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Entscheidung in "einer heißen Minute"
Magnus Carlsen läuft nach "Brasilien-Urlaub" zu großer Form auf
von FM Hartmut Metz, 23. Oktober 2011
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Golf, Fußball, ein bisschen Sightseeing in Rio de Janeiro und ein Treffen mit den Musikern der Red Hot Chili Peppers: Der zweiwöchige Brasilien-Trip hört sich nach einer Vergnügungsfahrt für Magnus Carlsen an. Doch der Weltranglistenerste aus Norwegen spielte nebenbei auch noch ein bisschen Schach. Bei der ersten Hälfte des Grand-Slam-Finales in Sao Paulo konnte Carlsen vielleicht den Schalter noch nicht ganz umlegen von Urlaubs- auf Sport-Modus. Im spanischen Bilbao gab es dann aber kein Halten mehr. Der 20-Jährige blieb ungeschlagen und schloss mit seinem erneuten Sieg über Wassyl Iwantschuk zum führenden Ukrainer auf. Der Stichkampf im Blitzschach war mit 1,5:0,5 auch eine klare Sache für den Norweger, der zum ersten Mal das Masters-Finale gewann.
Der lebenslustige Carlsen freute sich vor allem über die Masters-Premiere in Brasilien. Vor dem Auftakt verfolgte der Fußball-Fan in Rio ein Erstliga-Match zwischen Botafogo und Flamengo. Zudem lernte er während des Festivals "Rock in Rio" die Red Hot Chili Peppers kennen, die unbedingt gegen ihn Schach spielen wollten. "Ihr Niveau ist ganz gut", befand Carlsen auf seinem Blog. Nach seiner "schmerzhaften Niederlage" in Runde drei gegen Schlusslicht Francisco Vallejo Pons reagierte sich der Weltranglistenerste auf dem Golfplatz ab - bei seinem zweiten Versuch voll konzentriert, "damit ich den Ball treffe und nicht nur die dünne Luft".
Mehr als heiße Luft produzierte der Jungstar in der vorletzten Runde. "One hot minute" hieß ein Studioalbum der Red Hot Chili Peppers - nicht viel länger dauerte die entscheidende Phase im direkten Duell mit Iwantschuk. Nach einem Damenopfer hatte der Weltranglistensiebte "um Zug 30 herum nur noch zwei Minuten", erinnert sich Carlsen, "er fing zu blitzen an und verlor rasch eine Figur."
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Carlsen,M (2823) - Iwantschuk,W (2765) [E21]
Grand Slam Final Sao Paulo/Bilbao, 10.10.2011
1.d4
Sf6
2.c4
e6
3.Sc3
Lb4
4.Sf3
b6
5.Dc2
Lb7
6.a3
Lxc3+
7.Dxc3
Se4
8.Dc2
f5
9.g3
Sf6
[ Möglich ist ebenso 9...0-0
Der Springer-Rückzug sieht wie ein Zeitverlust aus, macht aber durchaus Sinn: Der Läufer auf b7 erhält freie Bahn, und vor allem erschwert f5 weiße Dominanz im Zentrum, sollte der Bauernvormarsch nach e4 gelingen.]
10.Lh3!?N
Carlsen vermeidet mit dieser ungewöhnlichen Neuerung die
Standardfortsetzung [ 10.Lg2
nebst 10...--
11.d5
]
10...0-0
11.0-0
a5
[ 11...Lxf3?!
12.exf3
verpasst Weiß zwar einen Doppelbauern, aber da dieser e4 kontrolliert und der Läufer nach g2 zurückgeht, um von dort aus eine Macht auf der Diagonalen zu sein, verzichtet Schwarz lieber auf das Schlagen.]
12.Td1
De8
13.d5!
Sa6
14.Lf4
exd5?!
Der Zug erweist sich als schlecht. Die weißen Läufer entwickeln danach besondere Kraft. [ 14...Dh5
15.Lg2
exd5
16.Sd4
bietet eher Ausgleichschancen, weil Schwarz den gefesselten Bauern auf d5 langfristig nicht vernünftig verteidigen kann.]
15.Lxf5
dxc4?
[ 15...Se4
16.Lh3
Sac5
17.cxd5
Dh5
18.Lg2
Lxd5
19.Sd4
Sf6
20.f3
Se6
21.Sxe6
Lxe6
22.e4
Tac8
23.b4
d6+/=
spielt sich für Carlsen angenehmer, auch wenn der Vorteil relativ gering ausfällt.]
16.Sg5!
Dh5
Darauf dürfte sich Iwantschuk verlassen haben. Die Dame deckt den wunden Punkt h7 zuverlässig, weist jedoch einen Nachteil auf. [ 16...g6
führt zu einem unersprießlichen Endspiel: 17.Lxd7!
Sxd7
18.Dxc4+
Kg7
19.Se6+
Kh8
20.Txd7
Dxd7
21.Sxf8
Dd5
( 21...Txf8??
22.Le5+
Dg7
23.Lxg7+
Kxg7
) 22.Dxd5
Lxd5
23.Sd7+-
]
17.Txd7!
Ein Blitz aus heiterem Himmel!
17...Kh8
[ 17...Sxd7?
lässt einen hübschen Damenfang zu: 18.Lxh7+
Kh8
19.Lg6
Dg4
20.f3
]
18.Te7!?
[ Computer bevorzugen 18.Td4
Carlsen will jedoch seine Schwerfigur auf der siebten Reihe Unruhe stiften lassen.]
18...Sd5
19.Lg4!
Ablenkung.
19...Dg6
[ 19...Dxg4
führt sofort zum Matt auf h7.]
20.Sf7+
Kg8
21.Lf5
Dxf5!
Der Nachziehende greift zu Zwangsmaßnahmen. [ 21...Dh5
22.g4
Dh4
23.Lg3
Dh3
24.Sg5
Dh6
25.Te5+-
Deckt den Springer auf g5 indirekt. 25...Sc5
( 25...Dxg5
26.Lxh7+
Kh8
27.Txg5
) 26.Lxh7+
Kh8
27.Lg6
Sf6
28.Sf7+
Txf7
29.Lxf7
Sce4
30.Dxc4
bereitet auch wenig Freude.]
22.Dxf5
Sxe7
23.Sh6+!
gxh6
24.Dg4+
Sg6
Mit zwei Springern und Turm für die Dame verfügt Iwantschuk eigentlich über genügend Material – doch das Plus verflüchtigt sich in der ausgeglichenen Stellung rasch angesichts der Zeitnot des Ukrainers.
25.Lxh6
Tf7
Mit zwei Springern und Turm für die Dame verfügt Iwantschuk eigentlich über genügend Material – doch das Plus verflüchtigt sich in der ausgeglichenen Stellung rasch angesichts der Zeitnot des Ukrainers.
26.Td1
Te8
27.h4
Sc5
28.h5
Lc8
29.Dxc4
Se5
30.Dh4
Sc6
31.Td5
Se6
32.Dc4
Scd8?
Das entscheidet das Duell.
33.Dg4+
Sg7
[ 33...Kh8
34.Ld2!
nebst 34...--
35.Lc3+
macht die Lage kaum erfreulicher für Schwarz. Als Carlsen seine Dame anfasste und in Richtung c8 griff, entdeckte Iwantschuk erst zu seinem Entsetzen die hängende Figur! Kaum war sie dort angekommen und verspeiste den Läufer, reichte Iwantschuk schon seine Hand zum Zeichen der Aufgabe übers Brett.]
34.Dxc8
1-0
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