschach-Partien, die allesamt ohne Sieger endeten, die erste Blitzpartie gegen Teimour Radjabow. Der Aseri verteidigte sich auch in der zweiten umsichtig bis zum 60. Zug. Nur aus purer Verzweiflung zog Kramnik weiter. Unter normalen Umständen hätte er schon längst ein Remis akzeptiert, doch diesmal benötigte der 35-jährige Pariser um jeden Preis einen Sieg zum Ausgleich. Das Wunder geschah im 60. Zug: Als beide Großmeister noch 15 Sekunden auf der Uhr übrig hatten (für jeden ausgeführten bekamen sie wieder drei Sekunden zusätzlich) und auf das Gehäuse wild eindroschen, sprang die Anzeige um. Nach längerer Diskussion mit dem Schiedsrichter ging es mit frisch gestellter Uhr weiter. Völlig konsterniert patzte Radjabow nur noch und verlor die sichere Remisstellung. Anschließend machte Kramnik den Sack im nächsten Durchgang zu.
Im Halbfinale gegen Grischuk, das morgen beginnt, muss sich der Weltranglistenvierte mächtig steigern, will er das Endspiel erreichen und wie 2008 in Bonn auf Anand treffen. Im zweiten Match gilt Boris Gelfand als klarer Favorit gegen Kamsky. Die bisherigen Leistungen sprechen für den Israeli. Beim 2,5:1,5 über Schachrijar Mamedjarow (Aserbaidschan) überzeugte Gelfand als einziger Viertelfinalist mit brillantem Spiel. Zudem verlor der 42-jährige Kandidatenturnier-Methusalem zuletzt vor zwei Jahrzehnten eine Partie gegen Kamsky.
In der dritten Partie bot Gelfand eine grandiose Vorstellung und setzte sich mit sechs Bauern für einen geopferten Turm durch.
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Mamedjarow,S (2772) - Gelfand,B (2733) [B87]
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