Startseite Rochade Kuppenheim

Die "Unsterbliche Partie"

Die Kombinationen von Adolf Anderssen begeistern seit 150 Jahren

von FM Hartmut Metz, 29. Oktober 2011

 

Adolf Anderssen ist einer der Unsterblichen im Schachsport. Der Breslauer gewann nicht nur 1851 in London das erste offizielle große Schachturnier der Welt. Der Mathematik-Lehrer wird von den Liebhabern des königlichen Spiels bis heute vor allem wegen seiner glanzvollen Kombinationen verehrt. Zu diesen zählt die "Immergrüne", in der der 34-Jährige 1852 gegen seinen elf Jahre jüngeren Schachschüler Jean Dufresne die Oberhand behielt. Den deutschen Meister und Schachliteraten zertrümmerte Anderssen mit einem brillanten Springer- und Turmopfer, auf das ein noch fantastischeres Damenopfer folgte. Die "Unsterbliche Partie" wurde am Rande der Weltausstellung in knapp einer Stunde gespielt. Anderssen maß sich zusätzlich mit seinem Erstrunden-Gegner im Turnier, Lionel Kieseritzky, der das Match gegen den Deutschen mit 0,5:2,5 verlor. Nach der Opferkaskade aller Schwerfiguren setzte der damals 32-Jährige seinen aus Lettland stammenden Kontrahenten mit zwei Springern und einem Läufer bei fast vollem schwarzen Brett matt!

Danach deklassierte Anderssen Jozsef Szén (4:2), Howard Staunton (4:1) und im Finale Marmaduke Wyvill (4,5:2,5). Nun galt der Gymnasiallehrer fast zweieinhalb Jahrzehnte als ungekrönter Weltmeister. Seine Siege in London 1862, beim legendären Turnier 1870 in Baden-Baden und 1877 in Leipzig zementierten seinen Ruf. Das zwei Jahre später verstorbene Kombinationsgenie hatte nur ein Interregnum zulassen müssen, als der ebenso begabte Amerikaner Paul Morphy kurz auftauchte, ihn 1859 in Paris mit 8:3 schlug und bald auch wieder verschwand.

Nachstehend die "Unsterbliche Partie", deren Schönheit bis heute verzaubert.











Anderssen,A - Kieseritzky,L [C33]
London "Die unsterbliche Partie", 1851

1.e4 e5 2.f4 exf4 3.Lc4!? Dh4+ 4.Kf1 Weiß hat sich auf den Verlust der Rochade eingelassen, da er dafür Entwicklungsvorsprung erhält. [ 4.g3 geht nicht wegen 4...fxg3 5.Sf3 g2+! 6.Sxh4 gxh1D+ ] 4...b5!? Ganz im Stile des Jahrhunderts gespielt: Material zählt wenig und wird für Angriff und Entwicklungsvorsprung munter geopfert. 5.Lxb5 Sf6 6.Sf3 Dh6 7.d3 [ 7.Sc3 Lb7 8.De2 Lb4 9.e5 Sh5 Droht ein Springerschach auf g3. 10.Tg1 0-0 11.d4 Db6+/- ] 7...Sh5? Diese Fortsetzung versieht der deutsche Vorkämpfer Robert Hübner mit einem Fragezeichen für einen schlechten Zug. Besser gefällt ihm [ 7...Lc5 8.d4 Lb6 9.Sc3 Lb7 Anderssen-Pollmächer (1852) mit leichtem schwarzen Plus: 10.e5 Sg4 11.a4 a5 12.Dd3 0-0 ] 8.Sh4? [ 8.Tg1 überzeugt mehr wegen der Drohung 9.g4. 8...Le7 9.Sc3 c6 10.Lc4 0-0 11.g4! Sf6 12.Ke2 Sxg4! 13.Txg4 d5 14.Lxf4 Dh5 15.Txg7+ Kxg7 16.Dg1+ Kh8 17.exd5 Lg4 18.Tf1+/- und Weiß hat mehr vom Spiel.] 8...Dg5 9.Sf5 c6?! [ 9...g6 10.h4 ( 10.g4? gxf5 11.gxh5 fxe4-+ ) 10...Df6 Das empfahl von Gottschall im vergangenen Jahrhundert. 11.Sc3 c6 12.La4 Sa6=/+ ( 12...d6? 13.Sd5 Dd8 14.Kf2 Ld7 15.Te1= ) 13.Df3=/+ ] 10.g4? [ 10.La4 sollte geschehen.] 10...Sf6?! [ 10...g6 ist stärker: 11.gxh5 ( 11.Sd4 Lg7 12.c3 Lxd4 13.cxd4 Dxb5 14.Sc3 ( 14.gxh5 La6 ) 14...Db6 15.gxh5 Dxd4 16.Df3 ( 16.Lxf4 Df6 ; 16.Se2 Df6 ) 16...La6 17.Ke2 g5 18.Td1 d6-+ ) 11...gxf5 12.h4 Df6 13.Lc4 fxe4 14.dxe4 Tg8-/+ ] 11.Tg1 cxb5 12.h4 Dg6 13.h5 Dg5 [ 13...Sxh5? verliert: 14.gxh5 Df6 15.Sc3 Lb7 16.Lxf4 g6 17.Sxb5 gxf5 18.Sc7+ Kd8 19.Lg5 Dxg5 20.Txg5 Kxc7 21.Txf5+- ] 14.Df3 Sg8 15.Lxf4 Df6 16.Sc3 Lc5? [ 16...Dc6 halten Programme für am zähesten. Schwarz hat zwar eine Figur mehr, ist aber auch völlig unterentwickelt.] 17.Sd5? Verpasst die Gelegenheit zu [ 17.d4! Lxd4 ( 17...Le7 18.Sd5 Dc6 19.Sdxe7 Sxe7 20.Sd6+ Kf8 21.Db3 und auf f7 bricht Schwarz zusammen.) 18.Sd5 mit Figurengewinn.] 17...Dxb2 18.Ld6? Setzt zur großartigen Kombination an, die die Partie weltberühmt machte. Korrekt war indes [ 18.Te1! Lb7 ( 18...Sa6 19.Ld6 Lxg1 ( 19...Lb7 20.Lxc5 Sxc5 21.Sd6+ Kd8 22.Sxf7++- ) 20.e5!+- Lb7 21.Sxg7+ Kd8 22.Dxf7 Sh6 23.Df6+ Kc8 24.Se7+ Kd8 25.Sg8+ Kc8 26.Df8# ) 19.Sc7+ Polihroniade 19...Kd8 ( 19...Kf8 20.Ld6+ Lxd6 21.Sxd6 Df6 22.Dxf6 Sxf6 23.Sxb7+- ) 20.Sxa8 Sa6 ( 20...Lxa8 21.Lxb8 Lxg1 22.Kxg1+- Polihroniade) 21.Le3 Lxa8 22.Lxc5 Sxc5 23.Sd6 Sh6 24.g5+- ] 18...Lxg1? [ 18...Dxa1+! muss geschehen, um auf 19.Ke2 nicht auf g1 zu nehmen, sondern 19...Db2! zu spielen. ( 19...Dxg1?? 20.Sxg7+ Kd8 21.Lc7# ) 20.Kd2 endet auch mit einer Punkteteilung: ( 20.Tc1 Lb7 21.Lxc5 Lxd5 22.Df4 Sa6 23.Ld4 Da3 24.exd5 f6 25.Sxg7+ Kd8 26.d6 Kc8 27.De4 Sb8! ( 27...Tb8? 28.De8+ Kb7 29.Dxd7+ Sc7 ( 29...Ka8 30.Dxa7# ) 30.Se6! Tc8 31.dxc7 und Schwarz geht bald matt.) 28.Dxa8 Dxc1 29.Lxa7 Dxc2+ 30.Ke3 Dc1+ 31.Ke2 Dc2+ mit Dauerschach.) 20...Lxg1 ( 20...g6? 21.Lxc5 gxf5 22.exf5+- ) 21.e5 La6! 22.Sc7+ ( 22.Sxg7+ Kd8 23.Dxf7 Kc8 ) 22...Kd8 23.Dxa8 ( 23.Sxa6 Lb6 24.Dxa8 La5+=/+ ) 23...Lb6 24.Dxb8+ Lc8 25.Sd5 La5+ 26.Ke3 Dxc2 27.Dxa7 Dd2+ 28.Kd4 Df2+ 29.Sfe3 Dxa2 30.Lc7+ Ke8 31.Lxa5 Da1+ 32.Ke4 f6 33.e6 Dh1+ 34.Kd4 dxe6 35.Sc7+ Kf7 36.Scd5+ Ke8 37.Sc7+ mit Dauerschach.] 19.e5! Dxa1+ 20.Ke2 Sa6 [ 20...f6 21.Sxg7+ Kf7 22.Sxf6 Lb7 ( 22...Kxg7 23.Se8+ Kh6 24.Df4# ) 23.Sd5+ Kxg7 24.Df8# ; 20...Lb7 21.Sxg7+ Kd8 22.Dxf7 Sh6 23.Se6+ Kc8 24.Se7# ; 20...La6 21.Sc7+ ( 21.Sxg7+? Kd8 22.Dxf7 Sh6 23.Se6+ Kc8 ) 21...Kd8 22.Sxa6 ( 22.Dxa8? Dc3 23.Dxb8+ Lc8 24.Sd5 Dxc2+=/+ führt zu einer ähnlichen Remis-Variante wie im 18. Zug bei der Untervariante mit 20.Kd2.) 22...Dxa2 ( 22...Dc3 verliert. 23.Lc7+ Dxc7 24.Sxc7 Kxc7 25.Dxa8 Sc6 ( 25...Lc5 26.Sd6 Lxd6 27.exd6+ Kc8 28.Dxa7+- ) 26.Sd6 Sxe5 27.Se8+ ( 27.Df8+- ) 27...Kb6 28.Db8+ Ka5 29.Dxe5 Falkbeer).; 22...Lb6 23.Dxa8 Dc3 24.Dxb8+ Dc8 25.Dxc8+ Kxc8 26.Lf8 h6 ( 26...Sh6 27.Sd6+ Kd8 28.Lxg7 ) 27.Sd6+ ( 27.Lxg7 Th7 28.Sb4+- und die Idee 28...-- 29.Sd5 -- 30.Sf6 entscheidet.) 27...Kd8 28.Sxf7+ Ke8 29.Sxh8 Kxf8 30.Kf3+- mit leicht gewonnenem Endspiel laut Tschigorin.) 23.Lc7+ Ke8 24.Sb4 Sc6 25.Sxa2 Lc5 26.Dd5 Lf8 27.Dxb5+- reicht für Schwarz letztlich auch nicht.] 21.Sxg7+ Kd8 22.Df6+!! Sxf6 23.Le7# 1-0



Meko 2011
Meko-Übersicht
Startseite