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Beliebter Gelfand endlich im WM-Finale
Alter Haudegen düpiert im Kandidatenturnier die Favoriten
von FM Hartmut Metz, 5. Juni 2011
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An Boris Gelfand hatte keiner geglaubt - und so wird es auch im April oder Mai 2012 gegen Viswanathan Anand sein. Der in Minsk geborene Israeli qualifizierte sich beim Kandidatenturnier für das Duell mit dem Weltmeister. Angesichts seines im Juni anstehenden 43. Geburtstags ist der Herausforderer ausnahmsweise älter als der Titelverteidiger. Gelfand gehört aber wie der eineinhalb Jahre jüngere Anand zur Generation der Endsechziger.
Topfavorit Lewon Aronjan sowie die Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik und Wesselin Topalow scheiterten bereits früh. Gelfand mag als Weltranglisten-16. als krasser Außenseiter gehandelt worden sein - bei WM-Qualifikationen überzeugte der ehemalige Weißrusse aber meist. Nur für ganz oben reichte es nie. So belegte der alte Haudegen auch 2007 bei der WM in Mexiko hinter Anand und mit Kramnik den zweiten Platz.
Im tatarischen Kasan befand sich der Israeli einmal mehr in Höchstform. Sein grandioser Sieg im Viertelfinale über Schachrijar Mamedjarow, bei dem Gelfand mit fünf Bauern für einen Turm die Oberhand behalten hatte, war bereits in der Schachspalte vor drei Wochen zu bewundern. Im Halbfinale eliminierte der Weltranglistendritte von 1991 Gata Kamsky im Tiebreak. Der US-Champion war der einzige Spieler, der außer Gelfand eine Partie gewann! Von 30 Partien wurden nur drei entschieden - der älteste Teilnehmer feierte damit doppelt so viele Siege wie der Rest des achtköpfigen Feldes zusammen!
Ex-Weltmeister Kramnik, der in der Halbfinal-Verlängerung an Alexander Grischuk scheiterte, macht es sich leicht, wenn er das "Catenaccio"-Geschiebe - wie es der Russe selbst in Anlehnung an den Verteidigungsriegel im Fußball nannte - auf den Modus schiebt. Wenn Spieler nach teilweise acht Zügen die Partie friedlich beenden, mangelt es auch an Einsatzwillen und Risikofreude. Immerhin räumte Kramnik ein, dass er selbst allein für sein bescheidenes Abschneiden verantwortlich sei.
Im Kandidaten-Finale verhinderte Gelfand mit dem ersten Weiß-Sieg überhaupt zum 3,5:2,5-Endstand, dass die Taktik von Schnellschach-Spezialist Grischuk vollends aufging: Der Weltranglistenzwölfte bot selbst mit Weiß häufig früh ein Remis an und setzte auf die Tiebreak-Verlängerung. So eliminierte der Russe auch tatsächlich die Topfavoriten Aronjan und Kramnik.
"Menschlich freut mich die WM-Qualifikation für Boris, nachdem keiner mehr mit ihm rechnete", bekannte Kramnik und unterstrich damit, dass sich der stets freundliche und zurückhaltende Großmeister aus Rischon LeZion in Spielerkreisen großer Beliebtheit erfreut. Im Finale sieht Kramnik den Herausforderer nicht völlig chancenlos: "So leicht wird es nicht für Anand, auch wenn er der Favorit ist. Niemand sollte Boris unterschätzen! Er besitzt die seltene Fähigkeit, in den wichtigsten Momenten sein Bestes zu geben."
Hier die entscheidende letzte Partie in Kasan.
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Gelfand,B (2733) - Grischuk,A (2747) [D76]
WM-Kandidatenturnier, Finale Kazan, 25.05.2011
1.d4
Sf6
2.c4
g6
3.Sf3
Lg7
4.g3
d5
5.cxd5
Sxd5
6.Lg2
Sb6
7.Sc3
Sc6
8.e3
0-0
9.0-0
Te8
10.Te1
a5
11.De2
Lg4!?
[ 11...e5
hatte Grischuk vor zwei Jahren in einer Schnellschachpartie in Villarrobledo gegen Lubomor Ljubojevic bevorzugt.; Gelfand selbst zog mit Schwarz wenige Wochen zuvor in Monaco 11...Lf5
gegen Wesselin Topalow.; 11...Le6
wird am häufigsten gespielt. Programme schlagen aber auch den Partiezug vor, mit dem Schwarz h3 provoziert und darauf baut, den Bauern unter Beschuss zu nehmen.]
12.h3
Le6
13.b3
a4
14.Tb1N
Eine Neuerung, mit der Weiß allen Unannehmlichkeiten auf der a-Linie aus dem Weg geht. [ 14.Sg5?!
erweist sich als schwach. 14...Ld7!
( 14...axb3?!
15.Sxe6
fxe6
16.Lb2
bxa2
17.Txa2
kommt Weiß entgegen, weil der gewonnene Bauer nichts zählt und Gelfand das Läuferpaar - insbesondere die mächtige Figur auf g2 - erhält.) 15.bxa4
e5
16.d5
( 16.Sf3?
exd4
verliert bereits Material.) 16...Dxg5
17.dxc6
Lxc6
18.Lxc6
bxc6
19.e4
Df6
20.Dc2
Lf8=/+
und Schwarz steht etwas besser.]
14...axb3
15.axb3
Dc8
16.Kh2
Ta5!?
17.Td1
[ 17.Sb5
Sb4!
( 17...Lf5
kontert der Anziehende mit 18.Ld2!
und erhält laut Alexander Chalifman leichten Vorteil.) 18.Ld2
c6=
mit Ausgleich.; 17.g4!?~~
kommt in Betracht, um den Turmschwenk nach h5 gleich radikal zu unterbinden.]
17...Th5
18.Sh4
Lf6
19.f4!?
[ Eher auf der Hand liegt 19.Lf3
Ta5
( Opferfreudiger ist 19...Txh4!?
20.gxh4
Lxh3
mit beiderseitigen Chancen.) 20.b4
Ta8
21.d5!?
Lxc3
22.dxc6
bxc6
23.Lxc6
Ta2
24.Dd3
Le5
25.Lxe8
Txf2+
26.Kg1
Lxg3
27.Tb2
Tf6
28.Lc6
Lxh4
29.Tc2
mit interessanter Stellung, die wohl in der Remisbreite bleibt.]
19...Td8
[ 19...Lxh4
erfordert äußerst präzises Spiel von Schwarz: 20.gxh4
Txh4
21.Kg3!
Txh3+
( 21...Th5
22.d5
Lxh3
23.Lf3
stürzt Grischuk in Schwierigkeiten.) 22.Lxh3
Lxh3
23.d5
Sb4
24.La3
c5
25.Lxb4
cxb4
26.Se4
Df5
27.Df3
( 27.Sf2
Sxd5
28.Txd5
Dxd5
29.Sxh3
e5
30.f5!
gxf5
31.Dc4
Td8
bereitet Schwarz wenig Kummer.) 27...Lg4
28.Dxg4
Dxe4
29.Df3
Dc2
30.Tdc1
Dd2
31.e4
Sd7
32.Td1
Da2=
]
20.Df2
Lxh4?
Ein strategischer Fehler. Schwarz sollte den Läufer behalten. [ 20...Ta5
vergibt sich nichts.]
21.gxh4
Sd5
22.Sxd5
Thxd5!
[ 22...Lxd5?
patzt eine Figur ein: 23.e4
Le6
24.d5
]
23.Lb2!+/-
Gelfand lässt sich nicht auf die Verwicklungen ein. Anstatt den Turm auf d5 zu nehmen, entwickelt er lieber endlich den Läufer. Danach droht die weiße Zentrumslawine vorzumarschieren und die lange
Diagonale für den Läufer auf b2 zu öffnen.
23...Tb5?
[ 23...Dd7
24.Lc3
und Schwarz steht unkomfortabel, aber noch haltbar. ( 24.e4?!
gestattet hingegen wieder ein Qualitätsopfer. 24...Txd4!
25.Lxd4
Sxd4
26.f5
Dd6+
27.Kh1
Lc8=
) ]
24.De2!
Th5
Schwarz muss mit dem Turm auf der fünften Reihe bleiben, um d5 zu verhindern.
25.e4!
Lxb3
[ 25...Txh4
zieht einmal mehr 26.Kg3!+-
nach sich. Und diesmal geht nicht einmal mehr 26...Txh3+
27.Lxh3
Lxh3
28.d5
Sb4
29.Th1
Ld7
30.Txh7!!
Kxh7
31.Th1+
Kg8
32.Th8#
]
26.Tdc1
Sa5
27.d5
Weiß beherrscht mit seinen Bauern das Zentrum und hat die schwarzen Figuren vom Hinterland abgeschnürt.
27...b6
28.Le5
c5
29.dxc6?!
[ 29.Db5!+-
überzeugt noch mehr. Ein Beispiel: 29...c4
30.Dxb6
Sb7
( 30...Da8
31.Ta1
) 31.Txb3
]
29...f6
30.La1
[ 30.c7!
reicht ebenso: 30...Td7
31.Db5
fxe5
32.Dxd7!
Dxd7
33.c8D+
Dxc8
34.Txc8+
Kf7
35.fxe5
Txe5
36.Tc3
Tb5
( 36...Lc4
37.Txb6+-
) 37.Lf1
Tb4
38.Ld3
und die Drohung Lc2 gewinnt weiteres Material.]
30...Tc5
[ 30...Lf7
rettet die Stellung nicht. 31.e5!
Sb3
32.Txb3!
Lxb3
33.Db2
Lf7
34.exf6
e6
35.Dxb6
]
31.Txc5
bxc5
32.Db5!
[ Die Verführung 32.Txb3?
Sxb3
33.Dc4+
Kg7
34.Dxb3
Dxc6
lässt Schwarz gute Remischancen mit Turm und Bauer für zwei Läufer.]
32...Dc7?!
[ 32...La2
bereitet dem Gegner mehr Kopfzerbrechen, auch wenn Gelfand mit präzisem Spiel die Oberhand behalten sollte: 33.Tb2
Dc7
Nimmt f4 ins Visier. 34.e5!
Le6
35.Db6
Dxb6
36.Txb6
Tc8
37.exf6
exf6
38.Lxf6
Sc4
39.Tb7
Se3
40.Lh1
Ld5
41.Tg7+
Kf8
42.c7
Lf7
43.h5!
Txc7
44.h6!
Ta7
45.Txh7
Ta2+
46.Kg1
Ld5
( 46...Ke8
47.Lc6+
Kf8
48.Th8+
Lg8
49.h7
) 47.Tg7
und der h-Bauer marschiert durch.]
33.Txb3+-
Sxc6
[ 33...Sxb3
macht's nicht erfreulicher. 34.Dxb3+
Kg7
35.e5+-
deckt den Freibauern und drückt auf f6. Schwarz ist wehrlos.]
34.e5
Sd4
35.Dc4+
[ 35.Dc4+
Kf8
36.Tb7
Dc8
37.exf6
exf6
38.Df7#
] 1-0
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