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Bastian,H - Kortschnoj,V [C02]
Baden-Baden, 1981
[Bastian, Herbert]
1.e4
e6
Hier traf mich schon der erste Schock. Den ganzen Vormittag hatte ich mich auf Italienisch vorbereitet, weil ich dachte, dass Kortschnoj die mögliche Abtauschvariante wegen ihrer hohen Remistendenz gegen mich Underdog vermeiden würde. Andererseits wusste ich damals schon, wie virtuos Kortschnoj die Abtauschvariante mit Schwarz regelmäßig zum Sieg führte, so dass ich diese auf keinen Fall gespielt hätte. Also ganz oder gar nicht, ich entschied mich für die mir gut vertraute Vorstoßvariante.
2.d4
d5
3.e5
c5
4.c3
Sc6
5.Sf3
Ld7
6.Le2
Tc8
7.0-0
Sge7
8.dxc5!
Kortschnojs Variante war mir damals noch nicht bekannt, weshalb ich alles am Brett finden musste. Mein Zug war damals eine Neuerung. Als ich mich für diesen Zug entschied, hatte ich bereits das strategische Konzept vor Augen. Die Aufgabe des Zentrums war Absicht, weil ich die frei werdenden Felder mit Figuren blockieren wollte. Diese Idee hatte ich aus einer berühmten Partie von Nimzowitsch. Später erzählte mir jemand, Alexander Roschal, ein bekannter, anwesender russischer Schachjournalist, hätte diesen Zug schon als vorentscheidenden Fehler bezeichnet.
8...Sg6
9.Le3
Sgxe5
10.Sxe5
Sxe5
11.b4
Le7
12.f4
Sc6
13.Sd2
Lf6
14.Tc1
14...0-0
[ Eine kritische Stelle. Wenn Schwarz die weißen Pläne durchkreuzen will, muss er 14...d4!?
versuchen, was mir während der Partie am unangenehmsten erschien. Nach 15.Lxd4!
Sxd4
( 15...Lxd4+
16.cxd4
Sxb4
17.Se4
0-0
18.Dd2
Sd5
19.Sd6
) 16.cxd4
Lxd4+
17.Kh1
0-0
18.Se4
hat Weiß Vorteil, aber mir scheint das weniger unangenehm als die Partiefortsetzung für Schwarz. Hier nahm Kortschnoj mich wohl noch nicht ernst.]
15.Sf3
Dc7
16.Dd2
Tcd8
17.Ld4!
Le7
Dieser Zug rde allgemein getadelt, doch verschlechtert er die schwarze Lage nicht. Es ist der einzige Weg für Schwarz, die Blockade im Zentrum brechen.
18.De3
f6
19.Ld3
Tf7
20.Tce1
Tdf8
21.a3!
Weiß hat den Druck maximal verstärkt und meldet nun mit der Drohung c3-c4 selber ehrgeizige Absichten an.
21...Ld8?!
[ 21...Tb8!?
]
22.c4!
b6
23.cxb6
axb6
24.cxd5
exd5
Die Vereinzelun g des d-Bauers hat Schwarz einen Freibauern gebracht, doch spielt das keine Rolle. Wichtiger ist die Kontrolle über das Blockadefeld d4, die Weiß bis zum Ende nicht mehr abgeben wird. Außerdem hat sich die c-Linie geöffnet.
25.Tc1
Te7?
[ Kortschnoj wies nach der Partie auf 25...Te8
hin, was den später den Spieß auf der Diagonalen a3-f8 vermeidet. Auch dann steht Weiß klar besser.]
26.Dd2
Dd6
27.Lc3!?
[ Meine Analyseprogramme plädieren hier für 27.Lf2
während sie meinen Zug wegen Kortschnojs Antwort verwerfen. Doch will ich das nicht glauben.]
27...b5!
28.Kh1!
[ 28.Lxb5?
Lb6+
29.Kh1
Le3
]
28...Lb6
29.Dc2!
Die vielen kleinen Damenschritte sind alle sehr effektiv. Jetzt fällt ein Bauer.
29...Kh8
[ 29...Dxf4
30.Lxh7+
Kh8
31.Se5!
]
30.Lxb5
Tc8
31.Lxc6?!
[ Wird von den Programmen getadelt, die 31.Da4!?
bevorzugen. Weiß geht es um die taktische Absicherung seines Materialvorteils, wie aus den folgenden Varianten erhellt.]
31...Txc6
32.Db2!
Le3
[ 32...Dxf4?
33.Sd4
]
33.Tce1
Dc7?
Erst nach diesem Fehler kommt Weiß entscheidend in Vorteil. [ 33...Dxf4?
34.Se5
; 33...Lxf4
34.Txe7
Dxe7
35.Sd4
; Richtig war 33...Tc8!
34.Ld4!
Lxf4
( 34...Dxf4
35.Db3!
Tce8
36.Dxd5
) 35.Lc5
Txe1
36.Txe1+/=
]
34.Ld4!
Lxd4
35.Dxd4
Txe1
[ Besser war 35...Le6
Kortschnoj war hier schon in großer Zeitnot. Weiß erreicht eine Traumstellung.]
36.Txe1
Le6
37.f5
[ 37.b5!+-
]
37...Lf7
38.De3
[ 38.b5!
Tc4
39.De3
]
38...h6?!
39.h3
[ 39.b5!
]
39...Tc3
40.De7
Dxe7
41.Txe7
Lh5
42.Sd4
Txa3
43.Td7
Hier wurde die Partie abgebrochen und Schwarz gab seinen Zug ab. Ab hier war alles ausanalysiert für die Hängepartie am darauf folgenden Morgen ab 9.00 Uhr. Vor 4.00 Uhr nachts kam ich vor lauter Aufregung nicht zum Schlaf. Ein Remis gegen mein großes Idol war mir bereits sicher, doch es sollte noch besser kommen.
43...Ta8
Der Abgabezug war eine angenehme Überraschung. Weiß gewinnt jetzt zwingend den Läufer. [ Wir freuten uns bei der Analyse über die hübsche, aber nicht zwingende Variante 43...Td3
44.Se6
Tb3??
45.Td8+
Kh7
46.Sf8+
Kg8
47.Sg6+
Kf7
48.Tf8#
]
44.b5
Tb8
45.b6!
Txb6
46.g4
Lxg4
47.hxg4
h5!?
Bis hierhin zog Kortschnoj a tempo, während ich das gar nicht untersucht hatte. Das hielt ich für klar verloren, aber so einfach war es nicht.
48.gxh5
Tb4
49.Txd5
Kh7
50.Kg2
Kh6
Schwarz möchte alle Bauern tauschen, aber dazu kommt es nicht mehr, weil Weiß zu viel Angriffspotential um den schwarzen König versammelt hat.
51.Se6!
Tb7?!
[ Mehr Unbehagen hätte mir 51...Kxh5!
bereitet, wonach Weiß genaue Züge finden muss. 52.Kf3!
( 52.Sxg7+
Kg4
53.Kf2
Tb3
) 52...Tb3+
( 52...g6?
53.Sf4+
Kg5
54.fxg6+
f5
55.Sd3
Tb8
( 55...Tb7
56.Sc5!
) 56.Td6
Ta8
57.g7
Tg8
58.Sf4
) 53.Ke4
Tb4+
54.Td4
Tb7
( 54...Txd4+
55.Kxd4
und Matt in 18 nach den Nalimov Tablebases.) 55.Td8
Tb4+
56.Sd4
g6
57.Th8+
Kg5
58.Tg8+-
]
52.Td3!
Kxh5
53.Tg3
Kh4
54.Tg6!
[ Hier gewann auch 54.Txg7
Txg7+
55.Sxg7
Kg4
56.Kf2
doch Kortschnoj war schon wieder in extremer Zeitnot, weshalb ich einen unerwarteten Zug machen wollte. Hier versuchte Kortschnoj einen letzten Trick, bei dem er sich jedoch verkalkulierte, indem er die Zeit überschritt.]
54...Tb3
[ 54...Tb3
Nun gewinnt 55.Txg7!
( Die Falle offenbart sich in der Variante 55.Sxg7??
Tg3+!!
56.Kf2
( 56.Txg3
Patt.) 56...Txg6
57.fxg6
Kg5
Remis.) 55...Tb5
56.Kf3
Txf5+
57.Sf4
Tg5
58.Th7+
Th5
59.Txh5#
In einer Schachzeitschrif t war behauptet worden, Kortschnoj hätte in einer Remisstellung (wegen der Pattvariante) die Zeit überschritten.Dies war jedoch falsch, wie in mehreren Leserzeitschriften festgestellt wurde. Es bestand eine gewisse Gefahr, dass ich in der Aufregung in die Pattfalle getappt wäre, aber ich hatte noch genügend Bedenkzeit und überlegte mir jeden Zug sehr genau.Schließlich bekommt man eine solche Chance gegen Kortschnoj nicht zweimal, zumindest nicht damals!] 1-0
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