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"Mozart" liest Donald Duck

Amerikanischer TV-Dauerbrenner "60 Minutes" feiert Magnus Carlsen / Biographie des Weltranglistenersten erscheint bei Edition Olms

von FM Hartmut Metz, 28. Februar 2012

 

Eine starke Rückhand zeichnet ihn im Tennis aus. Noch begeisterter spielt der 21-Jährige Fußball - nicht nur, weil sein früherer Trainer Simen Agdestein außer Großmeister auf den 64 Feldern auch norwegischer Fußball-Nationalspieler mit acht Einsätzen (ein Tor) war. Am besten ist Magnus Carlsen aber zweifellos im Schach. Die amerikanische Kultsendung "60 Minutes", die bereits seit 1968 auf CBS läuft, widmete sich nun enthusiastisch eine knappe Viertelstunde lang dem Weltranglistenersten.

Der Sender vermeldete nicht nur erstaunt, dass ein Denkakrobat 1,5 Millionen US-Dollar im Jahr verdient. Die Interview-Sequenzen zeigten einen humorvollen wie ruhigen Bundesligaspieler der OSG Baden-Baden. Witzig wurde es mit den Bildern aus Reykjavik, als die "Vorbereitung" des damals 13-jährigen Jungen aus Lommedalen auf den großen Kasparow eingeblendet wurde: Carlsen schmökerte vor dem Duell mit dem besten Spieler aller Zeiten in einem Donald-Duck-Heft ... Glück wie Gustav Gans brauchte er nicht, um gegen Garri Kasparow zu bestehen. Am Schluss ärgerte der Norweger sich ein bisschen über die "ins Remis vergeigte Gewinnstellung, weil ich nervös wurde".

Nachdem Agdestein bereits den Knirps mit einem ersten Buch würdigte, legten jetzt Adrian Michaltschischin, Großmeister und einer der besten Trainer der Welt, und Oleg Stetsko nach: "Kämpfen und Siegen mit Magnus Carlsen: Seine besten Schachpartien kommentiert von Adrian Mikhalchishin und Oleg Stetsko" heißt die erste deutsche Biografie über den Ausnahmekönner. Band 85 der "Praxisschach"-Reihe von Edition Olms (24,95 Euro) ist kein Lesebuch. Auf den 312 Seiten findet der Leser viele Informationen und Charakterisierungen seines Stils. Im Mittelpunkt stehen aber 64 Partien aus seiner kurzen Karriere.

In "60 Minutes" verweist der Moderator darauf, dass der letzte Schachspieler, den man in der Sendung vorstellte, durchgedreht sei. Ob Carlsen das auch blühe? Der "Mozart des Schachs" räumte ein, dass ihm das Schicksal von Bobby Fischer zu denken gebe - so verrückt wie der Amerikaner werde er aber wohl nicht enden.

Nachstehend Partie 49 aus dem Buch von Edition Olms. Die Anmerkungen zu Carlsens Sieg 2009 in Linares über Alexander Grischuk stammen zum Großteil von Michaltschischin und Stetsko, die das Duell im Buch noch tiefgründiger analysieren.











Carlsen,M (2776) - Grischuk,A (2733) [B85]
Linares Linares, 05.03.2009

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Le2 e6 7.0-0 Le7 8.a4 Sc6 9.Le3 0-0 10.f4 Dc7 11.Kh1 Te8 12.Lf3 Lf8 13.Dd2 Tb8 14.Df2 Diese Variante war Grischuk aus seinem WM-Kandidatenmatch gegen Rublewski (Elista 2007) gut bekannt. Damals saß er auf der weißen Seite des Brettes. Der Russe bevorzugte [ 14.Tad1 ] 14...e5 [ Nach 14...Ld7 15.g4! e5 gewinnt Weiß ein wichtiges Tempo für den Angriff am Königsflügel. Die Partie Carlsen - Anand, Wijk aan Zee 2008, ging mit 16.Sf5 exf4 17.Lxf4 Le6 18.Tad1 Se5 19.Lxe5 dxe5 20.g5 Sd7 21.Sd5 Dc6~~ 22.Lg2 Dc5 weiter. Und hier inszenierte Carlsen nun einen Königsangriff: 23.Dh4 Dxc2 24.Tc1 Dxa4 25.b3!? Da5? ( 25...Dxb3! 26.Tc3 Lxd5! 27.Txb3 Lxb3 28.Tf3 Tbc8! 29.Th3 Tc1+ 30.Lf1 h6 31.Txb3 Txf1+ 32.Kg2 Tf4 33.Dh5 Tc8 verspricht Schwarz Initiative und die etwas besseren Aussichten.) 26.Tc3 g6 27.Th3 h5 Stattdessen geschah 28.Lf3? ( Nun hätte 28.Sg3!! gewonnen: 28...Lg4 ( 28...Lxh3 29.Lxh3 Dd8 30.Lxd7 Dxd7 31.Sf6+ Kg7 32.Sgxh5+ gxh5 33.Dxh5 und Weiß setzt matt.) 29.Sxh5! Weiß opfert trotzdem auf h5! 29...gxh5 30.Df2 f5 31.gxf6 und Schwarz kann sich laut dem russischen Großmeister Maxim Notkin nicht mehr ausreichend verteidigen. Ein Beispiel: 31...Kh7 32.Th4 Lc5 33.Dg3 Tg8 34.Lf3 Lxf3+ 35.Dxf3 Tg5 36.Txh5+ Txh5 37.Dxh5+ Kg8 38.Dg6+ Kf8 39.Tg1! Lxg1 40.Dg7+ Ke8 41.De7# ) 28...Lxd5! 29.exd5 Lg7 und Anand verteidigte einen halben Zähler.] 15.fxe5!? Eine Neuerung. Michaltschischin und Stetsko schreiben in der Biographie: "Carlsen ist, wie üblich, konkret in seinen Entscheidungen" und zitieren den Norweger. "Auf den ersten Blick sieht es ein bisschen unlogisch aus, den Schwarzen von seinem rückständigen Bauern auf d6 zu befreien, seinem Läufer f8 mehr Spielraum zu verschaffen und selbst den schwachen Läufer auf f3 zu behalten. Dennoch stehen hinter diesem Zug auch einige Ideen: Der schlechte Läufer könnte in Wirklichkeit nach Sd5 Sxd5 exd5 sehr stark werden - und die Möglichkeit, einen Freibauern sowie eine tückische Bauernmajorität am Damenflügel zu bilden, ist prinzipiell gefährlich für Schwarz." Die Autoren verweisen darauf, dass alle anderen Spieler - inklusive Anand und Grischuk selbst als Weißer! - hier automatisch [ 15.Sde2 zogen.] 15...dxe5 [ Das Schlagen mit dem Springer 15...Sxe5 führt nach 16.Lg5! Le7 17.Lxf6 Lxf6 18.Sd5 Dd8 19.Lh5 zu Materialverlust.] 16.Sb3 Sb4 17.La7 Treibt den Turm zurück auf sein Ausgangsfeld, was den Bauern auf b7 in manchen Abspielen seiner Deckung beraubt. 17...Ta8 18.Lb6 De7 19.Tad1 Le6?! Ein schablonenhafter Zug, der es Weiß erlaubt, einen gefährlichen Freibauern zu bilden. "Sicherer war [ 19...Lg4 , was paradox aussieht, da Schwarz damit anbietet, seinen guten gegen meinen schlechten Läufer abzutauschen. Aber in Wirklichkeit ist das durchaus sinnvoll, da der Schlüsselzug Sd5 weniger gefährlich gewesen wäre. Weiß behält auch dann eine leichte Initiative, aber Schwarz hätte eine verteidigungsfähige Stellung", erklärt Carlsen. 20.Lxg4 Sxg4 21.Dg3 Sf6 22.Sc5 Tac8 23.a5 Tc6 ( 23...Txc5? 24.Lxc5 Dxc5 25.Txf6 ) 24.Td2+/= ] 20.Sd5 Lxd5 21.exd5 e4 22.d6 De6? [ 22...De5 23.d7 Sxd7 24.Txd7 exf3 25.Dxf3 f6 ( 25...Te7 26.Dxb7 ) 26.Sd4 De4 sei der beste Ausweg aus dieser Situation, finden die Buchautoren. 27.Dxe4 Txe4 28.Txb7 Tc8 29.g3 ( 29.c3 Sd3 rettet den Bauern nicht.) 29...Sxc2 30.Tc1 Te1+ 31.Txe1 Sxe1 32.a5+/= Tc1 ( 32...Sd3 ist besser.) 33.Ta7 und Schwarz hat kein gutes Abzugsschach. Dank des gefährlichen Bauern auf a5 darf nur Weiß auf den vollen Punkt hoffen.] 23.Sc5 Df5 24.Le2 Dxf2 25.Txf2 Sbd5 26.a5? [ Damit wirft Weiß die Früchte seiner bisherigen Arbeit weg, und wahrscheinlich hätte sich Grischuk danach halten können. Dagegen bringe 26.Txf6! Sxf6 und erst dann 27.a5!+/- Schwarz praktisch in Zugzwang. Es ist schwer für ihn, einen Zug zu finden, während Weiß in Ruhe die Aufstellung seiner Figuren verbessern und einen Durchbruch am Damenflügel vorbereiten kann.] 26...Sxb6 27.axb6 Tab8? In seiner üblichen Zeitnot versäumt der Russe die Rettung durch ein Bauernopfer. [ 27...Tec8! 28.b4 ( 28.Sxb7 Txc2 29.g3 Sd7~~ ) 28...Tc6 29.d7 Lxc5 30.bxc5 ( 30.d8D+ Txd8 31.Txd8+ Lf8 32.Lxa6 Txb6 33.Lc4 Txb4 34.Lb3 reicht auch nicht.) 30...Td8 31.Lxa6 Txc5 ( 31...bxa6 32.b7 h6 33.b8D Txb8 34.d8D+ Txd8 35.Txd8+ Kh7 36.Ta8 gewinnt zwar die Qualität, das ist jedoch nicht genug.) 32.Lxb7 Tb5 und Schwarz sammelt die Bauern ein.] 28.Txf6! Die zweite Chance zum Opfer auf f6 nutzt Carlsen und verwertet seinen Vorteil konsequent. 28...gxf6 29.Sd7 f5 30.c4 a5 31.c5 Lg7 32.Sxb8 Txb8 33.La6! Mit dem sehenswerten Läuferopfer mobilisiert Carlsen seine drei verbundenen Bauern. 33...Lf6 Das Schlagen auf a6 beschleunigt nur den Vormarsch der weißen Heerschar. 34.Lxb7! Txb7 35.c6 Txb6 36.Tc1! Die letzte Feinheit. Bei [ 36.c7 Tc6 würde Weiß noch verlieren.] 36...Lxb2 37.d7 1-0



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