Startseite Rochade Kuppenheim

Der Alte Fritz reitet wortlos davon

Könige wie Bräutigame ziehen in Ströbeck am Brett den Kürzeren

Foto und Text von FM Hartmut Metz, 18. September 2011

 

Im Schachdorf Ströbeck ranken sich zahllose Mythen um das königliche Spiel, seit es der im Wartturm inhaftierte Wendengraf Guncelin anno 1011 seinen freundlichen Bewachern beigebracht haben soll. Schriftlich verbürgt ist zumindest, dass in dem von Halberstadt eingemeindeten Örtchen seit 1515 dem - frei nach Goethe - "Probierstein des Gehirns" gefrönt wird.

Mächtige Herrscher machten deswegen dem Bauerndorf in Sachsen-Anhalt ihre Aufwartung. So soll Friedrich der Große 1773 auf der Durchreise in Ströbeck seine Pferde gewechselt haben - prompt wurde dem Preußen-König wie jedem durchreisendem Gast eine Partie gegen den Dorfschulzen angeboten. Der Alte Fritz gewann zwei Partien und äußerte hernach ernste Zweifel an den Schachkünsten der Ströbecker. Der gewitzte Ortsobere konterte jedoch kühl, Friedrich II. habe das erste Duell gewonnen, weil er sein König sei - und das zweite, weil er sein Gast sei! Nun aber brauche er keine Rücksicht mehr zu nehmen und könne richtig spielen. Die dritte Partie verlor der Alte Fritz, woraufhin der Preuße wortlos sein Pferd bestiegen haben und von dannen galoppiert sein soll ...

Ströbeck
Der Wendengraf Guncelin soll 1011 seinen freundlichen
Gefängniswärtern im Wartturm das Schachspiel beigebracht haben

Die Ströbecker pflegten auch ihre speziellen Schacharten. Zum einen das Kurierschach: Auf den 8 x 12 Feldern finden sich zusätzliche acht Figuren wie der Schleich, der sich wie ein Turm bewegt (allerdings nur stets ein Feld weit fährt) und wie ein Hofnarr aussieht, ein "Man" und je zwei Kuriere. Zum anderen entpuppten sich die Rübenbauern auch im herkömmlichen Schach als Eigenbrötler: Jede Partie begann mit einer Stellung, bei der die a-, d- und h-Bauern auf beiden Seiten schon zwei Felder nach vorne gespielt waren. Zudem standen die Damen bereits auf den Feldern d3 beziehungsweise d6 statt auf d1 und d8. Eine schöne Tradition belebten die Ströbecker mit der Hochzeits-Partie. Der Bräutigam tritt dabei gegen den Ortsvorsteher an und kämpft mit diesem um das Recht, seine Braut zu ehelichen. Im Falle des Verlusts musste der Bräutigam im 18. Jahrhundert ein weiteres Jahr auf seinen Schatz warten oder einen Obolus ins Gemeindesäckel entrichten.

Heute sind die Beträge weit geringer. Michael Ühre, der gegen Ortsvorsteher Jens Müller unterlag, zahlte nur 75 Euro in die Kasse des Schachvereins Ströbeck und durfte deshalb seine Kathleen doch heiraten. Nachstehend die Partie aus der Vorwoche, die extra für diese Schachspalte von den Ströbeckern aufgezeichnet wurde.











Ühre,M - Mueller,J [A20]
Hochzeitspartie Stroebeck, 08.09.2011

1.c4 e5 2.d3 Sc6 3.e4 Lb4+ 4.Ld2 a5 5.a3 Lc5 6.Sc3 Df6 7.Le3 Ld6? [ 7...Lxe3 8.fxe3 empfiehlt sich.] 8.Sf3 h6 9.g4? Bis zu diesem Zug hat Weiß für einen Hobbyspieler sehr gut gespielt und die Figuren vernünftig entwickelt. Statt des Bauernvorstoßes kam eher eine natürliche Fortsetzung wie [ 9.Le2 in Betracht. Dann ist der Anziehende harmonischer aufgebaut als Schwarz, der den Läufer auf d6 deplatzierte und den Springer auf g8 wegen der Damen-Blockade nicht auf das Idealfeld f6 stellen kann.; 9.c5! ist allerdings noch nachhaltiger! 9...Lf8 ( 9...Le7? scheitert bereits an 10.Sd5 Dg6 11.Sxc7+ Kd8 12.Sxa8 mit Turmverlust.) 10.Sb5 Dd8 11.d4! exd4 12.Lf4 d6 13.Sfxd4 Ld7 14.Lc4 Sxd4 15.Dxd4 Lxb5 16.Lxb5+ c6 17.cxd6! cxb5 18.Tc1 Tc8 19.De5+ Se7 20.Txc8 Dxc8 21.dxe7 Lxe7 22.Dxg7 Tf8 23.0-0 mit Gewinnstellung.] 9...g5? [ 9...b6 sollte den erneuten Vorstoß nach c5 unterbinden.] 10.h3? [ 10.h4! beschert Weiß Druck auf der h-Linie. 10...gxh4 11.Sd5 Dd8 12.Sxh4 Sd4 13.Sf5 Lc5 14.g5 Ta6 15.Lxd4 Lxd4 16.Dd2 d6 17.Sxd4 exd4 18.gxh6 c6 19.h7 cxd5 20.hxg8D+ Txg8 21.exd5+- ] 10...b6 11.Sa4? Nun gerät Ühre zunehmend auf Abwege. Der Läufer auf f1 gehört weiterhin entwickelt. 11...La6 12.Db3?? Tb8?? Schwarz hätte gefahrlos den einstehenden Springer auf f3 schnappen können. 13.Sd2 Sge7 14.f3 0-0 15.h4 gxh4 16.Lh3?! [ 16.Tg1 mit der Idee g5 bietet bei wenig Bedenkzeit gute Gegenchancen.] 16...Dg6 17.Dc3 b5 18.cxb5 Lxb5 19.La7?? Stellt alles ein. [ 19.Sc5 hält die Partie offen.] 19...Sxa7 20.Sb3? Lxa4 21.Dxa5 Lxb3 22.Dxa7 Sc6 23.De3 Dg5 24.De2 Sd4 Nun rollt der schwarze Angriff. Müller erhält Oberwasser und natürlich Gelegenheit, mit frechen Sprüchen dem Bräutigam zuzusetzen, der partout den Damentausch (nicht nur aus ethischen Gründen) vermeiden muss. 25.Dg2 Sc2+ 26.Ke2 De3+ 27.Kf1 Dxd3+ 28.De2 Jetzt kann Ühre fast nicht mehr anders, als selbst Damentausch anzubieten - egal, ob seine Kathleen zuschaut oder nicht. 28...Dxe2+ Der Damentausch reicht völlig. Noch kürzeren Prozess hätte der Dorfschultes jedoch mit [ 28...Se3+! machen können, das zu einem baldigen Matt führt. 29.Kf2 ( 29.Kg1 Dxe2 zieht die Partie noch eher hinaus, ist aber genauso hoffnungslos.) 29...Dxe2+ 30.Kxe2 Lc4+ 31.Kxe3 ( 31.Kf2 Txb2+ 32.Kg1 Lc5 33.Th2 Sxg4+ 34.Tf2 Sxf2 35.Lg2 Sg4+ 36.Kh1 h3 37.fxg4 hxg2+ 38.Kh2 g1D+ 39.Kh3 Th2# ) 31...Txb2 32.f4 Lc5+ 33.Kf3 Tf2# ] 29.Kxe2 Lc4+ 30.Kd2 Sxa1 31.Kc3 Lb3 32.g5 Tfd8 33.Txa1 Le6 34.Lg4 Tb3+ 35.Kc2 Tdb8 36.gxh6 Txb2+ 37.Kd3 T8b3# 0-1



Meko 2011
Meko-Übersicht
Startseite