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"Fritz" entlarvt Betrüger

Neues Schach-Programm ein "Quantensprung" bei Eröffnungen

von FM Hartmut Metz, 17. Dezember 2011

 

Ein "weltumspannendes Schachhirn" und einen "Quantensprung" nennt es das "Schach-Magazin 64" in seiner Dezember-Ausgabe: Das Programm "Fritz" mag von der Spielstärke her schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu den Top 3 gehören - was Nutzerfreundlichkeit und innovative Ideen anlangt, bleibt das elektronische Kind von Frans Morsch jedoch bis heute führend. Nun macht sich die aktuelle Version "Fritz 13" daran, ein Wikipedia des Eröffnungswissens zu schaffen.

Der Rechenknecht, der 49,90 Euro kostet, verbindet sich mit Anwendern, die auf dem Chessbase-Server online sind. Alle ermittelten Resultate zu Eröffnungen wandern in einen großen Topf, der wiederum den Beteiligten zur Verfügung steht. So analysiert nicht jeder Spieler allein vor sich hin, sondern erzielt dank der Verstärkung bessere und weit tiefgründigere Resultate. "Das ist eine extrem interessante Funktion, vor allem für Programmierer. Mit den Daten kann man exzellente Eröffnungsbücher schaffen, die die Engines noch schneller und stärker machen", unterstreicht Michael Hoffmann und lobt den Marktführer, "Chessbase-Produkte gehören in jeden guten Schach-Haushalt."

Der Rastatter beobachtet die Entwicklung genau, da er in den vergangenen drei Jahren selbst das Programm "Nemo" kreierte. Ab Januar bietet es der 35-Jährige kostenlos im Netz an. "Es gehört noch nicht zu den absoluten Top-Engines wie ,Houdini', ,Rybka' oder ,Fritz' - aber zu den besten 30 auf der Welt sollte ,Nemo' zählen", ordnet der Landesligaspieler des SC Rastatt ein.

Dass es heutzutage dank der schnellen Rechner nicht mehr ganz auf Elo-Weltranglistenpunkte ankommt, weiß Hoffmann. "Ob die wie 3300 oder 2900 Elo spielen, ist egal. Die sind damit stärker als die besten Großmeister", vergleicht der Rastatter die Elektronenhirne mit denen aus Fleisch und Blut. Amateuren bringe das "Eröffnungs-Wiki" von "Fritz 13" zwar nicht ganz so viel, weil sich die keine 30, 40 Eröffnungszüge samt Variantengestrüpp merken können - als Analysetool zeigt es nun aber im Nachgang auf, wo man hätte anders spielen sollen.

Nebenbei deckt die Neuheit aus Hamburg auch Betrugsversuche auf. Hatte 1999 der Fall Allwermann - als ein Amateur mit "Fritz" und einigem technischen Equipment betrog und das Turnier in Böblingen gewann - weltweit für Aufsehen gesorgt, droht Gaunern künftig die schnelle Entlarvung. Die Funktion "Let's Check" gibt dem Publikum zum einen eigene wertvolle Kommentar-Hinweise. Zum anderen untersucht sie die Partien auf Gemeinsamkeiten mit Computer-Vorschlägen. "Eine Übereinstimmung von über 90 Prozent mit Engine-Zügen ist bei einer Partie über 40 Züge verdächtig", erläutert Chessbase-Guru Matthias Wüllenweber.

Derlei muss man bei einem wie Robert Hübner gewiss nicht fürchten. Der deutsche Altmeister strengt lieber noch seinen Kopf an, als die Maus zu drücken und ein Programm als Ersatz anzuwerfen. Tiefgründig analysiert der ehemalige WM-Kandidaten-Finalist aber dennoch. Das zeigt sich aktuell im wunderbaren Bändchen "Schachkalender 2012" (Edition Marco, 288 Seiten, 13,80 Euro). Unter dem Titel "Abbruch" philosophiert Hübner über die abgeschafften Hängepartien und untersucht eine eigene von 1970 gegen den Ungarn Lajos Portisch.

Mit anderen alten Haudegen spielte der 63-jährige Papyrologe jetzt in Prag im Duell der Generationen gegen junge Großmeisterinnen. Dass Turniersieger Hübner noch immer Sonderklasse besitzt, bekam unter anderem Eva Kulovana zu spüren.











Hübner,R - Kulovana,E [A11]
Snowdrops vs Oldhands Prague CZE, 11.12.2011

1.g3 d5 2.Lg2 Sf6 3.c4 c6 4.Sf3 Lg4 5.Se5 Le6 6.cxd5 Lxd5 7.Sf3 c5 8.Sc3 Lc6 9.0-0 Sbd7 10.d3 e6 11.e4 e5 12.Sh4 g6 13.f4 Lg7 14.Le3 0-0? Der unscheinbare Zug hat weitreichende Konsequenzen. Nur [ 14...exf4! hält die Partie offen. 15.gxf4 Sxe4 16.Sxe4 Dxh4 17.Sd6+ Kf8 18.Sxb7 Lxg2 19.Kxg2 Lxb2 20.Sxc5 führt zu einer Stellung mit beiderseitigen Chancen.] 15.f5! So harmlos die Stellung wirkt - Schwarz steht bereits auf verlorenem Posten. Gegen das Manöver g4, g5 nebst f6 gibt es keine vernünftige Verteidigung mehr! 15...De7 16.g4 Dd6 [ 16...h6 17.fxg6 ] 17.g5 Sh5 18.f6 Lh8 Kulovana hat sich vermutlich darauf verlassen, dass sie mit h6 die Bauernphalanx sprengen kann und dann auf f6 zugreift. Hübner hatte jedoch noch Anderes im Sinn! 19.Dxh5! [ 19.Dxh5 gxh5 20.Sf5 und das Matt auf h6 kann Kulovana nur noch unter Figurenverlust abwenden. 20...Dxf6 ( 20...h6 21.Sxd6 ) 21.gxf6 Lxf6 ] 1-0



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